Doors – Die Geschäfte der Jim Morrison GmbH & Co KG


„Tote schlafen nicht immer fest. 13 Jahre nach seinem Tod gerät Jim Morrison wieder verstärkt in die Schlagzeilen: Eine „neue“ Live-LP, diverse Bücher und Film-Projekte – besonders in den USA treibt der Morrison-Kult ungeahnte Blüten. Dabei handelt es sich nicht nur um musikalische Denkmalpflege, sondern offensichtlich auch um zwielichtige Geschäfte. Anläßlich einer PR-Tour durch Europa sprach ME/Sounds mit den Doors-Mitgliedern Ray Manzarek und John Densmore.

Der Tod macht uns alle zu Engeln.“ Jim Morrison schrieb das, als er durch Alkohol sanft und schlaff gemacht – von vielen nur noch als tragische Comic-Figur eingestuft wurde. Vielleicht wußte er, daß die einzige Möglichkeit, seine verlorene Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen, in dem Schritt auf die andere Seite bestand…

Als Lennon starb, verbreitete die „Prawda“ das Gerücht, er sei von seiner Plattenfirma ermordet worden, um die Verkaufszahlen seines Albums anzukurbeln. Ein schlechter Witz, sicher – aber es gibt tatsächlich nichts Besseres als den Tod, um dem Geschäft unter die Arme zu greifen.

Der Tod machte einen völlig bedeutungslosen kleinen Narren wie Sid Vicious zur Kult-Figur; der Tod machte Joy Division zu einer „wichtigen“ Band; der Tod verhalf den schwachbrüstigen Folk-Songs eines Jim Croce zu edlem Glanz. Der Tod machte Hendrix und Joplin unsterblich, obwohl beide ihren Höhepunkt längst überschritten hatten, als der Sensenmann klopfte.

Das bemerkenswerteste Beispiel für posthumen Erfolg aber ist sicher das Doors-Revival, sorgfältig koordiniert von Daniel Sugerman. dem Manager von Ray Manzarek und Autor der Morhson-Biografie „No One Here Gets Out Alive“. Keyboarder Ray Manzarek. Gitarrist Robbie Krieger und Drummer John Densmore dürften für den Rest ihres Lebens vom Ruhm vergangener Tage zehren können – jedenfalls solange die Doors-Industrie und der Morrison-Mythos laufen.

Manzarek und Densmore machten kürzlich in München Station, um für ALIVE SHE CRIED die Trommel zu rühren das „neue“ Doors-Album mit Live-Aufnahmen von 1968 bis 1970. Zu diesem Anlaß wurden ein peinliches „Tribute To Jim“-Video vorgeführt sowie ein Werbe-Clip aus Dänemark, in dem die Band „Love Me Two Times“ spielt.

Die Musik sprach ihre eigene Sprache: Die frühen Doors waren zweifellos eine überwältigende Band, der keiner ihrer Nachahmer das Wasser reichen könnte; der Anblick reicher Amerikaner aber, die am Strand von Hawaii oder an ihrem Swimmingpool sitzen und „Morrison den Schamanen“ preisen, war schließlich doch ermüdend.

Alte Wochenschau-Ausschnitte mit Morrison-Interviews waren nicht minder einschläfernd: Mit weitaufgerissenen Augen und völlig weggetreten auf diversen Chemikalien, bringt der arme alte Jim überhaupt nichts auf die Reihe: „Ich … äh … wir … äh … haben noch nicht richtig, verstehst du“. flüstert Morrison schwach,“.wir … äh … haben noch keinen Song geschrieben, der so was ausdrückt wie Freude … totale Freude. Das ist was … äh … was ich wirklich machen will.“

Ich frage Manzarek und Densmore, ob sie es nicht leid seien, als Sprecher für eine Band durch die Welt zu reisen, die seit 13 Jahren tot ist.

Densmore, eine kleine und zerbrechlich wirkende Gestalt in einer bestickten Indianer-Weste, antwortet als erster: „Ich war schlicht überrascht von den Reaktionen auf diese Platte. Und ich finde das aufregend so eine Art Wiedergeburt. Ich habe kürzlich .Gloria‘ im Radio gehört und wurde richtig kribbelig. Weißt du, AMERICAN PRAYER (das Album mit Morrison-Gedichten zu nachträglich von den Doors aufgenommener Musik) lag fünf Jahre zurück ich wußte, daß das Projekt reichlich esoterisch war und nicht im Radio gespielt werden würde. Heute ist die Reaktion wie: .Hey, hier ist eine neue Band.‘ Trotz dieser Resonanz kümmern wir uns alle intensiv um unsere eigenen Projekte.“

Manzarek, groß und breitschultrig, im schwarzen Anzug und roten John Coltrane-T-Shirt, spricht in dröhnendem, schulmeisterlichem Ton: „Die Doors zu sein, steht allem, was wir heute tun, nicht im Wege. Wir mögen die Doors, das war eine tolle Band. STRANGE DAYS – whew! Eins meiner Lieblings-Alben. ,1 Can’t See Your Face In My Mind‘ – ich liebe diesen Song. Wundervolle, ganz wundervolle Musik!“

Densmore fängt an zu kichern:

„Wenn du das sagst…“ „Na gut, ich war nur ein Viertel davon“, meint Ray gereizt, „Diegrößten Doors-Fans sind vermutlich die Doors selber.

