Der lange Weg von Hank Williams zu Wilco


Endlose Weiten, düstere Spelunken, amerikanisches Hinterland. Hier sind Country, Folk und Blues zu Hause. Und hier erholt sich der Rock immer dann, wenn ihm die Bodenhaftung abhanden gekommen ist. Eine Expedition in die musikalische Landschaft von "Americana".

STECKER RAUS UND DEN RÜCK AUFS WESENTLICHE gerichtet: Eolk, Blues und Country. Die ewigen Werte. Seit je hilft dieses Rezept dem Patienten Rockmusik auf die Beine, wenn er wieder mal darniederliegt, geblendet von zuviel Hype und den Irrungen des Zeitgeistes. Das funktioniert heute so gut wie in den späten sechziger Jahren. Damals erdeten bodenständige Musiker wie The Band die drogenbenebelte Szene neu, und traditionsbewußte Neuerer wie Gram Parsons bliesen sogar den RollingStones den Marsch nach Nashville. Heute, im voll digitalisierten Zeitalter des Internet, wo die wüsten Cyberpunks von Prodigy und die mürrischen Gesellen aus der HipHop-Szene den Ton angeben, scheint es einmal mehr soweit. Die jahrelange Dominanz der urbanen Black Music provoziert die entsprechende Gegenbewegung: Handgemachtes aus dem Hinterland hat wieder Konjunktur. Abseits vom chartsorientierten Mainstream sind plötzlich auch musikalische Pferdeäpfel angesagt. Auffällig: Nicht nur altvordere Rockromantiker, auch puberlierende Pennäler lauschen den Poeten aus der Pop-Provinz. Zur Jahrtausendwende ist das Einfache gefragt – und die Schreiberlinge der Zeitgeistpresse haben dem Phänomen längst sein schickes Etikett verpaßt: „Americana“.

KONSUMMÜDE KULTURSKEPTIKER MÖGEN ABWINKEN: Auch „Americana“ sei nur ein weiterer kurzlebiger Trend im Unterhaltungsgeschäft des ausgehenden Jahrtausends. Richtig ist an dieser Einschätzung, daß die Musikszene des lahres 1999 so fragmentarisch ist wie nie zuvor und damit auch das neue Rootsfieber nur eine weitere Farbe im bunten Musikallerlei darstellt. Richtig ist aber auch, daß der kommerzielle Erfolg und die künstlerische Anerkennung der „Americana“-Schlüsselfiguren langsam aber stetig wachsen. Zudem erleben fast vergessene Pioniere des Genres eine überraschende Renaissance. Und: Einmal mehr wird die Entwicklung auf dem Markt federführend von kleinen und im Unterschied zu den Majors wendigen Independent-Firmen umgesetzt. Kein Wunder also, daß eine verdiente Ikone wie Tom Waits unlängst beim feinen und engagierten US-Musiker-Label Epitaph unterschrieb. Kollege Steve Earle kehrte Warner Brothers den Rücken und läßt sein brillantes Bluegrass-Album „The Mountain“ von national operierenden Labels vertreiben (hierzulande den rührigen Roots-Freunden von Glitterhouse). Folge: Auf „Americana“ spezialisierte Firmen wie eben jenes Glitterhouse-Label, Rounder Records, Shanachie, Smithsonian Folkways, Hightone oder Blue Rose Records gedeihen prächtig. Und die Bibel aller Roots-Freaks, das US-Magazin mit dem programmatischen Titel „No Depression“, erfreut sich dank weltweit wachsender Lesergemeinde steigender Auflagen.

