Auferstanden aus Ruinen


... und geich weiter zur Weltherrschaft? Der Weg von „Rocky Raccoon -Covers in der Grundschule über eine verpuffte Erstkarriere, die Abstempelung als Total-Loser bis zum Aufstieg als gerechtester Hype der neuen Britenwelle war weit für die Kaiser Chiefs. Aber wir wissen ja: „From great ruins come greater stories." Prosit!'

zum ersten Mal ein größeres Publikum: Im Musikunterricht ihrer Grundschulklasse bringen Nick Hodgson (n), Drums, und Simon Rix (11), Gitarre, Paul McCartneys Western-Moritat „Rocky Raccoon“ vom weißen Beatles-Album zu Gehör. Nick, Sprößlingeines popfreundlichen Haushalts – Beatles, Madness und Dexy’s Midnight Runners sog er mit der Muttermilch auf, erste selbstgekaufte Platte: introducing The Hardline According To Terence Tren D’Arby -, hat sich bereits zuvor als musikalisch verhaltensauffälliger Knabe erwiesen. Anders als andere Kinder war er als Achtjähriger nicht entsetzt, sondern begeistert, als ihn seine Mutter zum Klavierunterricht anmeldete. „Ich war ganz aus dem Häuschen: JA! Mum läßt mich Klavierstunden nehmen.'“

Bald war Nick ein kleiner Multiinstrumentalist. Dem Klavier folgten Flöte, dann Gitarre, schließlich das Schlagzeug. „Ich war niesehr musikalisch, ich bin’s immer noch nicht“, behauptet dagegen ohne Koketterie Ricky Wilson. Wie Nick Hodgson nennt auch der Sänger der Kaiser Chiefs (erste selbstgekaufte Platte: „was von Culture Club. Man kann ja von einem Zehnjährigen kaum erwarten, daß er auf die Pixies steht“) die Beatles und – auf Platz zwei – David Bowie als seine größten Heroen; sein Elternhaus schunkelte meist zum Klang von Countrymusik und Abba. Der musikalisch Talentierte in der Familie sei sein Bruder gewesen, sagt Wilson. „Er sang im Chor. Also mußte ich auch in den Chor, weil das mit der Fahrereißir meine Eltern praktischer war. Ich hab später noch Violine probiert… Aber ich bin nicht so gut mit den Händen.“

Aktiv ins MuSlkgeSChehen griffRicky Wilson erst als Teenager wieder ein. „In einer Band zu sein istgut, um attraktiver auf Mädchen zu wirken, wenn man ansonsten nichtsehr attraktiv auf Mädchen wirkt. Drum hab ich angefangen, in Schülerbands zu singen. “ Er sagt das ganz ohne anzügliche Süffisanz. Der Mann, der sich auf der Bühne in ein rotköpfig glühendes Entertainer-Viech zu verwandeln vermag, spricht mit sanfter Stimme, ein bubenhaftes Lächeln huscht manchmal übers rosigpausbäckige Gesicht. Krachertes Gepolter scheint nicht das Naturell des 27-jährigen ex-Kunststudenten zu sein – in jedem Fall ist ihm im Moment nicht danach zumute. Dies ist eine seltsame Situation und die Kaiser Chiefs müssen sich erst selbst noch einen Reim daraufmachen. Nein, die Rede ist ausnahmsweise nicht vom düsentriebigen Aufstieg der fünf Jugendfreunde zu einer der heißestgehandelten Bands des Jahres.

Es ist Donnerstagmittag, 7. Juli, und die Fotosession für den ME in einem der mondänen, stuckverzierten Säle des Mövenpick Hotels am Anhalter Bahnhof in Berlin vorhin war knappe sieben Bilder alt, als der surferfrisierte Tourmanager der Kaiser Chiefs hereinplatzte und eine Textmeldung von seinem Blackberrygerät ablas: In der U-Bahn in London habe es mehrere Explosionen gegeben; noch sei nichts genaues bekannt, aber es werde von Terroranschlägen ausgegangen. Telefone wurden gezückt, Bekannte und Angehörige kontaktiert – Wilson erreichte seinen Vater, der in London weilt (und okay ist). Leicht gedämpfter Stimmung setzte die Band – die sich auch vorher schon nicht als der gackernde Haufen Lads präsentierte, den man vielleicht vom Eindruck ihres energieschäumenden Debüts employment her erwartet hat-die Fotoarbeit fort, immer wieder unterbrochen von piependen Handys.

