5 Dinge, die wir beim Wien-Konzert von Bilderbuch gelernt haben


Weltpremiere: Bilderbuch haben gestern in Wien fünf ihrer neuen Songs erstmals live präsentiert. Wir waren dabei und haben wichtige Erkenntnisse mitgebracht.

„Gibt es einen besseren Ort für eine Weltpremiere als das Wiener Volkstheater?“, fragt Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst ins Auditorium. Wahrscheinlich nicht. Deswegen hat sich seine Band das ehrwürdige Haus neben dem MuseumsQuartier ausgesucht, um dort einige Songs ihres kommenden Albums MAGIC LIFE uraufzuführen. Ernst feiert an diesem Abend Geburtstag, das Album kommt erst am 17. Februar 2017 auf die Welt – fast auf den Tag genau zwei Jahre nachdem SCHICK SCHOCK Glitzer ins mausgraue Antlitz deutschsprachiger Rockmusik blies.

Die Erwartungen an die Platte sind hoch. Aber Bilderbuch lieben ja den Stress. Außerdem wissen sie wohl, was sie da schon wieder für ein Monsteralbum in der Hinterhand haben. Fünf Songs daraus gibt es an diesem Abend zu hören. Wir waren dabei und haben die 5 wichtigsten Erkenntnisse des Abends festgehalten.

1. Autotune – einmal geht’s noch!

Es lebe das Effektgerät! Das Pedalboard von Gitarrist Michael Krammer hat mittlerweile die Fläche einer kleinen Einzimmerwohnung. Wenn er eine Saite auf der Gitarre anschlägt, klingt es, als würde ein Blasorchester Fanfaren durch den Saal jagen. Peter Horazdovsky erzeugt Bass und Beats immer öfter am Synthesizer. Und Maurice Ernst hat auch 2017 nicht vor, seine Amour fou mit Autotune zu beenden. Nach dem Cloud-Rap-Wahnsinn der vergangenen Jahre (und fast zwei Jahrzehnte nach Chers „Believe“) hat man sich daran ein wenig satt gehört. Aber bei Bilderbuch fügt sich der Effekt perfekt ins eindrucksvoll orchestrierte Klangbild. Na gut, dann geben wir Autotune halt auch 2017 noch eine Chance.

2. Der Oasch ist in Wien daheim

Ernst kennt keinen Spaß. „Heute sind Touristen da, also schreit’s mir ja!“, fordert er sein Publikum auf. Vor den aus Deutschland angereisten Journalisten sollen ihm die Wiener keine Schande machen. Aber die hält nach dem ersten Song („I <3 Stress“) eh nichts mehr auf ihren Plätzen. Besonders verzückt reagieren sie, wenn sich der Sänger umdreht und ihnen den Allerwertesten entgegenstreckt. Ums Hinterteil geht es oft an diesem Abend. „Man kriegt nicht immer zu Weihnachten, was man sich wünscht. Zum Beispiel einen geilen Arsch“, bemerkt Ernst an einer Stelle treffend. Später schaut er hinunter auf die tanzende Menge und triumphiert: „Der Oasch ist in Wien daheim!“

3. Die Freshness kommt von ganz früher

Der Guns-N’-Roses-Fan weiß: Kostümwechsel gehören zu jeder Rockshow wie das minutenlange Gitarrensolo. Nach einer Pause zur Halbzeit kehren Bilderbuch in neuer Panier auf die Bühne zurück. Ernst trägt einen blaugestreiften Pullover mit eingestickter Rose an der Taille. Das Kleidungsstück hat er aus dem Schrank der Oma mitgehen lassen, erklärt er. Die ist heute auch da, scheint dem Lauser aber gar nicht böse zu sein. Vom Balkon nickt sie wohlwollend auf den Enkel herab. Der schiebt gleich noch ein zweites Geständnis hinterher: Das Hemd aus dem ersten „Akt“ habe er vom Opa geklaut. „Nur damit klar ist, wo die Freshness herkommt. Von ganz früher nämlich!“

4. Nicht alles von früher ist fresh

Bilderbuch sind Spätzünder. Vor „Maschin“ lagen lange Jahre, in denen die Band erst sich und ihr Publikum finden musste. Zwei Alben – NELKEN UND SCHILLINGE und DIE PEST IM PIEMONT – sind zu dieser Zeit entstanden. Beachtliche Frühwerke, an denen aber heute der Indie-Mief von 2005 haftet. Entsprechend unsexy wirken Songs wie „Calypso“ oder „Joghurt auf der Bluse“ neben Glam-Großtaten wie „Rosen zum Plafond (Besser wenn du gehst)“ oder „OM“. Im Volkstheater verzichten Bilderbuch größtenteils auf ihre frühen Lieder, lassen es sich dann aber doch nicht nehmen, die Haudrauf-Nummer „Kopf ab“ als erste Zugabe zu spielen. Da wirft es selbst den größten Tanzbären für drei Minuten zurück in seinen Samtsessel. Es wird Zeit, die alten Songs einzumotten.

5. Den größten Hit heben sich Bilderbuch noch auf

Bis jetzt wurden drei Songs von MAGIC LIFE veröffentlicht: soulig („Sweetlove“), quierlig („I <3 Stress“) und schlüpfrig („Erzähl deinen Mädels ich bin wieder in der Stadt“) klingen sie. Ein wirklicher Hit ist aber nicht dabei. Den haben sich Bilderbuch noch aufgehoben: „Bungalow“ ist das „Get Lucky“ des kommenden Jahres. Es beginnt mit einem Riff, das live an „Eye Of The Tiger“ erinnert, und selbst Statuen in willenlose Dancer verwandelt. Vergnügt groovt die Orgel, Krammer spielt seine funky Licks, und Ernst murmelt lässig wie Udo Lindenberg: „Du rufst mich an und sagst, du kommst zu spät, und dabei bis du schon längst viel zu spät“. Bilderbuch spielen „Bungalow“ an diesem Abend zwei Mal. Demnächst wird man diesen Song stündlich im Radio hören.