Monsters of Rock, Mannheim, Maimarktgelände

Von überall her sind sie gekommen. Label-Manager, Promotion-Damen, Produzenten und Musiker-Prominenz wie zum Beispiel die Iron Maiden-Mannschaft waren ebenso da wie einige hundert Journalisten aus allen Ländern der Welt. Und dann natürlich —- last but not least -— die Fans. Am Samstag in Nürnberg, waren’s rund 40000, am Sonntag kamen ungefähr gleich viel aufs Mannheimer Maimarktgelände.

Eigentlich hatte man noch mehr Zuschauer erwartet. Doch leider zeigte sich Petrus von seiner ungemütlichen Seite. In Nürnberg regnete es abgesehen von einigen vereinzelten Tropfen zwar nicht, aber dafür war’s saukalt. In Mannheim ging’s dann erst richtig los, gab’s in regelmäßigen Abständen Wolkenbrüche.

Einen richtigen Headbanger kann so was allerdings nicht erschüttern. Man kam, um zu feiern — Grippe hin oder her. Sie sind nun mal die unbestritten dankbarsten Fans, wenn auch nicht immer die vernünftigsten. So gehören die Alkoholleichen, die nicht einmal den Konzertbeginn erleben, offensichtlich ganz einfach dazu.

Einen soliden, aber keineswegs berauschenden Eindruck hinterließen Warlock, die kurz nach Zwölf die Festivals eröffneten. Das Quintett aus Düsseldorf besitzt zwar in Doro Pesch eine dominierende und attraktive Frontfrau, doch die Band als Ganzes kommt vom Punch, der Klasse, der Bühnenpräsenz und nicht zuletzt auch vom Songmaterial her nicht übers Mittelmaß hinaus. Dafür überraschten die nachfolgenden Bon Jovi um so mehr. Gegenüber ihren doch sehr geschliffenen Vinyl-Ergüssen sind die US-Rocker auf der Bühne kaum mehr wiederzuerkennen. Da geht die Post ab, und trotzdem sitzen die mehrstimmigen Vokalpassagen perfekt. Der Titel der letzten Zugabe, der Thin Lizzy-Klassiker „The Boys Are Back In Town“. könnte nicht treffender sein, Bon Jovi sind tatsächlich zurück, und das besser denn je.

Besser als je zuvor präsentierte sich auch Michael Schenker mit seiner neuen Formation. Mit seinem neuen Sänger und Partner Robin McAuley hat Schenker nicht nur einen musikalischen Glücksgriff getan, er ist auch gleichzeitig den Druck und die Belastung des alleinigen Bandleaders losgeworden. So wirkte Schenker, an dessen traumhaftmelodiösem Gitarrenspiel es ohnehin nichts zu rütteln gibt, gelöster als früher. Als nach den beiden Openern „Armed And Ready“ und „Cry For The Nation“ der Regen eine 15minütige Unterbrechung erzwang (weil ein Verstärker seinen Geist aufgab), nahm Schenker die Pause gelassen hin. Noch vor wenigen Jahren hätte er nach einem solchen Zwischenfall das Konzert entnervt abgebrochen. Doch unter den Augen von Mutter Schenker, die die Show von der Bühne aus mitverfolgte, und von mehreren interessierten Label-Managern, gab sich Schenker keine Blöße. Mit der McAuley/Schenker Group wird auf jeden Fall zu rechnen sein. Nach dem Gig gab’s rundum nur zufriedene Gesichter, vor allem auch bei den Vertretern von EMI. Ein Zufall?

Besonders gespannt war man auf den Auftritt von Def Leppard, die immerhin über zwei Jahre lang nicht mehr auf der Bühne gestanden hatten. Doch die lange Abstinenz machte sich überhaupt nicht bemerkbar. Das britische Quintett, verstärkt durch Status Quo-Dmmmer Jeff Rich, überzeugte mit einer perfekten Show und einem Sound, der nicht besser hätte sein können.

Kleine Abstriche muß man allerdings trotzdem machen. So kamen die Songs des mit Spannung erwarteten und längst MONSTERS OF MONSTERS OF ROCK

überfälligen neuen Albums längst nicht so gut rüber, wie die Titel des Def Leppard-Megasellers PYROMANIA. Eine Nummer wie „Rock Of Ages“ fließt einem nun mal nicht alle Tage aus der Feder.

