19 Songperlen auf einer CD


Der Sampler "Pearls" vereint Radiohead, Nick Cave, die Eels, die Guano Apes u.v.a. - kurz: die wahrscheinlich beste Compilation der Welt.

WER KENNT SIE NICHT? DIE GANZ PERSÖNlichen Compilations.für die man Stunden vor dem Cassettendeck zubringt. Die Münchner Plattenfirma BMG Ariola präsentiert nun in Zusammenarbeit mit ME/Sounds einen Sampler, der sich an dieses Prinzip anlehnt.“Auf PEARLS wird durch eine gezielte Abfolge der Songs eine Stimmung aufgebaut, in die der Hörer eintauchen kann, und wie auf einer Welle wird er durch die Compilation getragen“, so Christian Stonat, zuständig für Special Projects bei BMG. „Dies ist eine moderne Art eines Mixtapes.“ Bei der Songauswahl konzentrierte man sich deshalb auf „Künstler mit Potential und besonderer Ausdruckskraft in Musik und Text.“ Und das läßt sich mit Fug und Recht von allen 19 Acts, die auf PEARLS vertreten sind, behaupten.

Wie z.B. von dem großartigen CHUCK PROPHET, der die Compilation mit einem „Inside Track“ eröffnet. Prophet, den der englische „Melody Maker“ schon als „missing link zwischen Bob Dylan und Paul Westerberg“ bezeichnete, musizierte von 1984 bis 1992 bei Green On Red und startete danach eine vielbeachtete Solokarriere. Mit Alben wie „Balinese Dancer“, „Feast Of Hearts“ oder „Homemade Blood“, aus dem auch der hier vertretene „Inside Track“ stammt, sicherte Prophet sich einen der vorderen Plätze in der Singer/Songwriter-Gilde.

In letzterer bewegt sich auch JILL SOBULE. Die New Yorkerin ist vielen von ihrem Hit „Bitter“ bekannt, mit dem sie vor ungefähr einem Jahr für Furore sorgte. Das renommierte Magazin „Interview“ schrieb zum Beispiel, daß sie „Begehren in einer Art und Weise artikuliert wie kein anderer Popstar in der jüngeren Vergangenheit.“ Nachzuhören auf ihren beiden Alben „Jill Sobule“ und „Happy Town“, aus dem die Perle „When My Ship Comes In“ entnommen ist.

Auf einem etwas anderen musikalischen Terrain bewegen sich 16 HORSEPOWER aus Denver, Colora do. Mastermind David Eugene Edwards und seine Gefolgsleute fusionieren auf ihren beiden Alben „Sackcloth ’n‘ Ashes“ und „Low Estate“ Cajun-, Country- und Blues-Elemente zu herzzerreißend schönen Elogen der Langsamkeit. Von Ferne grüßen Nick Cave und seine Bad Seeds sowie Jeffrey Lee Pierce. Wer die Band noch nicht kennt, staune – und höre das feine „Sac Of Religion“.

Von Amerika nach England. Zu OCEAN COLOUR SCENE, von denen Noel Gallagher nicht müde wird zu schwärmen. Zu Recht, denn frischer als auf den drei Alben von Sänger Simon Fowler und seinen Kollegen klang Britpop selten. Beweis: „All Up“ vom aktuellen Longplayer „Marchin’A lready“.

„Straight To The Bone“ heißt der Beitrag von BONE FICTION. Hinter diesem Namen verbirgt sich das Duo Zita Lotis-Faure und Liam Sternberg, aus dessen Feder auch der Bangles-Megahit „Walk Like An Egyptian“ stammt. Auf ihrem Album „Carnal Knowledge“ besticht vor allem die faszinierende Stimme von Zita Lotis-Faure, die für so manche Gänsehaut gut ist.

WILLY PORTER hingegen setzt auf hemdsärmeligen Folkrock irgendwo zwischen Bob Dylan, Leo Kottke und Randy Newman. Auf seinem Debüt „Dog Eared Dream“- produziert von Neil Dorfsman (Sting, Dire Straits) – erzählt Porter ein Road Movie aus elf musikalischen Kapiteln. Kleine Flirts („Glow“) kommen darin ebenso vor wie die Alkohol-

Probleme eines Freundes („Flying“). Wovon der Song „Be Here Now“ handelt? Man höre selber.

