Die 50 Platten des Jahres: Rezensionen der Plätze 30 bis 21


Die Musikexpress-Redaktion hat auch 2014 die Alben des Jahres gekürt. Weshalb welche Platte auf welchem Platz gelandet ist, könnt ihr jetzt online nachlesen. Hier sind die Plätze 30 bis 21.

Platz 30: SOHN – TREMORS

Die Dekonstruktion oder Umgruppierung herkömmlicher R’n’B-Strukturen ist seit drei, vier Jahren eine der beliebtesten Herangehensweisen im Pop. Es erstaunt also, dass es Künstlern hier immer noch gelingt, neue Akzente zu setzen. SOHN, der sanftstimmige Brite mit Kapuzenkutte, der in Wien – vielleicht die wichtigste Popstadt 2014, aber das ist eine andere Geschichte – sozialisiert wurde, kombiniert in Stücken wie „The Wheel“ oder „Lights“ beinahe esoterisch wirkende Post-Dubstep-Soundscapes mit abgefederten Beats und einer guten Portion emotionaler Tiefenschärfe. (Jochen Overbeck)

Platz 29: Scott Walker + Sunn O)))

Gleich mit dem Pop-Fähnchen winken, wenn Pop-Unverdächtige ein Album veröffentlichen, das nicht ganz so Un-Pop ist wie sonst? Die Zusammenarbeit des Avantgardisten Scott Walker mit der Drone-Metal-Band Sunn O))) ist kein Pop, aber „zugänglicher“ als alles, was die Be- teiligten zuletzt produziert haben. Sunn O))) liefern milde Drones und vereinzelte Gitarren-Licks und Walker singt in seinem Bariton dazu. Wir wähnen Songstrukturen in diesem Soundamalgam auszumachen, die von den Dutzenden dramaturgisch gesetzten Störeffekten nicht ins Wanken gebracht werden. (Albert Koch)

Platz 28: La Roux – TROUBLE IN PARADISE

Stumpfe Metaphern, wonach tatsächlich „trouble in paradise“ bei La Roux geherrscht haben dürfte, nachdem ihr zweites Album den Erfolg des Debüts nicht wiederholen konnte, sparen wir uns. Aber komisch ist es schon: Da hatte Elly Jackson – getrennt von Bandpartner Ben Langmaid – einen Weg gefunden, sich als Texterin ihren Ängsten zu stellen und auch eine „neue Stimme“ ganz ohne das frühere Quengeln. TROUBLE IN PARADISE wurde so zu einem sinnlichen, differenzierten (Synthie-)Pop-Album – mit mindestens vier potenziellen Radiohits. Doch das Radio knutschte mit anderen Songs. Dummes Ding. (Oliver Götz)

Platz 27: Fatima – YELLOW MEMORIES

Elektro-Soul von der anderen Seite. Die schwedische Sängerin Fatima Bramme Sey und der Londoner Produzent Sam Shepherd aka Floating Points legen die Betonung auf den Soul. YELLOW MEMORIES ist das zeitgemäße R’n’B-Album geworden, auf das alle gewartet haben. Hier knispelt die Elektronik, aber der Bass grummelt nicht mit Übermacht, Elemente aus Funk, HipHop, Boogie und Spiritual-Jazz dienen als Bühne für Fatimas außergewöhnliche Stimme. Ein Album, das in seiner Aktualität die permanenten Restaurationsbemühungen von ehemals großen Künstlern wie Prince der Lächerlichkeit preisgibt. (Albert Koch)

Platz 26: Sun Kil Moon – BENJI

Wenn Mark Kozelek alias Sun Kil Moon nicht gerade Adam Granduciel alias The War On Drugs (–> Platz 42) eine reindrückte (das aus dem Handgelenk geschüttelte „War On Drugs: Suck My Cock“), besann er sich 2014 auf die einfachen Vorzüge seines Musikerlebens: leise, mit portugiesischer Gitarre unterlegte Stolpersteine aus seinem Leben zu vertonen. Die kleinen, autobiografischen Skizzen, die er für Sun Kil Moons sechstes Studioalbum BENJI komponiert hat, haben die Zerbrechlichkeit einer Glühbirne – immer wieder zum Flackern gebracht durch Kozeleks warmen, eindringlichen Bariton. (Daniel-C. Schmidt)

