Die Puppen tanzen lassen


Delphic

Raus aus der Schaffenskrise, rauf aufs Partyboot. Delphic brechen auf zu neuen Ufern. Aber das Rappen lassen sie trotzdem lieber bleiben.

Das Video zur Single „Baiya“ ist das erste der Band, in dem Richard Boardman, Matt Cocksedge und James Cook selbst in Erscheinung treten. Und was machen sie? Sie hauen sich auf die Schnauze. Ist zwar alles nur gespielt, aber ein Fünkchen Wahrheit lässt sich darin schon finden. Nach dem gefeierten Debüt Acolytes und zwei Jahren ausgiebigen Tourens ist es ein wenig eng geworden im Hause Delphic. Deshalb waren die Arbeiten am Nachfolger anfangs ein zermürbender Kampf gegen Blockaden. Geholfen haben die üblichen Hausmittel: ein bisschen Urlaub, ein bisschen Abstand, die Erkenntnis, dass es der zwischenmenschlichen Situation durchaus zuträglich sein kann, wenn man neben Bühne und Nightliner nicht auch noch die Wohnung teilt.

Nur folgerichtig ist auch die Antwort auf die Frage, was man sich denn als ideales Setting für eine Liveperformance des Zweitlings Collections vorstellen könne: ein Schiff. Man sei so viel durch düstere Clubs getourt, da wäre so ein Boat-Gig unter freiem Himmel, vor der Küste Miamis zum Beispiel, doch eine willkommene Abwechslung. Bikini-Damen und minzige Drinks inklusive. Auch in musikalischer Hinsicht würde dieser Ortswechsel Sinn ergeben. Bewegen sich Delphic doch vom Dance-Pop ein Stück weg, über schwelgerische Arrangements und moderne HipHop-/R’n’B-Rhythmen hin zum großen Pop. Den muss ohnehin endlich jemand vom Guetta befreien. Und wenn Delphic dabei auch noch etwas gegen das austauschbare ätherisch-sumpfige Image heutiger Indie-Bands tun können – umso besser!

„Wir wollen davon kein Teil sein“, erklärt der erkältete Multiinstrumentalist Boardman: „Beide Enden des Spektrums sind so langweilig geworden.“ Matt Cocksedge ergänzt: „Cool zu sein, ist musikalisch einfach. Es ist viel schwieriger, Pop und dabei musikalisch interessant zu sein.“ Delphic haben sich deshalb Hilfe geholt: DFA-Kopf Tim Goldsworthy darf das Dance-Erbe der Band verwalten, der Amerikaner Ben Allen (u.a. Puff Daddy, Animal Collective) zeichnet verantwortlich für die beatlastigeren Stücke und die Abmischung des Albums.

Die Arbeiten in Allens Studio in Atlanta – Zentrum der HipHop-Welt ca. 2009 – haben dabei bleibenden Eindruck hinterlassen: „Du fühlst es, wenn du dort bist. Wir wollten nur noch in SUVs über Highways cruisen und HipHop-Platten machen.“ Das Rappen hat Sänger James Cook nach ersten Versuchen dann aber doch lieber wieder gelassen. Besser hat es funktioniert, die Qualitätsprüfung des HipHop aufs eigene Produkt anzuwenden: „Es gibt in Atlanta unzählige Stripclubs. Die Studiotechniker haben uns erzählt, dass die Rapper dort ihre neuen Tracks auflegen und schauen, ob die Mädchen dazu tanzen. Dann wissen sie, ob der Track gut ist. Natürlich haben wir das mit unserem Album auch gemacht.“ Pause. „Sie haben alle getanzt.“

Albumkritik S. 82, CD im ME S. 19