Blind Date


"Ich brauche Blut, Enthusiasmus und Feuer". Juliette Lewis macht bei ihrem Rendezvous mit den von uns ausgesuchten Songs klar, dass wir hier mit einer besonders leidenschaftlichen Dame flirten. Sie lobt Tarantinos Musikgeschmack, sinniert, wie zu erfahren ist, gerne mal mit Dave Grohl über Songstrukturen und gesteht, dass sie als Kind von Joe Cocker geträumt hat ...

Fantomas „Cape Fear

(Juliette imitiert die Gitarre) Daa daa daa daa … das ist der Cape-Fear-Soundtrack! In einer Metal version! Ist das Judas Priest? Wer bitte besitzt solch schrägen Sinn für Humor, dieses Stück so zu arrangieren? Mike Patton. Der hat 2001 auf dem Album THE DIRECTOR’S CUT mit Fantömas Soundtracks gecovert. Shit! (klatscht in die Hände) Ich bin tief beeindruckt von Mike. Seit ich denken kann, will ich ihn treffen. Er ist so radikal, fast wie von einem anderen Planeten. Ich mag Patton, weil er all seinen verrückten Ideen nachgeht.

Oskar Sima, Willy Fritsch & Paul Kemp „Ich wollt‘, ich war ein Huhn“

Klingt wie deutsche Musik aus den 20er- oder 30er-Jahren. Der Song gehört seit dem Film „Glückskinder“ von 1936 zum deutschen Liedgut und heißt übersetzt so viel wie „I wish I was a chicken“. DAS hätte ich nie erraten! Eine ähnliche Version davon ist Teil des neuen Tarantino-Soundtracks. Gestern lief am Potsdamer Platz die Premiere von „Inglourious Basterds“. Ich weiß, das wäre eine schöne Reunion zwischen Brad, Quentin und mir geworden! Ich bin gestern spät angekommen und habe erst dann davon erfahren. Quentin versteht die Beziehung zwischen Musik und Dramaturgie im Film wie kein anderer. Er pusht unbekannte Songs und hat einen ausgezeichneten Geschmack.

Vincent Gallo „Honev Bunny“

Klingt wie Vincent Gallo. Ist es auch. (frenetisch) Ist es? O mein Gott! Für gewöhnlich singt er höher – er hat eine so süße Stimme, weich wie ein Crooner aus den 50ern. Vincent hat mich längst getoppt: Er hat fünf Karrieren — ich nur zwei — und arbeitet als Maler und Model. Er ist echt Avantgarde.

At The Drive-In „Sleepwalk Capsules“

Das sind At The Drive-In, oder? Klingt fast wie Rage. Mit dieser Platte hätten sie die Größten werden können. Ich weiß! Omar (Gitarrist, heute bei The Mars Volta – d. Red.) hat mir sehr ausführlich darüber berichtet. Er gehört zu der seltenen Spezies, die radikale Entscheidungen trifft, für eine Sache berühmt wird und prompt etwas komplett Neues macht. Oh, das ist ein guter Breakdown gerade … Wie kam es dazu, dass er dein neues Album produziert hat? Ich brauchte einen besonderen Produzenten, der in mir nicht bloß die Rock’n’Roll-Sängerin sieht. Ich musste ihm meine Vision anvertrauen können. Anfangs dachte ich, er wäre eine Liga zu hoch für mich. Aber uns verbindet etwas: Wir beide nehmen Klange visuell wahr.

The Pr „Run WitbTthe Wolves“ (feat. Dave Grohl) (nach zwei Tönen) The Prodigy! Die erkenne ich am Beat. Ist das vom neuen Album? Ja, Dave Grohl spielt Drums. Dave hat mir davon erzählt, dass er an Tracks für The Prodigy arbeitet. In dieser Musik geht es vor allem um Hooks und Wiederholung, nicht um Strophe und Refrain. Ich brauehe dieses Album auf der Stelle! Niemand macht Beats wie The Prodigy. Seit ich auf ihrem letzten Album mitgemacht habe, will ich das auch können.