Zum Interview hat Wilson jetzt aufsein Zimmer gebeten und sucht am Fernseher nach Nachrichten in englischer Sprache. Nick Hodgson kommt dazu und er ist es, der nach ein paar Minuten beklommen-ratlosen Starrens auf zerfetzte Doppeldeckerbusse und brabbelnde Korrespondenten mild, aber bestimmt zur Tagesordnung ruft. Wilson stellt den Ton des Fernsehers ab. „Nein, mach lieberganz aus“, bittet Hodgson. Nick Hodgson ist Drummer, Hauptsongschreiber und so etwas wie Kopf und Sprecher der Kaiser Chiefs. Er lächelt einnehmend, wirkt aber auch immer etwas auf der Hut und hat kein Problem damit, sich als ausgebufft zu präsentieren. „Wir wissen, wie man mit Interviewern redet“, sagt er einmal, als es um die Vorteile geht, keine Frischlinge mehr im Geschäft zu sein. Er ist es, der die Band-Historie parat hat und Wilson korrigiert, wenn der sich bei einer Zeitangabe um ein paar Jahre vertut.

Eine Zahl ist wohl jedem in der Band geläufig: 900.000, die Stückzahl, die die Kaiser Chiefs von em ployment bislang, Stand Anfang Juli ’05, weltweit verkauft haben, davon 100.000 in den für britische Bands notorisch schwer zu knackenden USA. Das in knapp fünf Monaten seit März, wobei das Album etwa in Deutschland bislang nur als Import zu haben war, erst im August offiziell veröffentlicht wird. Während die Kaiser Chiefs heute abend in Berlin den ersten einer Reihe von Gigs im Vorprogramm – geladen von den Titanen persönlich – der Stadiontour von U2 spielen. Da steckt also noch einiges an Potential drin für eine Band, deren Mitglieder vor nicht einmal drei Jahren – da hatten sie ihre erste „Karriere“ schon hinter sich – kurz davor waren, sich nach „richtigen Jobs“ umzusehen und deren optimistischere Blütenträume noch recht bescheiden ausfielen: „Vor zwei Jahren dachte ich, 20.000 Platten zu verkaufen, das wäre der absolute Oberhammer“, sagt Wilson. Im Grunde sei heute alles darüber hinaus ein Bonus, meint Hodgson, dessen selbstbewußten Statements man gleichzeitig anhört, wie ausgesprochen gerechtfertigt er den Welterfolg seiner Band findet. Es ist der Sound eines Mannes, der in jahrelangem Ringen um Anerkennung Demut gelernt aber noch viel mehr seinen Anspruch genährt hat, j etzt endlich gehört zu werden. Und der sich redlich freut, daß es jetzt passiert.

Es gibt einen Grund (abgesehen von geschmacklichen Dingen, one man ’s ceilling is another man’s floor; obwohl… nun gut), aus dem man die Kaiser Chiefs, die – bitte diskutieren – mögbarste und erfrischendste unter den vielen mögbaren und erfrischenden neuen Britenbands und ihre grandios ohrwurmige Neo-Britpop-Hitwuchtel Employment ablehnen kann. Es ist ein recht doofer Grund, und die anhedonistischen Indie-Puritaner, die darauf herumreiten, sollen ihn sich einglasen, an die Wand hängen und dann weiter den goldenen Zeiten von Chokebore nachweinen. Er geht ungefähr so: die Kaiser Chiefs seien nicht „for real“, weil sie früher anders hießen und klangen und jetzt auf einmal kämen sie – neuerfunden-runderneuert – daher, ließen sich hypen und würden tolle Poperfolge feiern. So geht das natürlich nicht. Oder auch doch.

