Das Ende einer Ära?


Dem Angeber-HipHop geht es schlecht. Die kreative Flaute ist nicht neu - jetzt aber will den Müll auch niemand mehr kaufen.

Wenn ich heute 13 Jahre alt wäre und die Revolution wollte, würde ich doch nicht HipHop hören“, sagte Smudo kürzlich dem „Spiegel“. Michi Beck bezeichnete das ganze Genre in seiner heutigen Form als „alte, spießige, etablierte Bewegung“. Die geistige Verarmung des HipHop frustriert Fans der einst so bahnbrechenden Stilrichtung schon lange. Überraschend ist nun, dass die kreative Stagnation und der Klischee-Overkill offenbar auch die Rap-Industrie, die unter der Primitivität ihrer Stars bisher am wenigsten zu leiden hatte, in die Krise stürzt. Die Verkaufszahlen, die seit fast 30 Jahren stetig gestiegen waren, stürzten in den USA von 2005 auf 2006 um dramatische 21 Prozent ab. Zum ersten Mal seit 1994 schaffte es kein HipHop-Album unter die zehn Bestseller des Jahres. Das weiße Publikum, das bei den Rap-Käufern die Mehrheit bildet, wendet sich ab – Kritik aber kommt auch aus den eigenen Reihen: Laut einer 2006 von der Nachrichtenagentur AP durchgeführten Studie betrachten 50 Prozent der Afro-Amerikaner HipHop inzwischen als Phänomen mit negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Medien, die bisher selbst dazu beigetragen hatten, das Image von Kriminellen wie 50 Cent und DMX zu pflegen, weisen nun daraufhin, dass das Auftreten von Flavor Flav in der MTV-Show „Flavor of Love“ dem der „Minstrels“ – der als „lustige Mohren“ geschminkten Varietesänger des 19. Jahrhunderts – nicht unähnlich ist. Hat Amerika die Nase voll von Goldzähnen, dicken Autos und Geschichten über Koks, Zuhälter und Drive-By-Shootings? Solange sich die wenigen Ausnahmen wie Lupe Fiasco, Kanye West und Talib Kweli nicht mehr Gehör verschaffen können – das herausragende Debüt von Lupe Fiasco verkaufte sich lediglich 200.000-mal -, ist kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht. „HipHop ist gewachsen, aber er hat sich nicht weiterentwickelt“, klagte James Bernard, einer der Gründer des einzigen intelligenten und einflussreichen US-HipHop-Magazins „The Source“, als er sich in der 200. Ausgabe letztes Jahr durchaus selbstkritisch seinen Frust von der Seele schrieb. „Die HipHop-Industrie hat sich die schlechtesten Eigenschaften des Monopolkapitalismus zu eigen gemacht. Nur ein paar Künstler werden reich. Die anderen müssen kämpfen und werden betrogen, wenn sie überhaupt das Glückhaben, dass man ihnen die Türe öffnet. […] Wir sind älter geworden – aber sind wir auch weise geworden?“