Was eigentlich ist „Americana“? So richtig weiß das offenbar keiner. Und die Redakteure von „No Depression“ wollen das wohl auch nicht. Warum sonst sollten sie für jede Ausgabe ihres Heftes eine neue Titel-Unterzeile erfinden, die alles offenläßt? Eine der letzten etwa lautete „The Jovially Amateurish Alternative Country (whatever that is) Bimonthly“. Frei übersetzt: „Das spaßige, amateurhafte, zweimonatlich erscheinende Magazin über alternative Countrymusik (was immer das ist)“. Soviel immerhin steht fest: Die Rootsszene ist nicht in den traditionellen Musikmetropolen New York, Los Angeles oder Chicago verankert. Wenn überhaupt ein Zentrum existiert, dann ist das am ehesten Nashville. Dort wohnen wichtige Akteure wie Steve Earle, Emmylou Harris und Nanci Griffith. Auch Garry Tallent, derzeit als Bassist von Springsteens E-Street Band auf Welttournee, betreibt dort sein Tonstudio, das sich durch süperbe Produktionen zu einem der Haupt-Tatorte in Sachen „Americana“ entwickelt hat. Mit der kommerziellen Country-lndustrie in Nashville jedoch will keiner zu tun haben. So moniert Emmylou Harris: „Die etablierte Nashville-Szene ist langweilig. Sie nehmen dort ja doch nur immer wieder dasselbe Album auf. „Trotzdem lebt Emmylou gerne in Nashville: „Du triffst dort alle möglichen Leute, Luanda (Williams), Steve (Earle), Gillian Welch lebt dort, mein Gitarrist Buddy Miller, die Songschreiber Kieran Kane und Jamie O’Hara. Wir sind Musik-Junkies und befruchten uns gegenseitig. Ich brauche es, daß mir ab und zu jemand etwas Neues vorspielt. Das ist MEINE Musikindustrie. Und die basiert auf persönlichen Kontakten und hat nichts mit den Charts oder den in der sogenannten ‚Music City Nashville‘ gepflegten Klischees zu tun.“

So gesehen verbirgt sich hinter dem strapazierten Begriff „Americana“ weniger ein definierter Musikstil als eine künstlerische Haltung. Lind die ermöglicht erst die Emotionalität eines Hank Williams oder auch den Anarchismus eines Southern Rebel vom Schlage Willie Nelsons. Werte, die lange schon unter Tonnen verkaufter Garth Brooks-Alben verschüttet schienen. Der sogenannte „Blues des weißen Mannes“ heißt heute nicht mehr Country, er firmiert nunmehr unter „Americana“. Was überdies den Vorteil mit sich bringt, daß auch die musikalische Limitiertheit des Country entfällt und neuerdings erlaubt ist, was gefällt. Lucinda Williams bringt es auf den Punkt: „Was sollen diese dämlichen Etiketten? Ich bin keine Countrysängerin mit Rüschenbluse, ich bin schlicht eine Songwriterin.“ Bei ihren Konzerten setzt Luanda trotzdem gern einen riesigen Stetson auf die punkschwarz gefärbte Mähne. Ihr Kommentar: „Ich liebe es, die Leute zu verwirren.“

Auffälligstes Kennzeichen der „Americana“-Bewegung ist der konsequente Blick zurück nach vorn. Wer hip sein will, muß Hank Williams hören. Wer zeitgenössische Helden wie Wilco verehrt, sollte auch die Carter Family und Woody Guthrie im Plattenschrank haben. Manch einer mag sich da fragen: Was, bitte, hat der vitale Schellack-Hillbilly von Mother Maybelle Carter mit den elegischen Rocksuiten Jeff Tweedys zu schaffen? Die beste Antwort ist wie so oft die schlichte Gegenfrage: Was wäre der blutjunge Blues-Shootingstar Jonny Lang ohne den sagenumwobenen Robert Johnson? Ein Nichts, denn in beiden Fällen gilt: Die jeweils Letzteren sind ohne die Ersteren nicht denkbar. Wer das kapiert hat, assoziiert den klagenden Klang einer Pedalsteel-Gitarre plötzlich nicht mehr mit dümmlichen Schlagern á la Truckstop. Selbst in unseren Breiten hat sich inzwischen herumgesprochen, daß Country eben doch mehr ist als der Soundtrack für die Indianerspiele frustrierter Bürohengste, die am Wochenende in Western Citys die Schießerei am Corral Creek nachstellen. So gesehen rehabilitiert „Americana“ die Countrymusik als die neben dem Blues immer noch wichtigste Säule des Rock.

