Elza Soares & Co: Tag 3 beim Le Guess Who? Festival


Neue und alte Helden: Am dritten Tag des Festivals in Utrecht kann nicht jeder überzeugen.

Der Weg zur Janskerk scheint sich bei der diesjährigen Ausgabe des Le Guess Who? besonders zu lohnen: Bereits am Vortag spielte der Akkordeonist Mario Batković ein eindrucksvolles Konzert im Gotteshaus, diesmal sind und Áine O’Dwyer und Circuit Des Yeux an der Reihe: Letztere, mit bürgerlichem Namen Haley Fohr, entlockt ihrer Gitarre mit allerlei Effekten eine dramatische Geräuschkulisse, durch die immer wieder ihre markerschütternde Stimme bricht. Das ist Meditationsmusik im besten Sinne.

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Áine O’Dwyer

Anders O’Dwyer: Die Irin hockt während ihrer Performance auf der Kanzel, an der ein Spiegel angebracht ist, durch den man ab und zu einen Blick auf sie erhaschen kann. Sie lässt Gegenstände fallen, singt und spielt hohe, fast Tinnitus-artig langezogene Töne auf der Orgel.

Wer mit O’Dwyers Horrormusik wenig anfangen kann, für den ist Julia Holter zur Stelle, deren Live-Qualitäten man nie genug loben kann: Holters Phrasierungen, insbesondere in ruhigen Stücken wie „Betsy on the Roof“, klingen noch eine Spur genauer als auf ihren Alben. Gleiches gilt für ihre Band: Mit Bratsche, Saxofon, Schlagzeug und Bass eher spartanisch aufgestellt, gelingt es den Musikern, Holters detailverliebten Sound sauber auf die Bühne zu bringen. Sogar die Ambient-Stücke aus ihrem Frühwerk können überzeugen.

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Elza Soares

Auf Holters Konzert folgt der Auftritt einer echten Legende: Elza Soares, die 79-jährige Sängerin aus den Favelas von Rio de Janeiro, sitzt, wie es sich für eine Diva gehört, auf einem Thron und blickt auf ihre Band herab: vier junge Musiker aus São Paulo, die gemeinsam mit ihr das Album A MULHER DO FIM DO MUNDO aufgenommen haben, die Frau am Ende der Welt. Es ist der mehr als gelungene Versuch, Soares‘ wunderschön gealterte, kratzige Stimme mit der brasilianischen Musik des 21. Jahrhunderts zu vereinen, mit Elementen von Indie, Prog und Folk. Auch live klingt die Kombination fantastisch. Es verwundert nur, dass Soares als Zugabe „Maria da Vila Matilde“ spielt, ein Lied vom neuen Album, dass bereits am Anfang des Sets vorkam. Wer auf eine über 50-jährige Karriere zurückblicken kann, hat das eigentlich nicht nötig.

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Ladybug (Digable Planets)

Ebenfalls ihren dritten Frühling feiern Digable Planets, Hip-Hop-Veteranen aus Brooklyn, die zum wiederholten Mal auf Reunion-Tour sind. Ihre beiden Alben, darunter der Jazz-Rap-Meilenstein BLOWOUT COMB von 1994, sind hervorragend gealtert, was leider nichts daran ändert, dass das Trio Schwierigkeiten hat, live wirklich zu begeistern. Butterfly (inzwischen bei den Shabazz Palaces), Ladybug und Doodlebug werden zwar von einer fünfköpfigen Live-Band unterstützt, die die alten Beats sehr satt und originalgetreu auf die Bühne bringt, doch bis auf ein frenetisch bejubeltes Schlagzeugsolo scheint sich das Publikum nicht recht warm zu werden.

 

Tim van Veen
Jelmer de Haas
Jelmer de Haas