Interview

„Herbert hat viele Schnitte unter seinem Panzer“


Zum Kinostart von „Herbert“ erklären Hauptdarsteller Peter Kurth und Regisseur Thomas Stuber, wie man die Krankheit ALS authentisch auf die Leinwand bringt.

Herbert Stamm ist Ex-Boxer. Einer, der mit dem Leben schon längst abgeschlossen hat. Als Geldeintreiber zertrümmert er Leuten die Nase, als Vater lässt er sich nicht bei seiner Tochter blicken. Er treibt sich in Leipzigs Kaschemmen und im Boxclub rum. Als ein Arzt ihm die Nervenkrankheit ALS – richtig, die Krankheit, die durch die „Ice Bucket Challenge“ bekannter wurde – diagnostiziert, muss er sein Leben noch einmal neu ordnen.

Im Interview mit ME.MOVIES erklären „Herbert“-Regisseur Thomas Stuber, 34, und sein Hauptdarsteller Peter Kurth, 58, warum man Herbert trotz seiner ruppigen Art mögen kann und wie ein ALS-Patient das Drama zu dem gemacht hat, was es ist.

ME.MOVIES: Herr Kurth, mögen Sie Ihre Figur Herbert eigentlich? 

Peter Kurth: Ja, weil er ein Mensch ist. Ganz einfache Antwort.

Gut, so ein ISIS-Terrorist ist auch ein Mensch. Den mag man ja auch nicht zwangsläufig…

Thomas Stuber: Aber über die haben wir ja keinen Film gemacht. Was Peter sagen möchte: Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht denkt, ist der Herbert ein Typ, den man mögen kann, richtig?

Peter Kurth: Richtig.

Muss der Zuschauer Herbert mögen?

Peter Kurth: Müssen nicht, nein. Wenn sich die Leute erst einmal für die Figur interessieren, reicht es. Wenn die Zuschauer dann im Kino sind, habe ich keine große Angst mehr, dass wir daran andocken können. Beziehungsweise, dass Herbert bei den Leuten andocken kann.

Als was war der Film denn eigentlich angelegt? Als Geschichte über die Krankheit ALS oder als Porträt über einen rauen Typen, der wegbricht?

Regisseur Thomas Stuber.
Regisseur Thomas Stuber

Thomas Stuber: Letzteres. Mein Co-Autor am Drehbuch, Clemens Meyer, und ich haben uns zu Beginn des Schreibens nur Gedanken über die Figur gemacht, mit der der Film beginnt. Botschaften, Krankheiten oder das Genre Boxerfilm haben da noch gar nicht reingespielt. Wir wollten zuerst eine Figur in all ihren Facetten haben. Und die macht es einem als Zuschauer am Anfang vielleicht nicht leicht. Ich bin aber überzeugt, dass nach den 109 Minuten niemand unberührt von Herberts Schicksal bleibt. Er ist einer, der ja zu Beginn des Films eigentlich schon nicht mehr an der Gegenwart teilnimmt, unter seinem Panzer aber ganz viele Schnitte hat.

Der Film spielt in Leipzig, Ihr verzichtet damit auf die bekannten Panoramen aus Berlin oder Hamburg, die man in so vielen deutschen Produktionen sieht. Warum dieser Standort für die Geschichte?

Peter Kurth: Wir haben den Film bereits in Toronto und Moskau aufgeführt. Überall wurden wir zwar nach Leipzig gefragt, weil es aus Sicht der Leute im Ausland ja irgendeine Kleinstadt ist. Und trotzdem konnten selbst die Zuschauer dort etwas aus dem Film herausnehmen. Es ist also egal, wo die Geschichte verortet ist. Und wenn jemand es nötig hat, für seinen Film unbedingt die bekannten Städtepanoramen aus Hamburg zu benutzen, dann ist ja schon was faul.

Was war beim Spielen der Figur schwieriger: Der Verlust der Sprache oder die beschränkte Mimik und Gestik?

Peter Kurth: Kann ich gar nicht so genau sagen. Zuerst musste ich mich ja auf das Milieu vorbereiten, die Krankheit kam erst später. Manchmal war es dann aber schon schwierig, auf die richtige Art und Weise eine Tasse Kaffee einzugießen.

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Wie lernt man die Krankheit ALS zu spielen?

Thomas Stuber: Meine Recherche begann ganz einfach im Internet. Dort habe ich Harry Köppel kennengelernt. Er leidet selbst an der Krankheit, kann gerade noch so mit einer Hand einen Sprachcomputer bedienen. Über Skype-Sessions hat er mir viel über ALS beigebracht, dadurch hat sich auch unser Drehbuch noch einmal sehr verändert. Harry wohnt in Basel, ich bin auch mehrfach zu ihm gefahren. Und kurz vor dem Dreh habe ich Peter mitgenommen. Im Nachhinein ist auch klar, dass der Film überhaupt nicht funktioniert hätte, wenn wir nicht so viel Zeit mit Harry verbracht hätten. Peter konnte Fragen stellen und einfach zuschauen, wie ein ALS-Patient den Alltag meistert.

Was für Reaktionen kamen bisher von ALS-Patienten?

Thomas Stuber: Harry fand den Film großartig, wenn auch schmerzhaft. In Leipzig hatten wir eine Patientin, die es im Saal nicht mehr ausgehalten hat. Sie war so berührt, dass sie irgendwann raus musste aus dem Kino. Ich glaube aber, das heißt, dass wir die Arbeit richtig und konsequent gemacht haben.

„Herbert“ läuft seit dem 17. März im Kino. Den Trailer zum ALS-Drama könnt Ihr Euch hier anschauen: 

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