Aydo Abay über Keith Jarrett


Es ist unglaublich schwer die eine Platte zu benennen, die einem wichtiger ist als alle anderen. In einem halben Leben gibt es davon ja mindestens 100 Stück. Alle wichtig.

Einige haben eine Geschichte, andere sind einfach gut und wiederum andere begleiten einen immer wieder durch gute und schlechte Zeiten. „The Cologne Concert“ von Keith Jarrett vereint bei mir alle drei Komponenten.

Kennengelernt habe ich die Platte auf meiner ersten richtigen Teenie-Party im zarten Alter von 15 Jahren. Alles war neu. Der Drogen, die Mädchen und auch die Musik. Es gab einen Raum, wo sich einige von uns abgesetzt hatten, um zu entspannen. Und genau in diesem Raum lief diese Platte. Es gibt einen Moment auf der zweiten Seite, der mich noch heute so packt, dass ich für einen Moment inne halten muss und direkt von der Musik eingesogen werde. Es ist fast so, als ob dich die Töne packen und minutenlang auf dich einreden. Zunächst versteht man nicht was gemeint ist, aber nach und nach öffnen sie sich und ziehen einen mit in eine einzigartige Klangwelt. Man schwebt und gleitet durch eine Spirale voller Töne und fühlt sich federleicht. Gut und böse sind aufgehoben, harmonieren für eine kurze Zeit freundschaftlich miteinander. Moll und Dur begrüßen sich wie zwei alte Freunde und nehmen sich in den Arm. Bis sie erkennen, dass sie nicht zusammen passen und entfernen sich wieder voneinander.

Dur übernimmt und verwirrt für eine kurze Zeit mit einer seltsamen Kaffee-Werbung-Melodie. Richard Claydermann hat aus diesen 5 Minuten mindestens 20 Lieder rausgezogen. Dafür gehören beide geschlagen. Der eine mehr, der andere weniger.Das ist aber auch der einzige Ausfall auf der ganzen Platte, besonders erwähnenswert ist auf jeden Fall noch das Aufstöhnen, welches der gute Mann während seines Spiels von sich lässt. Man bekommt praktisch auch Jahre nach der Aufzeichnung mit, wie vertieft er in seine Arbeit ist. Ein gutes Beispiel, wie viel Emotion ein Künstler in seine Darbietung legen kann. Schlichtweg ergreifend. Guter Tipp an mich und meine Kollegen. Es darf wieder mit Gefühl dargeboten werden. Dann bedarf es auch keiner La-Ola-Welle um Leute in seinen Bann zu ziehen. Ich habe viel von dieser Platte gelernt. Ich ertappe mich zwar oft, dass ich vieles von dem Gelernten nicht umsetze, weiß aber sicher, dass ich nur die Platte hören muss und schon bin ich wieder auf dem richtigen Weg. Danke Keith.

Aydo Abay war Sänger von Blackmail und KEN. Als Frontmann der Band crash:conspiracy veröffentlichte er zuletzt das Album „<>“