Seit die beiden sich nach dem Schulabschluß kennengelernt hatten, sang Ricky Wilson in Bands, in denen Nick Hodgson Drums und dessen alter Freund Andrew „Whitey“ White Gitarre spielte; Bassisten und Keyboarder kamen und gingen, bis zu ihrer Formation Runston Parva Ende der 90er zwei alte Freunde stießen: Nick „Peanut“ Baines an Keyboards/Gitarre und Hodgsons alter Sangespartner Simon Rix am Bass. Plötzlich stimmte die Chemie und nach einer Verkürzung des Bandnamens auf Parva sollte es nun gefälligst rote Rosen regnen. Bald war ein Deal mit dem Indie Mantra – home of Six By Seven und den Delgados – eingetütet, erste Singles am Start, das bevorstehende Debütalbum 22 im Mantra-Online-Waschzettel vollmundigst („it’spuredynarnite!“) angekündigt… und dann war auch schon wieder Schluß.

Ricky Wilson und Nick Hodgson tauen nicht eben auf bei der Erwähnung der glücklosen frühen Inkarnation ihrer Band. „Parva sindfiir uns heute ungefähr so relevant wie Joe AndThe Joes“, brummt Wilson, „dos war meine Schulband. Die Leute scheinen wie besessen von der Tatsache, daß wir früher schon mal eine Band hatten. Aber JEDER der in einer Band spielt, hatte früher auch schon mal eine andere.“ Die wenigsten solchen früheren Bands waren aber bei crediblen Indielabels unter Vertrag und wurden als große Hoffnungen gehandelt. Was ist passiert?

Nick Hudgson: Mantra gehörte Beggar’s Banquet und die drehten den Geldhahn ab. Mantra mußte zumachen und wir wurden gedroppt.

Die Website von Mantra ist eigenartigerweise immer noch online. Im Netz kann man eure Singles per Stream anhören, die Covers stehen daneben. Wirkte und klingt alles etwas amerikanisch.

hodgson: Das war’s nicht wirklich.

Die Artworks mit den Polizeiautos und den Basketballspielern ?

Hudgson: Das ja. Aber musikalisch waren wir von allem möglichen beeinflußt, was wir über die Jahre gut fanden. Da klang dann ein Song wie Radiohead, ein anderer wie die Strokes. Der nächste nach Primal Scream. Alles ziemlich verwirrend und unentschlossen. ricky WILSON: Das ist das Schöne, deswegen klingen die Kaiser Chiefs wie die Kaiser Chiefs: Keiner unserer Songs ist älter als zwei Jahre, deswegen haben wir diesen frischen Sound. Viele Debütalben sind das Ergebnis von einem halben Leben Songschreiberei im Schlafzimmer. Und da können ganz schön verworrene Sachen rauskommen.

Euer verworrenes erstes Album wurde also nie veröffentlicht. Aber wer hat denn die Rechte? Alex Kapranos war zum Beispiel ziemlich sauer, „Simon drehte sich zu mir um und sagte: ,Gut gemacht. Du hast einen Welthit geschrieben „

Nick Hodgson als seine alte Plattenfirma nach dem Franz-Ferdinand-Erfolg das Album seiner alten Band The Karelia neu auflegte.

Hudgson: Nein. Man kriegt Bootlegs bei Ebay, aber niemand kann es veröffentlichen. Ich wüßte auch nicht, wer das wollen sollte. Wilson: Das wäre sinnfrei. Wie wenn man Joe And The Joes‘ Version von „Sympathv ForThe Devil“ rausbringen würde.

Nach dem Verlust ihres Plattenvertrages im i schien Parva plötzlich ein leuchtendes Stigma „Vorsicht! Mißerfolg! ‚ auf die Stirn tätowiert. „Sechs Monate lang versuchten wir, einen neuen Dealzu kriegen „, sagt Hodgson, „bis wir uns eingestehen mußten, daßes unmöglich war. Alles rundherum ignorierte uns. Es war eine beschissene Zeit.“ Der Sommer 2005 wäre um ein paar seiner grandiosesten Refrains und brillantesten Liveshows ärmer, hätten sich Hodgson und Co. im Frühjahr 2003 nicht dazu entschlossen, ihr Problem auf selten radikale Weise anzupacken: mit einem kompletten Neustart auf ganzer Linie.