Egal.die Leoparden gaben sich jedenfalls erstaunlich selbstbewußt und strotzten nur so vor Spiellaune. Wie eine verschworene Gemeinschaft, die allen Unkenrufen und namentlich Rick Aliens Handicap zum Trotz schon fast wieder an alte Glanzzeiten erinnerte.

Alles (wieder) beim alten, so könnte man den Gig von Ozzy Osbourne beschreiben. Das Heavy Metal-Fossil, nach turbulenten und feuchten Jahren vorübergehend trockengelegt, ist wieder voll drauf, breit bis zum Gehtnichtmehr. Doch Ozzy ist ein Phänomen. Wer ihn vor dem Auftritt backstage herumwandeln sah. war überzeugt, daß er die Show in den Sand setzen würde. Aber auf der Bühne ist Ozzy, der im Gespräch kaum einen zusammenhängenden Satz über die Lippen bringt, wieder da, wenn auch nicht mehr so ganz souverän wie früher. Sein Glück, daß er in seinem Rücken eine exzellente Gruppe mit einem schlichtweg faszinierenden Jake E. Lee hat, die ihm über kleinere Gedächtnislücken und Atempausen hinweghelfen.

Seiner glänzenden Gitarrenakrobatik und den geschmeidigen, raumgreifenden Bewegungen auf der Bühne war es in erster Linie zu verdanken, daß der Set, gespickt mit Klassikern wie „Mr. Crowley“ oder „Shot In The Dark“ nicht völlig verpuffte. Er, aber auch die driving force hinter ihm, Phil Soussan am Baß und Randy Castillo on drums, retteten den indisponierten Altmeister über die Runden.

Bleibt abzuwarten, wie lange Ozzy diese Sauferei durchsteht. Jene Begleiter, die ihren Boß jeweils abends an der Bar abfüllen, erweisen ihm auf jeden Fall einen schlechten Dienst.

Doch nun zu den Headlinern aus Hannover. Daß die Scorpions (großes Foto) von vielen als die zur Zeit beste Rock ’n‘ Roll-Band der Welt bezeichnet werden, ist durchaus berechtigt, auch wenn sich in ihren Liveshows eine mitunter gefährliche Routine eingeschlichen hat. So hat sich zum Beispiel der Anfang der Show mit den Songs „Coming Home“ und „Blackout“ seit der „Blackout“-Toumee überhaupt nicht verändert.

Trotzdem, der Abend gehörte ganz und gar den Scorpions. Von der Action auf der Bühne her sind Klaus Meine, Rudolf Schenker, er feierte in Mannheim übrigens Geburtstag, Francis Buchholz, Herman Rarebell und Matthias Jabs höchstens von einem David Lee Roth zu übertreffen. Hinzu kommt ein Repertoire an Rockhymnen, das seinesgleichen sucht. „Holiday“, „Rock You Like A Hurricane“ und „Still Loving You“ sind nur drei Klassiker unter vielen.

Und weil’s ein besonderer Tag war, wollten sich die Fab Five auch nicht lumpen lassen und stimmten zu aller Überraschung ein Medley aus grauen Tagen, genauer gesagt aus der IN TRANCE-Ära (1976!) an. Der Coup saß, auch wenn die meisten wohl der Meinung waren, hier bereits Material von der nächsten LP präsentiert zu bekommen —- so frisch und aktuell klang alles.

Was die Scorpions in Nürnberg und Mannheim ihren Fans boten, war Rock-Entertainment total. Angefangen von einer Bühne, die alle bisherigen Scorpions-Dimensionen sprengte, über eine Lightshow, die perfekt auf die jeweiligen Stimmungen der Songs abgestimmt war. bis hin zu der Übertragung des Geschehens auf zwei großen Leinwänden links und rechts der Bühne und mehreren Feuerwerken („Dynamite“) stimmte einfach alles. Besser kann man eine Rockshow nicht inszenieren. Bei den „Monsters Of Rock“ haben die Scorpions neue Maßstäbe gesetzt, die sie wohl selbst nicht so schnell werden überbieten können.