Die Produzenten und das Meer


Zwei Männer, ein Boot, der Ozean, 40 Länder und unzählige Musiker. Als Benjamin Schaschek und Hannes Koch vor mittlerweile zweieinhalb Jahren ihr Projekt „Sailing Conductors“ starteten, wurden sie erst belächelt, dann beneidet - und schlussendlich auch bewundert.

Captain Ben und Smutje Hannes, wie sie sich später nur noch nennen werden, sind Toningeneure und haben sich an der privaten Hochschule SAE kennengelernt. Nach einer Weile gemeinsamen Studierens zog es Benjamin erstmals in die Ferne. Er beschloss seine letzten Semester in Sydney zu absolvieren, während Kumpel Hannes in Berlin blieb. Als sie das letzte Mal vor ihrem Abschluss – Benjamin auf Deutschlandbesuch –  gemeinsam um die Häuser zogen, fassten sie einen wahnwitzigen Entschluss, wie ihn eben nur Mittzwanziger mit Hang zur Kreativwirtschaft fassen können: „Wenn die Preise für Flüge von Sydney nach Berlin zu hoch sind, dann segeln wir nach dem Bachelor eben einfach zurück. Und wenn wir schon dabei sind, können wir ja eigentlich auch ein Album aufnehmen.“  So fängt die Geschichte der Sailing Conductors an.

Die Musik der Fremde

Der Plan, ob er nun noch in dieser Nacht Formen annahm oder nicht, wurde ein ambitionierter: Mit einem Boot, das erst noch gekauft werden müsste, wollten Benjamin und Hannes in anderthalb Jahren auf einer Tour, die erst noch geplant werden müsste, von Sydney nach Berlin segeln und dabei auf jeder Station Musiker, die erst noch gefunden werden müssten, aufnehmen und am Ende der Reise ein Album daraus machen.

Der pure Irrsinn – doch ein Seemann hält seine Versprechen. Nur wenige Monate später, es ist der 22. März 2011, drückt Hannes Koch, der in seinem Leben noch kein Segelboot gesteuert hat, kurz nach sieben Uhr am Morgen noch ein mal fest ein paar seiner Freunde am Berliner Hauptbahnhof, um daraufhin seine Reise zu Kumpel Benjamin Schaschek, der wenigstens einen Segelschein besitzt, ins ferne Sydney anzutreten und das Projekt „Sailing Conductors“ (dt. segelnde Dirigenten) zu starten.

Piraten und der Atlantik

Seit diesem Tag sind nun fast zweieinhalb Jahre vergangen, in denen Einiges passiert ist: Captain Ben und Smutje Hannes haben tatsächlich zwei Kontinente, Ausflüge zu den Aborigines und in entlegene Winkel des Himalaya-Gebirges, einen Segeltörn vorbei am Piratenstaat Somalia und eine Überquerung des Atlantik hinter sich gelassen und natürlich unzählige Musiker getroffen, für ihr Projekt begeistert und aufgenommen.

Die Mathematiker werden es bemerkt haben: Zweieinhalb Jahre sind ein Jahr mehr als die beiden Seebären mit den mittlerweile wilden Haaren und vollen Bärten auf ihrer betagten Segelyacht „Marianne“ vorgesehen hatten. Nach ihrem Stopp in Südafrika im vergangenen Winter jedoch sahen Benjamin und Hannes, was sie bis dahin schon geschafft hatten und wie ihre Popularität stetig zunahm – sogar eine eigene Fernsehsendung erschien plötzlich auf dem Radar der Möglichkeiten. So beschlossen die musizierenden Seemänner nach Pazifik und Indischem Ozean auch dem Atlantik einen genaueren Blick zu widmen. Obendrein fehlte wegen des nötigen Schlenkers um die Piraten der afrikanischen Westküste nicht mehr viel zur Überquerung dieses dritten Ozeans.

In der vergangenen Woche nun haben der Captain und sein Smutje Französisch-Guyana erreicht. „Endlich mal wieder in Euro zahlen!“, freut sich Hannes, der sich stolz, wenn auch etwas erschöpft, im Stress des ersten eigenen Album-Releases suhlt.

Das erste Album „AAA“

„AAA“ – Australien, Asien und Afrika – heißt das Erstlingswerk der „Sailing Conductors“ und ist am 13. September 2013 auf For Headphones Only Records, dem eigenen Label der beiden Segler, erschienen. In über zwei Jahren haben Benjamin und Hannes mit ihrem mobilen Aufnahmestudio unterschiedliche Melodien, Rhythmen und Stimmen eingefangen, um sie am nächsten Ort, vielleicht im nächsten Land, anderen Musikern über Kopfhörer als Vorlage für weitere Tonspuren dienen zu lassen oder auch das eine oder andere Mal selbst zum Instrument zu greifen.

Nach und nach wurden aus den Parts vollständige Songs, die die verschiedenen Musikstile und Kulturen der drei Kontinente vereinen. Keiner der 14 Titel auf „AAA“ gleicht dem anderen. Das könnte den Makel des Albums ausmachen oder aber den Reiz, da es zwingt genauer hinzuhören und den Geschichten zu lauschen, die jeder einzelne Song und seine Erzeuger zu erzählen haben. So reiht sich die Countryballade „Crazy“ vor dem tragisch-schönen, herzzerreißenden „ Seropositivo“ und nur zwei Titel hinter der ersten Single „ Kalighata“ ein, mit der den segelnden Dirigenten ein so zeitgemäßes wie ungewöhnliches Stück aus fremden Klängen, Anleihen aus Pop und Rock und treibenden elektronischen Klängen und Kniffen gelungen ist.

Im Hafen von Rostock im August 2014

Auch wenn ihre Entstehungsgeschichte vor der Musik selbst steht: „AAA“ wird mit Sicherheit nicht der letzte Streich des Smutjes Hannes und seines Captain Ben bleiben, die bis zu ihrer Rückkehr in den heimatlichen Hafen unter anderem noch die Karibischen Inseln und einen Besuch in den USA vor sich haben. Im August 2014 zur Rostocker „Hansesail“ wollen die „Sailing Conductors“ wieder deutschen Boden betreten und ihre Reise beenden. Wenn denn nicht das Nordmeer dazwischen kommt.