Buch Tips


Rock’n’Roll Babylon‘ (Plexus, 45,-) nannte sich die klassische Sittengeschichte der Rockmusik: Ein Standardwerk, das Autor Gary Herman jetzt bis zu Kurt Cobains Selbstmord weitergeschrieben hat. Seine ganz persönliche Sittengeschichte erzählt Boy George zusammen mit Spencer Bright unter dem Titel ‚Take It Like A Man. The Autoblography Of Boy George‘ (PAN, 22,90). Die gut 580 Seiten sind erstaunlich witzig und teilweise richtiggehend lesenswert. Ähnlich umfangreich, aber weniger spektakulär ist ‚Janis Joplin. Ein wildes kurzes Leben‘ (Heyne, 16,90), das es jetzt als Taschenbuchausgabe gibt. Verfasserin ist Janis‘ jüngere Schwester Laura Joplin, die zwar nicht gerade Pulitzerpreis-verdächtig mit der Schreibmaschine umgeht, aber naturgemäß einen sehr authentischen Zugang zu Janis Joplin hatte und sich auch nicht scheut, seitenweise aus privaten Briefen zu zitieren. Das, was man über das ebenfalls nur 27 Jahre lange Leben des wohl einflußreichsten Bluesmusikers überhaupt wissen kann, trägt Peter Guralnick in ‚Robert Johnson – Crossroads. Die Legende des Delta Blues‘ (Hannibal, 24.80) zusammen – Pflichtlektüre für Bluesfreaks! Ebenfalls schwer zu empfehlen: In ‚The Lost Beatles Interviews‘ (Virgin, 41,-) spielen Geoffrey und Brenda Giuliano alle Reize des „Beatlespeak“ aus – mithilfe von zum Teil sehr seltenen Interviews und Statements der Fab Four. Wer den Anfang ihrer Karriere in den Charts des britischen ‚New Musical Express‘ nachvollziehen möchte, findet beispielsweise die 17 ersten Beatles-Hits mit Datum, höchster Plazierung, und Verweildauer auf Seite 20 von ‚Hit Records. British Chart Singles 1950-1965′ (Taurus, 39,-). The Complete NME Album Charts‘ (Boxtree, 43,-) halten ebenfalls, was der Name verspricht: Von 1962 bis 1994 sind alle wöchentlichen LP-Charts aufgeführt – allerdings ohne Auswertung nach Gruppen, auf die sich die Taurus-Publikation beschränkt. Zurück nach Deutschland: Jeden Mittwoch findet im Programm von Bayern 2 im Zündfunk zwischen 16 Uhr 30 und 17 Uhr das ‚Pop-Alphabet‘ statt – und alle zwei Jahre wieder erscheinen die Beiträge der Pop-Historiker Bruckmaier, Meinecke, Reichert und Co. in Buchform. Mit lächerlichen 5 Mark ist man dabei und bekommt dafür das aktuelle, dritte ‚Pop-Alphabet 1993/1994‘ mit 73 Porträts auf 350 mittlerweile etwas professioneller gestylten Seiten. Mainstream oder Chart-Erfolge spielen praktisch keine Rolle – T. Rex, Mott The Hoople und die Sparks sind noch die größten Namen. Dafür förderten die Zündfunker haufenweise Rohdiamanten zurück aus der Gruft und stopften damit manche Lücke in den einschlägigen Rock-Lexika – dabei stehen die Bangles neben MC5 und Crazy Horse und Hapshash And The Coloured Coat neben den Staple Singers und Blind Willie Johnson. Die 5 Mark in bar oder per Scheck an: Bayerischer Rundfunk, Jugendfunk, Rundfunkplatz 1, 80300 München. Songtexte, Gedichte und szenische Prosastücke aus der Feder der deutschen Rock-Intelligenzbestie Heinz Rudolf Kunze präsentiert ‚Nicht daß ich wüßte. Lieder und Texte 1992-1995‘ (Ch. Links, 29,80) – viele davon unveröffentlicht. Großer Vorteil: Wem sich beim akustischen oder optischen Genuß von „Brille“ Kunze in breitbeiniger Rock’n’Roller-Pose die Neil Young-, Dylan- und Costello-CDs im Schrank verbiegen, kann sich hier unvoreingenommen mit dem Schriftsteller hinter den Augengläsern beschäftigen. Und wenn der nicht gerade Banalitäten ausbreitet, glänzt er auf gut 200 Seiten mit bildmächtigen, virtuosen Sprachspielereien, bei denen ihm kaum ein Deutschpopper oder Gegenwartsliterat das Wasser reichen kann.