Und doch gibt es kaum gemeinsame stilistische Indikatoren. In der „Americana“-Schublade finden sich die verschiedensten Musiker – Flank Williams ebenso wie Bob Dylan, Steve Earle und The Band. Als lungere Linde Tupelo, die mit Son Volt und Wilco gleich zwei der derzeit wichtigsten US-Bands gebaren, Mercury Rev, Granfaloon Bus, Whiskeytown, die Mädels von Hazeldine, Rainravens, ja selbst die Supersuckers, die sich für einen amüsant-schrägen Ausflug in astreine Countrygefilde („We Must’ve Been High“) ihren üblichen Punk verkniffen. Nicht zu vergessen natürlich auch Individualisten wie der hochtalentierte Rufus Wainwright, Glitterhouse-Liebling Neal Casal, Beck, Ex-Blasters-Chef Dave Alvin, der Neujahr ’97 verstorbene Songwriter-Gigant Townes Van Zandt oder „Rockin‘ Mama“ Emmylou Harris. Sie alle könnten stilistisch kaum unterschiedlicher agieren: Der Roots-Rabauke Earle hat so gar nichts gemeinsam mit den eleganten, fast vollkommen gitarrenfreien Song-Kleinoden eines Rufus Wainwright, und Country-Pionier Hank Williams, den ein Kritiker seinerzeit als „Hillbilly-Shakespeare“ adelte, trennen Welten von LowFi-Tüftelbruder Beck. Lind doch symbolisieren sie für die weltweite Roots-Gemeinde alle dasselbe: Wahrheit, LIrsprünglichkeit und den unerschütterlichen Glauben gleichsam an das Gute in der Gitarre.

WERFEN WIR EINEN BLICK AUF DAS SO GERN beschworene Wurzelwerk. Januar 1962, ein schäbiges 2-Zimmer-Apartment in Greenwich Village, dem damals angesagten Künstlerviertel von New York City, 161 West 4th Street, erster Stock: Die karge Einrichtung der Wohnung besteht aus einem Tisch, einem wackligen Holzstuhl, einer Schreibmaschine, einem defekten Femseher, allen möglichen Instrumenten, ein paar mexikanischen Gürteln und einem Keramikstier. Geld für die 60 Dollar Miete ist knapp, doch das Folkrevival ist im vollen Gang, und die Bewohner jenes Apartments, der 20jährige Robert Allen Zimmerman und seine 17jährige Freundin Suze Rotolo, sind ein Teil dieser Bewegung (kurze Zeit später bringt der arme Poet, der sich Bob Dylan nennt, das Album „The Freewheelin'“ heraus, auf dessen Cover er selbst, Suze und die West 4th Street zu sehen sind). Weiter erzählt US-Autor und Dylan-Intimus Robert Shelton in seiner Bob-Biographie von einem der wertvollsten Besitztümer des jungen Dichters: der 1952 erschienenen „Anthology Of American Folk Music“, einer aus drei Doppel-LPs bestehenden Sammlung amerikanischer Folkmusik der 20er und 30er Jahre. In Fachkreisen heißt die archaische Kollektion nach ihrem Herausgeber, einem legendenumwobenen Experimentalfilmer, Herumtreiber, selbsternannten Schamanen und Folkarchäologen, „Harry Smith Collection“. Gierig saugt der ehrgeizige Dylan den reichen Fundus dieser Musik in sich auf und verarbeitet das Gehörte in eigenen Liedern. Lind bis zum heutigen Tag finden sich Songs aus jener Sammlung in Dylans Repertoire. Gelegentlich veröffentlicht er sie sogar, zuletzt „Stackalee“ und „Love Henry“ (ursprünglicherTitel: „Henry Lee“) auf dem 1993er-Album „World Gone Wrong“.

