Das Ende des Mainstream


These 4: Radiohead, Strokes, Beastie Boys - drei vermeintliche Erfolgsgaranten, die 2011 scheiterten. Der Markt zersplittert.

Auf präzise Verkaufszahlen können wir leider nicht verweisen. Die behält die deutsche Musikindustrie traditionell für sich. Erst wenn eine Gold-Auszeichnung (für 100 000 verkaufte Exemplare) oder Platin (200 000 Stück) fällig ist, geht die entsprechende Erfolgsmeldung raus. Auf eine solche zu den jüngsten Alben der Strokes, von Radiohead oder den Beastie Boys konnte man 2011 lange warten. Diese Bands – immerhin amtliche alternative Dinosaurier – verkaufen nicht genug, um mit Edelmetall beschert zu werden. Tatsächlich war es fast ein wenig erschreckend zu beobachten, wie schnell ihre Platten sogar aus den Top 100 wieder verschwanden. Drei, vier Wochen kauft der Fan, dann niemand mehr.

Über die Gründe hierfür lässt sich spekulieren. Die Beastie Boys mussten aufgrund der Krebserkrankung von Adam Yauch auf fast jede Promotion verzichten. Den Strokes dürfte nach wie vor ihr Ruf als die (Neo-Garagen-)Band of 2001 zu schaffen machen – wer braucht die heute noch? Und Radiohead meinen es offensichtlich ernst mit ihrer Abkehr von den traditionellen Marktplätzen, die mit der aufsehenerregenden Online-Veröffentlichung des Vorgängers In Rainbows 2007 begonnen hatte: Nur vier Tage zuvor angekündigt, verkauften sie ihr Album zuerst einmal wieder nur online, auf eigene Rechnung, und reichten die „physische“ Veröffentlichung einen Monat später nach – The King Of Limbs wurde dann sogar noch zum Vinyl-Verkaufsschlager.

Was diese drei Bands 2011 darüber hinaus einte: Ihre Werke kamen in auffallend vielen Rezensionen schlecht weg. Selbst die erklärte Kritiker-Lieblingsband Radiohead erlebte nun den wohl längst überfälligen Backlash. Übrigens handelten sich auch die richtigen Dinosaurier Herbert Grönemeyer und Red Hot Chili Peppers mit ihren Alben reichlich Verrisse ein. Hitsingles warfen sie auch keine ab, und so verkauften auch sie viel weniger als noch vor vier, fünf Jahren.

An guten Argumenten und schlechten Ausreden für Misserfolg mangelt es bekanntlich nie, aber das Straucheln selbst solcher Erfolgsgaranten ist vor allem ein Zeichen dafür, dass sich Rahmenbedingungen des Popgeschäfts signifikant verändert haben: Der Markt schrumpft weiter und wird gleichzeitig von immer noch mehr Veröffentlichungen überflutet. Zudem bekommt die Unterhaltungsindustrie das für den Pop inzwischen nahezu alleinbestimmende Medium einfach nicht in den Griff: das Internet. Es ist zu schnell, bietet zu viele Möglichkeiten, der User macht dort, was er will.

Ergebnis dieser Entwicklung: Der Pop-Mainstream, wie wir ihn kennen, bröselt vor sich hin. Oder besser: Es gibt ihn inzwischen nur noch scheibchenweise. Im Oktober schrieb die „SZ“: „Die Top Ten der deutschen Albencharts darf man sich längst nicht mehr vertikal geordnet vorstellen. In Wahrheit ist meist fein säuberlich nebeneinander jedes große Genre der populären Musik mit ein bis zwei Alben vertreten – internationaler Pop, deutscher Pop, Rock, Hip-Hop, Dance, Indie, deutscher Schlager, Metal.“

So wird das freilich nichts mehr mit einem allumfassenden neuen Trend. Darüber jammert die Industrie. Und es jammern auch manche unter uns, die noch miterleben durften, als eine Platte wie Thriller angeblich die ganze Welt in Atem hielt. Aber mal ehrlich: Warum sollten wir eigentlich jammern?

… Weil der Pop inzwischen noch unübersichtlicher geworden ist als das Versicherungswesen?

Nun, was für die einen unübersichtlich ist, nennen andere bunt (und freuen sich darüber).

… Weil uns die Rockdinosaurier und Superstars bald schon als Feindbilder abgehen werden?

Hey, schon Johnny Rotten war in Wahrheit ein Fan von Yes. Und wen bitte schön hat man in den letzten 15 Jahren künstlerisch gewinnbringend gegen z. B. Ich + Ich oder Coldplay anmusizieren sehen/hören?

… Weil es vielleicht nie wieder einen Sommerhit geben wird, den wir alle gemeinsam pfeifen?

Ein Sommerhit, den die ganze Welt pfeifen will, wird immer seinen Weg in und um die Welt finden. Er wird nur eben andere Wege gehen als f… Was war noch mal der Sommerhit 2011? Ui, steht es tatsächlich doch schon so schlimm?