„Wir sagten: Okay, wir schicken Parva über den Jordan, schmeißen alle unsere Songs weg und fangen eine völlig neue Band an.“ Weg mit Schaden. Eine befreiende Erfahrung, die aber doch ein wenig Überwindung erforderte. „Ich hatte ein wenig Schiß zuerst“ , gibt Ricky Wilson zu. „Einfach alles wegzuwerfen, in das man so viel Arbeit gesteckt hatte…“

Die ersten Songs, die Hodgson für die neue Band schrieb, spiegelten denn aber gleich die Aufbruchsstimmung wider, die der Befreiungsschlag auslöste: „Oh My God“, „Saturday Night“ und „Modern Way“ strotzten vor Selbstbewußtsein und setzten bewußt auf eine sehr britische Sichtweise und Soundästhetik. Was den Kaiser Chiefs – der Vorschlag eines Freundes, sich den schweinscoolen Namen eines südafrikanischen Fußballclubs auszuleihen, wurde einstimmig angenommen – bei ihrer Neuorientierung heute mitunter als „Fähnlein nach dem Wind drehen“ ausgelegt wird, trifft nur insofern zu, als sie ihr nagelneues Fähnlein nicht in eine schal gewordene Brise hängen wollten:

„Dieses ganze Garagenrock-Ding war so langweilig geworden.Jeder trug die gleichen Klamotten und spielte das selbe Zeug“, sagt Nick Hodgson, „Wir beschlossen, daß wir das genaue Gegenteil davon machen wollten.“

Daß sie mit dieser Entscheidung, sich bewußt gegen den herrschenden Trend einer amerikanisch dominierten Rockwelle zu stellen, in guter Tradition von Blur stehen employment, produziert im übrigen von Blur-Intimus Stephen Street, hat in Stimmung und Sound in der Tat mehr mit PARKLIFE gemein als mit den vielzirierten Postpunk-Soundpaten der Kaisers-Kollegen Bloc Party, Futureheads etc. -, die sich Anfang der 90er erklärtermaßen gegen US-Alternative Rock und Grunge wandten und mit einer Betonung des Britischen in Texten, Musik und Style den Britpop maßgeblich prägten, ist Konzeptor Hodgson klar. „W7r waren uns dieser Parallele bewußt. Und mir ist klar, daß neue Bewegungen in der Musik immer anfangen als Reaktion auf etwas, das langweiliggeworden ist. Unser Ziel war 2003, das Gegenteil von allem zu machen, was populär war. Ein gutes Ziel, finde ich.“ Antizyklisch rocken, der mittelfristige Weg zum Erfolg? Ganz so kühl kalkuliert will es Ricky Wilson nicht stehen lassen. „Es war ja nicht so, daß wir diese Entscheidungfällten und einen Plan ausarbeiteten, dem wir dann Punktfiir Punkt bis zum Erfolg folgten. It was just more naturalfor us to do.“

Der Erfolg ließ sich trotz eines vielversprechenden Starts zunächst nicht blicken. Ein erstes Demo stieß im Sommer 2003 auf positive Resonanz, genau wie die Auftritte der nagelneuen Band (der zweite davon bereits im Vorprogramm der damals selbst noch fast unbekannten Franz Ferdinand in Leeds; die Kaiser Chiefs betonen heute, wie viel sie den Franzen verdanken; sie sind beim selben Management wie die Schotten und verlassen sich bei ihrem heutigen Label B-Unique auf ähnlich überschaubare, persönliche Indie-Strukturen wie Franz mit ihrer Homebase Domino). Aber das Parva-Loser-Stigma, das den Kaisers anhaftete, war stärker. Niemand traute sich die Band anzufassen. „Einige Labels zeigten sich anfangs recht interessiert“, erinnert sich Nick Hodgson mit einem trockenem Lächeln, „und ignorierten uns dann. Plötzlich hörte man so Sachen wie ,Sie sind zu alt. Und sie waren früher Parva‘. Was sollte man da noch sagen.“ Es hakte auch noch aus anderen, ebenso profanen Gründen. Ricky Wilson: „Ich habe mehrmals von Labelleuten gehört, daßsie nicht nur deshalb nichts mit uns anfangen mochten, weil wir früher Parva waren, sondern weil sie bei uns keine Referenzpunkte feststellen konnten zu Zeug, das momentan erfolgreich war. Viele Plattenfirmenleute argumentieren eben so: ,Ah, ]et sind groß. Wir wollen die neuen Jet. Die hier klingen nicht danach, warum sollte ich sie signen?’Ziemlich bescheuert.“