Platz 25: Dean Blunt – BLACK METAL

Namen sind Schall und Rauch: BLACK METAL heißt Dean Blunts zweites Album und das stimmt inhaltlich nicht. Immerhin ist das Album black: Cover, Hülle und CD, alles schwarz. Nur im Inlay steht die Tracklist. „Country“ und „Punk“ etwa heißen die Songs. Dahinter verbergen sich minimalistische, teils mit Streichern und Saxofon aufgehübschte Dream-Pop-Fragmente ohne konkreten Anfang und Ende. Dass trotz aller Reduktion nur bei genauer Betrachtung auffällt, dass sich in der Mitte des Albums ein 13-minütiges Stück befindet, demonstriert Blunts Talent für Trance-artige Atmosphären. (Stephan Rehm)

Platz 24: Future Islands – SINGLES

„But the winter will crave what’s gone, will crave what’s gone, will CRAAAYYY- UGHHSOAR“ – Sänger Sam Herring gab den Death-Metal-Schreier, und Future Islands wurden zum Meme. Ihr Auftritt bei David Letterman wurde fast drei Millionen Mal angeklickt, das dort dargebotene „Seasons“ zum Indie-Rock-Mini-Hit. Dabei sind auf SINGLES noch schimmerndere Juwelen zu entdecken – das von Synthie-Kaskaden durchflutete „A Song For Our Grandfathers“ etwa. Herrings Sandpapier-Säuseln ist das Yin zum Yang der punktgenauen Bassläufe und den 80s-Keyboard-Betten. Zehn Hits. (Matthias Scherer)

Platz 23: Beck – MORNING PHASE

Ein paar luftige Akkorde auf der Western-Gitarre, dann spielt das Keyboard eine unendlich zarte Melodie. So begann Beck vor zwölf Jahren sein „Golden Age“ – und so setzte er es 2014 in „Morning“, dem Quasi-Opener von MORNING PHASE, fort. Vom Cover bis zu den Orchester-Arrangements seines Vaters David Campbell ist die Platte ein Sequel zum Meisterwerk SEA CHANGE. „Lonesome Tears, I can’t cry them anymore“, sang er dort. „I’m so tired of being alone“,heißt es hier. Manche Melodien sind kaum mehr als Variationen alter Songs, aber egal. Beck ist zurück. Let the golden age begin again. (Reiner Reitsamer)

Platz 22: Foxygen – …AND STAR POWER

Der leicht dahingesagte Satz „Don’t try this at home“ hätte als Sticker durchaus Platz auf Foxygens drittem Album finden können – als Warnhinweis für all die Nachwuchsbands, die in ihren Kinderzimmern sitzen und an abgefahrener Musik basteln. Mit … AND STAR POWER trägt sich die Band nicht komplett zu Grabe. Nur: Jegliche Ambitionen auf ein größeres, durch den Vorgänger jüngst sensibilisiertes Publikum dürften sich Foxygen mit dieser psychedelischen Seifenblase eines Doppelalbums (funkelnd, ausschweifend, aber innendrin schön substanzlos) erst einmal sauber verbaut haben. Irre (gut). (Daniel-C. Schmidt)

Platz 21: Wild Beasts – PRESENT TENSE

Bleiben wir ruhig im Bild: Die Wild Beasts sind eine rehscheue, ausgefuchste, wolfshungrige Band. Und – damit wird es etwas komplizierter – sie sind gleichzeitig diejenigen, die versuchen, dieses Tier zu jagen, zu begreifen, gar zu domestizieren. Übersetzt aus dem Jägerlatein bedeutet das: Die Nordengländer vervollkommnen ihren Sound, bis er ganz und gar ihrer ist, und machen dabei auf PRESENT TENSE die bislang deutlichsten Fortschritte. So präzise akzentuiert, funkgenau, beinahe schon konfrontativ kommen einem diese Songs nahe, gleichzeitig schwebt alles auf Synthesizern über den Dingen. Ungeheuer. (Oliver Götz)

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