BITTE GEBT MIR NUR EIN LIED!


Die Avantgarde der tiefenverblödeten globalen Konsummeute hat gerade ihren kollektiven Saftarsch nach Berlin verfrachtet, um dort in die allerneuesten Smartphones zu starren und sich für „besonders hoch auflösende Fernseher“ zu interessieren. Hm. Was meinen Sie, ist so ein Einstieg zu negativ für eine flockige Kolumne in einem Popkulturmagazin? Oder sagen Sie eh, ach egal, der ist ja bloß neidisch, weil sein Phone so dumm ist wie Dosenbrot? Auf jeden Fall hätte mir etwas unterhaltungselektronischer Gadgetzauber gut getan in den letzten zwei Wochen, auf vieletappiger Familienautofahrt durchs Land – mit nichts als einem äußerst herkömmlichen UKW-Radio im Fahrzeug. Kein CD-Player, keine Schnittstellen für Pods und Sticks. Nix „personal stereo“, sondern eintauchen in die marktdemokratisierte Welt des Kommerzradios, in „die beste Musik aller Zeiten und aus den 80ern“ von München bis Bensersiel.

Arg, wie beim ständigen Zappen in einem Meer aus hysterischbetäubendem High-Octane-Pop und pathetisch-betäubendem Großgesten-Balladenschlock, den zwei den hiesigen Äther dominierenden populärmusikalischen Hauptströmungen unserer Zeit, die eigenen, selbstredend hochdelikaten Ansprüche sinken. Wie man sich freut, mal die letzten 27 Sekunden von „Skyfall“ zu erhaschen! Wie man erregt lauter dreht bei den Traveling Wilburys! Und hier: Ein paar Takte von „Blurred Lines“! Faszinierend, wie selten der angeblich ja omnipräsente Sommerhit „Get Lucky“ im Radio läuft, wenn man drauf wartet. Und wenn, sind wir gerade auf z.B. Antenne Niedersachsen, einem dieser Sender, die – wie ja wir alle – keine Zeit mehr haben und wo Songs, Verzeihung: Hits! nur noch angespielt werden, bis der Kick ausgereizt ist; zweieinhalb Minuten, zwei Refrains, abgespritzt, zack, nächste Nummer.

Da geht man dann vor Dankbarkeit fast auf die Knie vor einem Sender namens „Radiobob“. Dort läuft die „Alice Cooper Show“, was heißt, dass alle ca. 35 Minuten ein Soundbite von Alice Cooper eingespielt wird, das dieser schätzungsweise vor acht Monaten daheim in Arizona „eingesprochen“ hat, das ist dann die Moderation, und dann kommen wieder AC/DC, Doors und ELO und für kurze Zeit ist Frieden. Aber auch Classic-Rock-Radioprogrammierer fi nden, zwischendurch soll mal was „Modernes“ rein, und dann kommt Nickelback und man muss sofort umschalten.

Irgendwann, vollgesogen mit 80s-Synthies und komprimierten Beats, auf der A8. Heute hat Peter Cetera von Chicago Geburtstag, und drum gibt’s jetzt, um halb eins nachts, bei Antenne Pipapo eine Hörerabstimmung, ob wir jetzt gleich lieber „If You Leave Me Now“,“Hard To Say I’m Sorry“ oder „Baby, What A Big Surprise“ hören wollen.“Sollen wir da anrufen?“, fragt die A., und es ist nicht mehr erkennbar, ob sie einen Witz macht oder schon so durch ist wie ich. Na gut, also … „Hard To Say I’m Sorry“ wär schon okay jetzt. Es ist Zeit, dass wir heimkommen.