Bevor Sich die labellosen, doch ehrgeizigen Ex-Parvas/Möchtegern-Rockstars – die in der Zwischenzeit begonnen hatten, mit „Pigs“ eine schnell recht erfolgreiche Clubnacht zu veranstalten – von den schadenfrohen Szenefiguren in Leeds noch mehr Harne und Spott anhörten, nahmen sie die Dinge jetzt selbst in die Hand. „Wir dachten uns, wenn die uns ignorieren, dann ignorieren wir sie“, sagt Hodgson. „Wir kümmern uns selber um Radio, Presse, Fans, wir organisieren uns selber Tourneen.“ Die beim Mini-IndieDrowned In Sound veröffentlichte erste Single „Oh My God“ stieg im April 2004 prompt auf Platz 66 der UK-Charts und erregte die Aufmerksamkeit von Musikpresse und Radiosendern, eine anschließende Tour im Vorprogramm der Ordinary Boys bracht die Kaiser Chiefs in Kontakt mit deren Label B-Unique: Im Frühsommer unterschrieben sie bei dem englischen Indie, der Bands wie eben Alkaline Trio, Aqualung und Hot Hot Heat im Roster führt.

Es ging jetzt streng bergan. Die zweite Single „I Predict A Riot“ging im November Top 20, der Spätherbst brachte einen Hauptgewinn für die Aufstrebenden: Sie wurden für das Line- Up der 2005er-Auflage der traditionsreichen NME-Tour erkoren, noch dazu für den prestigeträchtigen Posten des Openers, den in den letzten Jahren Bands wie Coldplay, Starsailor, The Coral und Franz Ferdinand innehatten – jeweils kurz vor ihrem Durchbruch. Die Tour im Februar zusammen mit den anderen „Class Of’O5“-Bands Bloc Party, The Futureheads und The Killers war ein Triumph und markierte denn auch so etwas wie die Geburtsstunde der Kaiser Chiefs im Auge einer breiteren Öffentlichkeit. „Und wir haben einpaargute Freunde gefunden“, freut sich Ricky Wilson, „Leute wieThe Futureheads, Bloc Party, mittlerweile auch Kasabian, Keane, The Bravery. Wir erleben ja gerade alle ähnliches. Das ist nett. Es ist schön, Leute zu kennen, die ähnliche Erfahrungen durchleben wie man selbst.“

Hodgson sieht die Zeit mit Parva heute als „trainingground“, auf dem die Kaiser Chiefs Erfahrungen sammelten. „Wirspielen heute unsere Instrumente recht gut. Und wir wissen, wie man mit Interviewern redet und sich im Fernsehen verhält.Weil wir das schon ein paar jähre gemacht haben – und keiner hat uns dabei zugesehen.“ Sie haben ihre Anfängerfehler gemacht, als sie noch unsichtbar waren – ganz wie Franz Ferdinand, die auch erst im, äh, „reifen“ Alter von Ende 20/Anfang 30 zum großen Wurf ansetzten. Es hat auch seine Vorteile, nicht mehr 21 zu sein. Hodgson winkt ab: „Ich würd’s hassen, jetzt 21 zu sein. Wir würden nurdasganze Geld raushauen.“