Wir sprechen über das neueste Produkt des Doors-Teams: „Die’illustrierte Geschichte der Doors“, eine Zusammenstellung alter Zeitungs-Ausschnitte und Fotos. Laut Densmore „das beste Sammelalbum, das man sich vorstellen kann“. Rein zufällig kam es in den USA direkt nach ALIVE SHE CRIED auf den Markt.

Das Buch dreht sich – wie schon „No One Here Gets Out Alive“ – hauptsächlich um das berüchtigte 1969er Doors-Konzert in Miami, bei dem Morrison angeblich das Publikum mit dem Anblick seines Penis beglückte. Die Doors beharren darauf, daß er das nie getan hat.

„In gewissem Sinne“, meint Manzarek und wird philosophisch, „hat sich Jim immer zur Schau gestellt. Er kam auf die Bühne wie ein nackter Mensch. In Miami lief die ganze Sache irgendwie so: .Ich stehe nackt vor euch. Psychologisch bin ich völlig entblößt – und es kümmert euch einen Dreck. Ihr wollt noch mehr. Soll ich vielleicht… ?

Das nächste Doors-Projekt soll nun ein Film über Jim Morrison werden…

Densmore: „Am Buch .No One Here Gets Out Alive‘ hat mir nicht gefallen, daß es den .Morgen danach‘ ausgelassen hat. Die ganze Trunkenheit und die Ausschweifungen sind drin. aber Jim den Arbeiter und Jim den Dichter bringt’s nicht adäquat rüber. Wenn er nüchtern war, war er ein harter Arbeiter und ein sehr guter Kumpel. Er ist im Süden groß geworden und hatte viel von diesem Gentleman-Charme des Südens. Unser Film soll auch diese Seite seines Charakters zeigen.“

In der Presse gab es Mutmaßungen, daß John Travolta die Rolle von Morrison spielen solle.

„Auf gar keinen Fall“, sagt Manzarek. “ Wir haben ihn abgelehnt. Regisseur Brian Di Palma dreht jetzt einen Film mit Travolta als dekadenten Rock-Star, der stirbt. Der Film heißt ,Fire‘ – und Travolta trägt schwarzes Leder und schreibt Gedichte.“ (Gelächter.) „Aber das ist eine fiktive Geschichte. Es muß eine sein, weil wir die Rechte an der Doors-Story haben.“

Manzarek, Densmore und Krieger haben seit AN AMERI-CAN PRAYER 1978 nicht mehr als Gruppe zusammengespielt.

Inzwischen laufen ihre eigenen Projekte sporadisch weiter, obwohl man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß ihre Solo-Karrieren eine Art Hobby-Status angenommen haben.

Krieger hat in letzter Zeit offensichtlich nicht allzu viel gemacht, außer gelegentlich mit Adam And The Ants (!) zu jammen. Manzarek übernimmt einmal im Jahrdie Rolle des Produzenten, um der Gruppe X aus Los Angeles unter die Arme zu greifen. Er spielte auch die Keyboards zu Annabel Lambs neuer Version der Doors-Nummer „Riders On The Storm“. Und er hat gerade eine Rock-Version der Carl-Orff-Kantate „Carmina Burana“ veröffentlicht, produziert von dem Komponisten Philip Glass.

Was John Densmore betrifft, so kann er die ersten Erfolge einer Karriere als Schauspieler verbuchen. Er trat mit Malcolm McDowell in der Zelluloid-Komödie „Get Crazy“ auf und hat gerade in Los Angeles eine Ein-Mann-Theater-Show auf die Bühne gebracht.

Schließlich ist die Unterhaltung wieder bei Morrison, dem Archetyp des ausgebrannten Rock-Stars. Ich frage Manzarek, ob er das letzte Lennon-Interview im „Playboy“ gelesen habe, in dem sich John gegen den Kult um tote Popstars wendet.

„Ja“, lacht Manzarek, „und jetzt gehört er selbst dazu. Interessanterweise ist der 8. Dezember sowohl Lennons Todestag als auch Morrisons Geburtstag. Denkwürdiger Tag in der Geschichte. Tja, sie sterben jung. Man kann verstehen, warum sich dieser morbide Kult um tote Popstars bildet. Alle echten Stars sind tot. Janis, Hendrix, Morrison, Lennon, Presley. Nur Mick Jagger ist noch übrig.“

Ist es das eigentlich wert, sich für ein paar Jahre Ruhm so fertigzumachen?

Worauf es eigentlich ankommt, ist die Intensität des Lebens. Wenn du lebst, um 87 Jahre alt zu werden, aber rein gar nichts erlebt hast – was soll das? Deswegen kann ich nicht einmal traurig darüber sein, daß Morrison nicht mehr unter uns ist. Er hatte in seinen 27 Jahren ein derart intensives Leben.John Lennon. Elvis Presley – mein Gott, was für ein Leben! Sie sterben jung – aber vielleicht ist das wirklich der Preis für die Ekstase. „