In Blues- und Country-Gewässern segeln auch THE HENRYS. Sowohl ihr Erstlingswerk „Puerto Angel“ als auch der Nachfolger „Chasing Grace“ beeindrucken dabei durch ihre vielfältigen Gitarrensounds. Don Rooke schleppte dafür sogar seine Kona, eine aus hawaiianischem Holz gefertigte Akustikklampfe, ins Studio. Songs wie „Social Piranhas“ oder eben „Sweet Daddy Siki“ sind denn auch besonders seltene Perlen.

Die DELPHINES sind – möchte man es sich leicht machen – die Nachfolgeband der legendären Go-Go’s. Gitarristin Kathy Valentine gründetet die Band vor knapp vier Jahren, nachdem eine Go-Go’s-Reunion nicht den erhofften Erfolg brachte. Zusammen mit Sängerin Dominique Davalos (ex-Blue Bonnets) und Schlagzeugerin Gina Shock (ebenfalls ex-Go-Go’s) frönt sie nun wieder ungehobeltem Garagen-Rock. Zu den PEARLS steuern die lärmenden Damen den Song „Thrill Of It“ bei.

OP8 (sprich Opiate) sind ein Nebenprojekt von Giant Sand. Zusammen mit Lisa Germano nahm die Band um Howe Gelb Anfag des vergangenen Jahres ein Album auf, das von Kritikern mit Lob geradezu überhäuft wurde. Der Musikexpress merkte zu „Slush“ zum Beispiel an: „Man mag sich treiben lassen im alles bestimmenden magischen Fluß der Klänge von Violinen, meist akustischen Gitarren, Vibraphonen, Pianos, Orgeln, Harfenspielen gar, zarten Besen auf Schlagzeugfellen, Country, Folk und Jazz und Rock. Eine Göttlichkeit.“ Mehr zu sagen, macht kaum Sinn. Bleibt nur, den Song „OP8“ zu hören.

Track 10 stammt von einem der ganz Großen, nämlich NICK CAVE. Es handelt sich um „Crow Jane“ aus des Dunkelmanns bislang erfolgreichstem Album „Murder Ballads“, das auch das legendäre Duett mit Kylie Minogue („Where The Wild Roses Grow“) enthält. Eine Platte, über die Cave sagt: „Ich freue mich jedesmal, wenn meine Songs die Leute irritieren und verwirren.“ Mit „Murder Ballads“ gelang dem Australier 1996 der Durchbruch. Sein Status als Untergrund-Ikone blieb davon – Gott sei Dank – unangetastet.

SISTER 7 aus Texas sind dank endloser Tourneen in den Vereinigten Staaten ein Synonym für schweißtreibende Live-Shows geworden. Selten ist einer ihrer Gigs kürzer als drei Stunden. Zwölf Monate pro Jahr und mindestens 24 Tage pro Monat ist die Band auf Tour, Auftritte im Vorprogramm von Blues Traveller und der Dave Matthews Band nicht mitgezählt. Insgesamt, so hat es Sister 7 ausgerechnet, hat die Band schon vor mehr als einer Million Zuhörern gespielt. Und die können schließlich ja nicht alle irren. Grund genug also, dem Quartett (nein, Sister 7 bestehen nicht aus sieben Schwestern) im allgemeinen und dem auf PEARLS vertretenen Track, „Flesh And Bones“ im besonderen ein Ohr zu leihen.

Ebenfalls aus den USA kommt MEREDITH BROOKS. Gleich mit ihrer ersten Single „Bitch“ und dem dazugehörigen Album „Blurring The Edges“ katapultierte sie sich an die Spitze der Charts. In Songs wie „Shatter“-auf PEARLS nachzuhören-verarbeitet die Sängerin aus Oregon vor allem eigene, ganz persönliche Erfahrungen, wobei sie offen zugibt: „Ich konzentriere mich lieber auf die leichte und humorvolle Seite des Lebens als auf die Schattenseiten der Generation X. Ich will nicht ständig damit konfrontiert werden, wie beschissen alles ist. Das weiß ich schließlich selbst.“ Starke Worte einer starken Frau, die weiß, wohin sie will und die – im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen – auch etwas zu sagen hat: „Wir haben es alle irgendwann mit Drogen versucht. Wir dachten auch, Geld wäre die Lösung. Und schließlich mußten wir feststellen, daß nichts von dem wirklich weiterhilft. Nur unsere spirituelle und intellektuelle Entwicklung kann unser wahres Ziel sein.“ So. Genug geredet. Let the music do the talking.

