Hirnflimmern


How I Wrote Austria Rocknacht

Neulich verschlug es mich auf einen Event der Sonderklasse. Ich sag Ihnen, da geht ein Trend um, und wenn Sie nicht aufpassen – weil die Preußen ja doch alles nachmachen, was bei uns in Minger los ist-dann stehen Sie bald auch auf einer „Austria Rocknacht“. Seit Monaten schon haben mich meine Freundinnen Ane und Mia angespitzt: Da gibt’s a Szene, da musst’hin, zur Austria Rocknacht! Mir war gar nicht bewusst gewesen,dass meine Freundinnen Ane und Mia so spezielle sentimentale Adern haben, die schwellen und regelrecht aufbrechen, wenn man alte Austropop-Schnulzen draufschmiert.“Da schmilzt das Eis von meiner Seel‘!“, behauptet Ane, die dann gern auf ihren Austro-Ethno-Background hinweist.

Wir kommen also da hin, als sich gerade schon einer der (in der Folge in kürzer werdenden Abständen vom DJ herbeigeführten) emotionalen Höhepunkte des Abends ergießt: Der DJ haut Rainhard Fendrichs „Weus’da Herz hast wie a Bergwerk“, „Du entschuldige i kenn di“ von Peter Cornelius und „Überdosis G’fühl“ von STS hintereinander raus, das Publikum liegt sich mit einer pathetischen Inbrunst in den Armen, wie ich sie allenfalls von Oasis-Konzerten kenne. Erweichte Gemüter, wo man hinblickt. Die Kommunikation auf dieser Fete besteht vorrangig darin, dass die Leute mit-und sich gegenseitig ansingen. Heißt: Smalltalk-Geplänkel bringt einen hier nicht weiter, schon gar nicht Nerd-Schlaumeiereien a la „Kennst du eigentlich die William-Orbit-Remixes von Nickerbocker & Biene?“ Es geht allein um Textfestigkeit. Und den nötigen Alkoholisierungsgrad, um aus letzterer auch was zu machen.

Und ja, irgendwann bin ich vorgeweicht und jetzt spielt der DJ „Fürstenfeld“, die, äh, Albumversion, versteht sich, mit dem langen Intro. Sie wissen schon. Alles singt beseelt mit, kommt auf Betriebstemperatur, antizipiert schon die vertraute Akustikgitarre, die gleich einsetzen wird-und dann macht der DJ einen „witzigen Bruch“: blendet hart aus und knallt die Spider Murphy Gang rein. Nichts gegen die Spider Murphy Gang. Aber das sind nicht mal Österreicher. Eine halbe Stunde später sind wir immer noch durch den Wind vom Schock. Das Urvertrauen ist hin.

Verstörend auch, was für verschüttete Speicherinhalte bei so einer Nostalgierutsche zum Vorschein kommen. Es heilst ja, das Gehirn vergisst nix, nur, wie soll man sagen: der Mensch drumherum, ich hätte zum Beispiel spontan gesagt: Ich kenne die Bai lade „Der Sandlerkönig Eberhard“ C.das Auge rot, die Leber hart‘) von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung nicht. Mein Gehirn aber weiß es besser und nickt zu meinem Erstaunen bei jeder Textzeile wissend mit, offenbar in Erinnerung schwelgend. Was soll denn das? In welcher Lebensphase habe ich dieses mir heute anonyme Lied 120-mal gehört? Und hätte man mit dieser Zeit Besseres anfangen können? Oh je. Wahrscheinlich nicht. Am Ende müssen wir den geballten Charme und Liebreiz von Ane und Mia ins Feld schicken, um den semi-kompetenten DJ,der es eigentlich selbst wissen müsste, dazu zu bringen, den Vollklassiker „A Gulasch und a Seidl Bier“ zu spielen, anstattzum vierzehnten Mal mit einer Fendrich-Schnulze anzukommen. Eine Australierin ist auch da beim Austria Rock,die Leslie. Ob die sich vertan hat und auf Midnight Oil wartet? Jetzt sagamal, Leslie, do you get the spirit of Austria-Rock?“Yes, I do“. behauptet sie. I don’t believe you. Ich kapier’s ja selber nicht ganz. And I live here.