Dylan ist nicht der einzige Rockmusiker, für den die „Anthology“ zentrale Bedeutung bekam – weder damals noch heute. So äußerte sein britischer Kollege Elvis Costello noch 1997 anläßlich der CD-Neuauflage der „Harry Smith Collecüon“: „Wenn man zum ersten Mal die Anthology hört, ist es, als entdecke man plötzlich den geheimen Code, der aller Musik, die einem bis dahin vertraut schien, gemeinsam zugrundeliegt.“ In der Tat, die „Harry Smith Collectton“ bildet neben den Sammlungen der Folkarchivare John und Alan Lomax sowie den musikalischen Nachlässen von Woody Guthrie und Leadbelly, bis heute so etwas wie eine Landkarte für alle Songpoeten, die sich in ihren Liedern mit der US-Wirklichkeit beschäftigen. Kein Wunder also, daß die hervorragendsten Vertreter dieser „Americana“-Bewegung gerne den Bereichen Country und Folk zugeordnet werden. Dabei halten sie sich kaum je an die klassischen Genregrenzen. Sie sind künstlerische Kosmopoliten, die über verschiedenste musikalische Vokabulare verfügen und sich ihrer je nach Bedarf bedienen. Blödsinnig also die Idee, etwa die Jayhawks auf „New Country“ festzunageln, wo doch die Band gelegentlich auch Pop reinsten Wassers produziert. Oder Luanda Williams zur Country-Queen zu stilisieren, nur weil sie, wie der „Spiegel“ sinnig titelte, „Trübsal unterm Cowboyhut“ bläst. Genausowenig wird man etwa Steve Earle, Johnny Cash, Emmylou Harris oder dem notorischen Einzelgänger Lyle Lovett gerecht, wollte man deren CEuvre auf Folk- und Country reduzieren. Sie alle nutzen die vielfältigsten musikalischen Farben, um ihr persönliches Amerika-Bild zu zeichnen.

Das derzeit wohl größte Talent der US-Szene, der eigenbrötlerische Beck Hansen, ging seinen ganz eigenen Weg: Er etablierte sich zunächst als veritabler Popstar („Loser“), um sich nun mit dem überraschend einfach gehaltenen Album „Mutations“ einen eigenen Trampelpfad zu den Wurzeln seiner musikalischen Identität zu schlagen. Zwar sieht das Massenpublikum in diesem kalifornischen Schlaks einstweilen den verrücJ-ten Pop-Professor mit dem Milchgesicht. In den Cafes und Clubs von L.A. hat der Mann jedoch mit einem Repertoire begonnen, das sich aus überlieferten Songs der Ära vor der amerikanischen Depression speiste. Beck im Rückblick: „Als ich aufwuchs, habe ich mich regelrecht in die Anthology vergraben. Ihre Geschichten waren makaber, romantisch und faszinierend. Ich hatte einen starken Hang zu diesen Dingen, als ich jung war.“ Auf „Mutations“ läßt sich das nachvollziehen: Die Platte schlägt die Becksche Brücke vom experimentierfreudigen Klangbastler hin zum hehren Folkpoeten auch für eine Pop-Klientel überzeugend.

Indem Beck auf diese Weise seiner Generation den Weg in die Schatzkammern der eigenen musikalischen Tradition weist, leistet er möglicherweise einen entscheidenden Beitrag zur Erneuerung der seit Grunge vor sich hindarbenden US-Szene. So wie es vor dreißig Jahren schon Bob Dylan und die Band mit ihren im Keller von „Big Pink“ zum Privatvergnügen eingespielten „BasementTapes“ taten. Diese einflußreiche Sammlung von unprätentiösen Drei-Minuten-Miniaturen lehrte eine ganze Generation von Rockmusikern den kompetenten und unverkrampften LImgang mit dem amerikanischen Kulturerbe. Rockkritik-Papst Greil Marcus hat dies in seinem ebenso unterhaltsamen wie scharfsinnigen Buch „Basement Blues“ (erhältlich bei „Zweitausendeins“) überzeugend analysiert.