Vorhin beim Geplauder mitdem Fotografen Erik bemerkte Ricky Wilson mit schüchternem Stolz, er habe nächste Woche ein Fotoshooting für den NME zusammen mit Dave Grohl. Das Magazin habe Grohl eigentlich mit Brandon Flowers von den Killers ablichten wollen, den habe der als „nicest man in rock“ bekannte Foo Fighter aber abgelehnt und sich ausdrücklich Wilson als Posier-Partner gewünscht. Haben wir da schon den Beweis, daß eine gewisse Reife einen weiterbringt als die tendenziell arrogante Großspurigkeit, mit der sich Jungspund Flowers in letzter Zeit ja nicht nur Freunde gemacht hat? „Ach „, wehrt Wilson ab, „ich finde, er macht sich ganz gut. Er hat ja viel Wirbel um die Ohren im Moment. „Keine Kollegenschelte, okay.

Regen sich denn sonst irgendwelche niederen Gefühle in den Busen der Kaiser Chiefs? Etwa die Genugtuung, es ihren Zweiflern letztlich gezeigt zu haben? Man glaubte das aus dem Gespräch ja zwischendurch herauszuhören. „Eine Zeitlang war dieses Gefühl sehr stark, ja“, bestätigt Hodgson. „Als es losging, was zu werden mit uns“, sagt Wilson, „dachte man sich oft mal, ,Woah, ich hoffe, das kriegt dieser und jener jetzt mit, da beißt er sich in den Arsch! Haha!‘ „Aber irgendwann sind dir diese Leute, die du damit ärgern willst,gar nicht mehr wichtig.Undjetzt schaust du sie an und denkst: Was sollte das eigentlich? Du hast ja nicht mal so einen wichtigen Job, wie ich immer dachte. Du hast ja nur so getan!“

Es ist das Thema Von „Oh My God , dem trotzigen Markenzeichen-Song der Kaiser Chiefs, der sich als self-fulfilling prophecy erwie-

sen hat. „Greatruinsmakeforgreaterglories (…) itdon’tmattertome, cos all l wantedto bewas a million milesfrom here… „Aber so weit und breit die Kaiser Chiefs seit einem knappen Jahr auch in der Weltgeschichte unterwegs sind und in den nächsten Monaten noch sein werden: einen Fehler, den sie bislang nicht die Chance hatten, zu machen, wollen sie auch in Zukunft unter allen Umständen vermeiden. Hodgson: „Manche Bands kommen sechs Monate lang nicht nach Hause. Wenn das für die okay ist, na gut. Aber wir stellen sicher, daß wir durchschnittlich mindestens alle drei Wochen heimkommen nach Leeds. Mal für zwei Tage, mal auch nur einen Tag.. Weil das sein muß.“ Ricky Wilson pflichtet eifrig bei: „Undwenn ’s auch mal nur für zwölf Stunden ist, selbst, wenn man dann überhaupt nichts gemacht kriegt und einfach nureinen Nachmittag lang rumsitzt: es ist wichtig für den Kopf, nach Hause zu kommen.“ „Es ist wie eine kleine Insel, auf die man hinarbeitet“, sagt Hodgson. „Ein Ziel. Wenn ich nicht wüßte, wann ich das nächste mal nach Hause komme… wäreich nicht sehr glücklich. Aber so…“

Und dann sind da ja noch persönliche Höhepunkte der speziellen Art, wie beim tumultösen Auftritt der Kaiser Chiefs Anfang Mai im Münchener Atomic Cafe. Da tobte eine enthusiasmierte Menge hart am Begeisterungs-Delirium entlang, nur um sich beim unwiderstehlichen Mitmuß-Refrain von „I Predict A Riot“ noch einmal selbst zu übertreffen und sich vollständig wegzuschmeißen. Es war eine Szene, wie man sie selbst mit der durchaus erregbaren Atomic-Crowd selten erlebt hat und eine eindrucksvolle Demonstration der Superkräfte dieser Band. Am Ende des Songs machte Simon Rix seinem Freund Nick Hodgson, 16 Jahre nach ihrem ersten gemeinsamen Auftritt, ein Kompliment, das mehr eine baffe Feststellung war. „Simon drehte sich zu mir um und sagte:,Gut gemacht. Du hast einenWelthit geschrieben.'“ Und so sei es.

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