The Pretenders „Up The Neck“

Def Leppard? Nein, Pretenders! Der Anfang erinnerte mich an „Photograph“. Du bist mit ihnen diesen Sommer auf Tour. Ohne The Licks, genau wie auf deinem neuen Album – warum?

The Licks hatten über die letzten fünf Jahre sechs Gitarristen, drei Bassisten und sechs Drummer. Sie kamen und gingen. Ich brauche Blut, Enthusiasmus und Feuer, das hatte niemand mehr. Ich mache Musik als Erlösung. Um näher bei Gott zu sein – zu einem tieferen Zweck als Bier zu trinken. Kannst du dir vorstellen, solange wie Chrissie Hynde auf der Bühne zu stehen? Kann ich. Ich bin froh, einige Helden zu haben, zu denen ich aufschauen kann: Lucinda Williams, Patti Smith, Chrissie Hynde. Nur die Shows werden wohl anders werden: Mit 50 werde ich mir nicht mehr jeden Abend meine Knie aufkratzen. Ich könnte mir gut vorstellen, mal reduziert mit Piano aufzutreten oder in Richtung Jazz zu gehen. Ich versuche mich heute schon gelegentlich an Jazz, probiere die Möglichkeiten meiner Stimme aus und imitiere Billie Holiday und Nina Simone.

The Dead Weather „Treat Me Like Your Mother“

Ich kenne diese Echo-Drums. Und jetzt klingt das wie Led Zeppelin. Die neue Mars Volta? Oh, ich weiß: The Dead Weather. Gitarrist Dean Fertita ist ein Freund von mir. Und Jack White spielt Drums. (imitiert die Drums) „Dananana“, das ist so Lep Zeppelin! Ich mag die Vibes. White fragt nicht: Kann ich oder kann ich nicht? Er folgt seiner Leidenschaft und nimmt uns mit. Dein Song „Hard Lovin‘ Woman“ erinnert mich irgendwie an ihn. Neben Omar ist Jack für mich der Elvis seiner Generation. Omar ist als Gitarrist wie ein Gott: Er bricht alle Regeln und kreiert eine neue Sprache. Und Jack hat viel Charisma auf der Bühne und als Gitarrist seinen ganz eigenen Style aus Blues und Rock’n’Roll. The Dead Weather inspirieren mich auch deswegen, weil ich mit Ahson Mosshart eine neue weibliche Stimme höre, die ihren eigenen Style kreiert. Davon gibt es heutzutage nicht mehr viele.

Joe Cocker „With A Little Help From My Friends“

Joe Cocker. Ich spielte mal mit ihm auf einem Festival. Das ist … lass uns erstmal zuhören! Ach, so schön! Er singt heute noch genauso. Du weißt, warum ich dir das vorspiele? Nein … In der Serie „Wunderbare Jahre“ hast du Anfang der 90er Delores gespielt, die Freundin von Wayne. Der Song war die Titelmelodie. Weißt du, warum Delores immer Kaugummi kaute? Weil ich beim Vorsprechen Kaugummi kaute. Danach schrieben sie’s meiner Figur ins Drehbuch! Ich verbinde mit dem Song aber andere Dinge: Mein Vater führte mich an die Großen heran. Joe Cocker, Janis Joplin, The Who. In meinem Kindheitstraum vom Rock’n’Roll stand ich an der Seite einer Bühne, guckte mir Joe Cocker an und trat dann im selben Line-up auf. Irgendwann kam es tatsächlich so!

Bruce Springsteen „The Wrestler“

Wow. Manche Texte treffen mich wie ein Schlag, die , werden spürbar lebendig. Bei anderen sind die Texte völlig egal, wie bei Radiohead. Da geht es um den Sound. “ Yesterday I woke up sucking a lemon“ was soll das bedeuten? Conor Oberst oder Bob Dylan aber erzählen dir Geschichten. Ich schätze beide Ansätze, schreibe selbst aber lieber in Metaphern. Mochtest du den Film „The Wrestler“? Sehr. Ich mag, wie ehrlich alles ist. Aber ich möchte keine Stripperin sein.