Lothar Meid – Einbahnstrasse

Heut bin ich (wie alle Münchener in Schwabing, wenn’s wieder warm wird), schnell über die Leopoldstraße zum ‚Cafe Arbeitslos‘ gebummelt. Und dann ist auch der Meid gekommen. Wir haben über seine neue LP geredet; daß mir das Cover nicht gefällt, daß ich sowas wie die erste Platte erwartet hatte, vielleicht musikalisch noch ein bißchen wilder, Bass-lastiger, hab ich ihm gesagt. Er hat zugehört, hin und wieder mit seinem freundlichen Schädel genickt, nachgedacht, erklärt, gewitzelt und dann, wie schon anfangs, gesagt: „Weiß scho, was du und die Sounds etc. meinen, aber diese Platte war ein persönlicher Wunsch von mir, ein echtes Bedürfnis.“ Wenn der Meid sowas sagt, meint er es ehrlich. Und wenn ein Künstler ein ehrliches Bedürfnis hat, darf er sich weder um Kritiker, noch ums Publikum kümmern – sonst wäre das ja jene Spekulation, die wir so vielen Musikern vorwerfen. Auch wenn die LP dann vielleicht nicht die Bedürfnisse und Erwartungen der hochverehrten Öffentlichkeit erfüllt.

Dann bin ich nachhause, hab‘ die „Einbahnstraße“ wieder und wieder aufgelegt, denn von Mal zu Mal hat sie mir besser gefallen. Und das liegt nicht am Münchener Bier – denn ich trink keins. Wir Münchner werden ja entweder als naive Provinzler oder aufgeblasene Jet-Setter angesehen. Der Meid hat endlich den Typus eines normalen Münchners gezeichnet – nicht nur das ‚Gschwerl‘ von der Leopoldstraße; die meisten dort kommen sowieso aus Giesing, Sendling, Haidhausen oder dem Lehel wie der Meid selbst. Ihre unberechenbare, gemütliche Mentalität ist auch die Basis der Cafehausphilosophen, Biergartenkünstler und Discothekengenies.

Scheinbar genauso lau und trügerisch ist diese menschliche, gesellschaftliche und politische Ruhe, wie der Föhnwind oder der Sound von Meids LP. Und der Meid hat gleichzeitig Sympathie und Abneigung für die Schwächen und Macken der Vorstadtbürger und die Gefahr, die hinter den grauen Fassaden lauert.

Da München mit Silver Convention und Donna Summer nun einmal die Hochburg des Disco-Sounds ist, wundert es da, daß diese tägliche Umweltberieselung auch in Meids Musik Eingang gefunden hat? Eine Spur härter, plakativer würde es mir besser gefallen, aber ich weiß, dann wären es nicht mehr die ‚Münchner G’schichtn‘, die was mit dem Valentin, Sigi Sommer, der Blasmusik, Franz Joseph Strauß und Amon Düül zu tun haben. Dem Meid ist hier ein Münchnerisches Stimmungsbild gelungen, das sich sprachlich zwischen Udo Lindenbergs Szenen-Chinesisch, Konstantin Weckers Dichter-Engagement und Gunter Gabriels trivialem Sozialwitz leichtfüßig durchwurschtelt, so spinnig, wie man bei uns auch in ernster Stunde ist. Sowas nennt man Bauernschläue. „Und das nächste Album“, grinste der Lothar hintersinnig, „wird dann wieder so fetzig, wie du dir das vorstellst!“ Aber vielleicht gefällt euch der Meid von diesem Jahr ja auch recht gut, Texte sind für Nichtmünchner verständlich beigelegt. Und wie gesagt, öfters mal anhören, z.B. „Einbahnstraße“, „Django“ oder „Wirtshaus Neureuther – Ecke Lindwurmstraße“. Eigentlich würde ich dem Lothar gern dreidreiviertel Sterne geben, wenn der ME sowas hätte!