DERLEI FRISCHZELLENKUREN ZIEHEN SICH WIE EIN ROTER FADEN DURCH die Rockgeschichte: Als sich zu Beginn der siebziger Jahre Rock zum monströsen Kunsthandwerk aufblähte, legte die Nitty Gritty Dirt Band 1973 mit ihrer grandiosen Triple-LP „Will The Cirde Be Llnbroken“ die überwucherten Folk- und Bluegrasswurzeln frei. Nach Punk-Radau und New Wave-Wirrungen leitete Bruce Springsteen 1982 mit „Nebraska“ die fällige Rückbesinnung ein – hedonistische Schaumschläger wie Frankie gingen nach Hollywood, der Boß verschwand völlig überraschend in den kargen Wüsteneien des Mittleren Westens. Gleichzeitig wuchs, zunächst nur in Collegerock-Kreisen registriert, mit R.E.M. die vielleicht letzte überlebensgroße Rockband heran. Zusammen mit weniger erfolgreichen und dennoch einflußreichen Kollegen wie Pixies oder Replacements aktualisierten Stipe & Co. alte Konzepte. Ihre Musik bezog die Inspiration wieder aus dem wirklichen Leben, und das war seinerzeit geprägt durch die restaurative Reagan-Ära – im Hollywood-Poserrock der Van Halen-Brüder kam das längst nicht mehr zum Ausdruck. Kurt Cobains gewaltiges „Smells LikeTeen Spirit“ wäre ohne die Vorarbeit von Frank Blacks Pixies und den sensiblen Intellekt eines Michael Stipe wohl kaum denkbar gewesen. Zuletzt zog ausgerechnet der Gott der elektrischen Gitarre den Stecker. Auf dem Höhepunkt des Grunge-Getöses nahm Altmeister Clapton die Akustikgitarre zur Hand. Sein „Unplugged“-Set wurde gleichwohl weltweit vernommen und animierte fast die komplette Branche zur stromlosen Sitzung im MTV-Studio. Parallel zum „Unplugged“-Boom entdeckten Grunge-müde junge Musiker das Erbe von Harry Smith, Hank Williams, The Band oder Gram Parsons und übertrugen es in die eklektischen Neunziger.

Das Faszinierende an den „BasementTapes“ oder der „Harry Smith Collection“ ist nicht in erster Linie ihr musikalischer Unterhaitungswert. Nachhaltiger wirkt, daß diese Alben vom wahren Leben erzählen, auch wenn die Geschichten zunächst wie Legenden aus einer anderen Zeit anmuten. Das ist es, was Beck so beeindruckt: „Vieles von der fast unheimlichen Fremdheit, die in diesen Liedern rüberkommt, findest du noch heute in Amerika. Lind daß es jetzt genauso existent ist wie zu der Zeit als diese Lieder entstanden, macht die Sache ziemlich beängstigend.“

Kurz: Die Wahrheit kommt offenbar nicht aus der Mode. Auch musikalisch nicht. So berichtet Jason Ringenberg, Frontmann der in der Versenkung verschwundenen Neo-Countryrocker lason & The Scorchers: „15 Jahre haben wir Hank Williams-Songs wie ‚HonkyTonk Blues‘ oder You Win Again’vor Rock ’n‘ Roll- oder Punk-Publikum live gespielt – und jedes Mal hat der Saal getobt.“ Glücklich ein Land, dessen musikalisches Erbe so gepflegt und von der jeweils nachfolgenden Generation aufgenommen wird. Mögen die Britpop-Bengel da drüben auf ihrer Insel noch so laut krakeelen – das so oft besungene Flerz des Rock n‘ Roll scheint immer noch dort zu schlagen, wo einst Elvis aus seinem Lastwagen kletterte, um Sam Phillips ein paar Minuten Studiozeit aus dem Kreuz zu leiem (nebenbei: Elvis‘ Gitarrist Scotty Moore spielte im Grunde nichts anderes als ein paar heißgemachte Country-Licks). Und es schlägt in den überlieferten Balladen der Desperados, Penner und Philosophen, die nur erzählten, wie es wirklich war. Auch wenn Wilco-Kopf Jeff Tweedy mit Medien-Schlagworten wie „Americana“ verständlicherweise nichts zu tun haben will – in den berauschten Artefakten seiner Band lebt der Geist von Hank und Harry ebenso weiter wie im abenteuerlichen Stilmix eines Beck oder den weisen Spätwerken von Johnny Cash. Sie alle sind auf die eine oder andere Weise „Americana“ – und ihre Musik ist Volksmusik im besten Sinne des Wortes.