Farbenspiele


Wer gut gekleidet ist, entscheidet Jan Joswig. Heute vor dem Stilgericht: Iggy Azalea

Da dreht sie ihn uns entgegen, ihren Rasse-Hintern, das Doppel-Bumm des Diskurs-Anstoßes. An diesem Foto von Iggy Azalea ist interessant, was nicht zu sehen ist (nur angedeutet durch die Drehung). Ihr sexy Outfit, bei dem sich von den Haaren über das Top bis zum Minirock das blümerante Pastell an ihre Haut ranpellt, unterscheidet sich nicht von dem weißer Partyluder wie Paris Hilton oder Lindsay Lohan, vulgär und kaputt. Aber der Hintern steht für Iggy Azaleas Dreh in einen ganz anderen Diskurs: den der afroamerikanischen Booty-Kultur aus dem HipHop, selbstironisch und stark. Das ist in ihrem Video zum Stück „Pussy“ zu sehen. Mit dem Clip schaffte es die 22-jährige Australierin über Nacht aus der Obskurität zur YouTube-Berühmtheit mit Plattenvertrag bei Grand Hustle Entertainment und ausverkaufter New Yorker Show.

Bildzentral inszeniert sie im „Pussy“-Video ihr Doppel-Bumm. Aber das alleine würde noch keine Booty-Kultur ausmachen. Im Video platziert sich Iggy Azalea in einem ausschließlich afroamerikanischen (Ghetto-)Umfeld: Ihre Mädchentruppe besteht aus Schwarzen; schwarze Jungs lungern mit Kampfhund vor Autos herum; die Oma ist schwarz; das Kind, das sich wie ein Sohn an Iggy Azalea schmiegt, ist schwarz. Iggy Azalea ist keine Weiße mit einem schwarzen Hintern, sondern eine Schwarze falscher Hautfarbe.

Diese Rassentravestie, bei der man mit den ethnosexuellen Rollenklischees der Anderen kokettiert, wurde in der Popkultur schon mit umgedrehter Besetzung durchgespielt. Schwarze Männer versuchten, von der weißen Kultiviertheit zu profitieren. Die Discoband Chic macht es sich auf dem Cover ihres zweiten Albums C’est Chic von 1978 in Anzügen mit Krawatte plus Einstecktuch und in einem Kunstband blätternd in einem hochherrschaftlichen Marmorsaal mit Parkausblick heimisch, spielt mit den Insignien der weißen Großbourgeoisie. Dieser Strang reicht bis zu Kanye Wests Preppy-Ausstaffierung. Statt geheimer Aufstiegswünsche formulierten Chic damit einen Kommentar zum strukturellen Rassismus im Land of the Free. Ähnlich bringt sich Iggy Azalea in die schwarze Booty-Kultur ein. Weiße Frauen sind zickige Bohnenstangen und schwarze Männer überbestückte Sexprotze? Iggy Azalea und Chic kapern die gegenteiligen Rollen – und wirken dabei genauso glamourös wie ironisch.

Jan Joswig ist studierter Kunstgeschichtler, wuchs in einer chemischen Reinigung auf, fuhr mit Bowie-Hosen Skateboard und arbeitet als freier Journalist für Mode, Musik und Alltag. Was LL Cool J in den Achtzigern die Kangolmütze bedeutete, ist ihm der Anglerhut.