Flucht in die Sonne


Der Erfolg war mehr hinter ihm her als anders herum. Nach über "30 Jahren hängt der Soft-Machine-Gründer Kevin Ayers mit den Füßen immer noch ein gutes Stück in der Luft.

Kevin Ayers ist zurück. Es gibt Leute, die nennen so etwas ein Wunder: 16 Jahre nach seiner letzten Platte und über 30 Jahre, nachdem die Aussicht auf eine große Karriere an seiner Launenhaftigkeit scheiterte, hat er ein neues Album gemacht. Und diese Platte, die er mit musikalischer Unterstützung zahlreicher prominenter Fans (von Teenage Fanclub bis Architecture In Helsinki) aufgenommen hat, knüpft auch noch nahtlos an die charmant naive Schrulligkeit von Ayers besten Werken der Siebziger an.

„Ich war komplett fertig“, brummt Ayers, inzwischen 63, in seinem warmen unverkennbaren Bariton.

„Ich habe eine schwere Depression hinter mir, mit Psychopharmaka und allem, was dazugehört. Ich lag eigentlich schon im Grab, man hätte nur noch Erde draufwerfen müssen. Aber das wollte ich nicht, also bin ich mit aller Kraft noch einmal rausgeklettert.“ Er legt die Hand auf das Cover seiner CD: „This is me fighting back.“

Kevin Ayers, der 1966 in Canterbury die Psychedelic-Pioniere The Soft Machine gründete, diese aber bald wegen allzu akademischer Jazz-Tendenzen der anderen Bandmitglieder verließ, ist eines der seltsamsten Phänomene der Pop-Geschichte: ein Star, der nie einer war. Eine Legende, eine Kultfigur, ein Anti-Held ohne jeden Sinn für solche Zuschreibungen.

Er hatte alles, was es braucht, um ein großer Pop-Musiker zu werden: Er sah mit seinen blonden Engelshaaren und dem hübschen Gesicht aus wie der Posterboy des Psychedelic Movement. Er konnte Songs schreiben, die man, wenn man sie einmal gehört hatte, nie wieder vergessen sollte: Seine Lieder über fliegende Fische, lange Mondnächte, die Freuden von Wein, Weib und Gras gehören zum Leichtfüßigsten, was in jenen Hochzeiten überambitionierten Psychedelic-, Jazzrock- und Prog-Gedudels entstand. Und er bewegte sich unter den besten Musikern jener Ära, die alle auf seinen zahlreichen Soloplatten spielten: der 17-jährige Mike Oldfield, Andy Summers (später bei Police), sogar Syd Barrett kam zu einer Session hereingeschneit. Aber, so geht die Legende: Wann immer der große Erfolg drohte – und der drohte des Öfteren -, büchste Ayers aus. Immer wieder flüchtete der Star, der keiner werden wollte, in die Sonne und genoss die schönen Seiten des Lebens.

Sitzt man Ayers, einem schüchternen, freundlichen Mann von unbeholfener Offenheit, gegenüber, wird schlagartig klar, warum dieser Typ nie ein Popgott geworden ist. Ayers, mit seinem grünen Samtjackett und den immer noch langen blonden Haaren ein unverkennbares Produkt der Hippieära, seufzt: „Erfolg bedeutet für mich nicht Geld oder Ruhm. Ich hatte allen Erfolg, den ich haben wollte. Aber bestimmte Dinge kann man nur tun, wenn man jung ist. Das war mir früh klar. Ich wollte, so lange ich jung bin, viel reisen, Erfahrungen sammeln, mich berauschen. Das geht später nicht mehr. Ich konnte nicht verstehen, warum ich stattdessen in Backstageräumen und Studios rumhocken sollte.“

Ayers größte Leistung: Er trieb dem Hippietum jegliche Schwere und Gespreiztheit aus. Als die anderen 18-minütige Songs über weinende Schwäne schrieben, komponierte er auf psychedelisierten Alben wie JOY OF A TOY und BANANAMOUR einen leichtfüßigen, ironischen Popsong nach dem anderen. Man könnte Ayers in seiner britischen Exzentrik als leichtherzigen Zwilling seines Bekannten Syd Barren begreifen. Auch wenn Ayers dies von sich weist: „Als ich Syd 1968 kennen lernte, war er schon dabei, in sich selbst zu verschwinden. Ich habe mich Syd sehr verbunden gefühlt, aber wir waren schon sehr unterschiedlieh. Ich bin letztlich ein positiver Mensch, ich bin froh, dass diese Seite meine dunkle Ader und die Depression der letzten Jahre besiegt hat.“

Dass THE UNFAIRGROUND, die neue Platte, auch künstlerisch ein Triumph werden konnte, hat mehrere Gründe: Zum einen sind es Ayers‘ rührende Songs, die diesmal noch präziser ausgefallen sind, was Ayers mit seiner typischen Weniger-ist-mehr-Logik erklärt: „In der Lyrik faszinieren mich vor allem die japanischen Haikus. Ich mag es, wenn die Wörter maximal kondensiert werden. Das habe ich immer schon gemacht, aber mit den Jahren werde ich darin immer besser.“

Zum anderen sind es die zahlreichen tollen Musiker (neben diverser Indie-Prominenz Phil Manzanera von Roxy Music und die einstigen Soft-Machine-Kollegen Hugh Hopper und Robert Wyatt), die sich ganz in den Dienst des großen Umambitionierten stellen und seine Songs bunt und einfühlsam instrumentieren. Vor allem aber beeindruckt, wie es der ewig jugendliche Ayers schafft, das schwierige Leitthema des Alterns durch das Album laufen zu lassen. „Nein“, wehrt Ayers ab, „man wird leider nicht klüger. Aber man lernt, aus den Angeboten der Welt besser auszuwählen. Die autoritären Lügen bleiben dieselben, aber man lernt, sie besser zu durchschauen.“

www.kevin-ayers.com