Das erste Mal tauchte Charlie TERRELL. in der Zeitung auf, als er noch ein kleiner Junge war. „Ich radelte durch die Dämmerung. Plötzlich“, so erinnert er sich, „biß mich eine Fledermaus in den Nacken. Am nächsten Tag stand in der Zeitung: ‚Junge von Vampir-Fledermaus angefallen!'“ Folgeschäden hat er keine davongetragen, außer vielleicht, daß seine Songs ebenfalls reichlich Biß haben. Wie zum Beispiel der „Black and White Blues“aus seinem Album „Beautiful Side Of Madness“.

Zu den interessantesten Acts auf PEARLS zählt mit Sicherheit C. LOVE & SPECIAL SAUCE. Der inzwischen 26jährige G. Love aus Philadelphia machte erstmals im Mai 94 von sich reden, als er sein Debütalbum auf dem kultigen US-Label Okeh veröffentlichte. Mit einer bis dahin ungehörten Mischung aus authentischem Blues und zum Teil verfremdeten Hip-Hop-Elementen überzeugte G. Love nicht nur die Kritiker. In der Folge spielte er mit seiner Band Special Sauce unter anderem auf den großen europäischen Festivals Glastonbury und Roskilde sowie auf der Hauptbühne bei den amerikanischen H.O.R.D.E.-Open Airs. Inzwischen hat G. Love bereits sein drittes Album („Yeah, It’s That Easy“) eingespielt, aus dem der Song „Tomorrow Night“ stammt.

Holt G. Love den Blues in die Gegenwart holt, so transferiert PATTY LARKIN das Country & Western-Genre in die Jetztzeit. Auf ihrem 5. Album („Angels Running“) überzeugt die charismatische Sängerin vor allem mit ihrem virtuosen Gitarrenspiel und ihren hintergründig witzigen Texten.

Wer „Scream 2“ im Kino gesehen hat, kennt auch den Song „Your Lucky Day In Hell“, den die EELS an die PEARLS-Kette anhängen. Alle, die das grandiose Debütalbum („Beautiful Freak“)von E.,Tommy und Butch besitzen, kennen und lieben es sowieso. Die Eels tauchten vor knapp zwei Jahren quasi aus dem Nichts auf und ergatterten mit ihrer kruden.aber unterhaltsamen Mischung aus Samples, Spoken-Word-Sequenzen und lupenreinem Pop über Nacht einen Vertrag mit dem amerikanischen Entertainment-Multi DreamWorks. Derzeit arbeiten die Aale an ihrem zweiten Album. Bis dahin hören wir „Your Lucky Day in Hell“.

Die GUANO APES sind die einzige deutsche Band, die auf PEARLS auftaucht. Sie zählen zu den absoluten Durchstartern in der nationalen Musikszene. Mit der Single „Open Your Eyes“ und der Skateboard-Hymne „Lords Of The Boards“ sowie dem Album „Proud Like A God“ nahmen Stefan Ude, Dennis Poschwatta, Henning Rümenapp und Frontfrau Sandra Nasic die Crossover-Fans – und nicht nur die – im Sturm. Auf PEARLS sind die Göttinger mit dem Song „Scapegoat“ vertreten.

Völlig andere musikalische Pfade betreten LONG FIN KILLIE aus Schottland. Auf ihren drei Alben „Houdini“, „Valentino“ und „Amelia“ setzt das Quartett Songs wie „Chrysler“ mit einem ungewöhnlichen Instrumentarium in Szene. Statt Gitarren ertönt hier schon einmal eine Mandoline, eine Geige oder eine Bouzouki. Saxophon und Flöte zählen ebenso zum Equipment von Colin Greig, Phil Cameron, Luke Sutherland und Dave Turner.

Den Schlußpunkt auf PEARLS setzten RADIOHEAD mit ihrem Song „High And Dry“ aus dem Album „The Bends“. R.E.M.-Chef Michael Stipe überlassen wir es, ein Urteil über Thom Yorke und seine Kollegen zu fällen: „Radiohead sind so gut, daß sie mir Angst einjagen.“ Eine Einschätzung, die man vielleicht auch auf PEARLS ausdehnen kann.