Hirnflimmern: Ursula von der Leyen klaut Zitate bei „Apollo 13“


Was haben militärische Auslandseinsätze mit Popkultur zu tun? Nur das blöde Gelaber, findet Josef Winkler.

„Die kurzen Wege, die Sportstätten, die Mensa … Wir sind echt total begeistert, was die Veranstalter hier auf dem Rücken der unterjochten Bevölkerung und der ausgebeuteten Arbeiter aufgebaut haben. Richtig, richtig toll!“ Haben die Sportler zu Gast im ZDF-Olympiastudio in Sotschi gerade leider nicht gesagt. Aber fast – nur der Mittelteil war anders. Aber hey, wenn Sie das hier lesen, ist der Käse eh gebissen, und die Putins können endlich wieder in Ruhe Dissidenten einsperren und Homosexuelle diskriminieren, ohne dass irgendwelche flennenden Gutmenschen aus dem Westen im Weg rumstehen. Aber den hier, den kennen Sie noch: „To sit and wait is not an option!“ Knackiger Satz, yäh!

„To sit and wait is not an option!“, hat die von der Leyen, das Bundesverteidigungsvonderlein gesagt, ja in das Mikrofon gehämmert, bei der Sicherheitskonferenz in München, ganz zackig, voller Entschlossenheit. Sie hat damit so Sachen gemeint wie, dass die Deutschen jetzt auch endlich mehr mitschießen müssen, wenn’s irgendwo kriegerische Konflikte gibt, weil – das hat sie nicht dazugesagt – wenn wir schon die ganzen coolen Waffen liefern, dann können wir auch „Verantwortung übernehmen“, also mitschießen, wenn’s damit dann wo Ärger gibt. Dass to sit and wait und die Leute, die aus diesen Kriegen dann fliehen, im Mittelmeer ersaufen zu lassen, andererseits natürlich durchaus eine option ist, hat sie auchnicht dazugesagt, aber das ist ja auch nicht ihr Geschäftsbereich.

Warum das hier in der Popkolumne steht? Weil der Spruch natürlich geklaut ist aus dem Hollywood-Blockbuster, aus dem wir ihn auch alle kennen: aus „Apollo 13“, wo Ed Harris als vonderleinesk zackiger Mission- Control-Chef knarzt, zu Jameshornermusik: „Failure is not an option!“, und man denkt sich: „Woah, das hat Klasse, der weiß, wo’s langgeht!“ Und wenn man googeln kann, erfährt man, dass der Satz nicht etwa einst von dem realen Missioncontroltyp gesagt, sondern wirklich für dieses Hollywood-Drehbuch so erfunden wurde. Na, dann ist er auch gut und pathetisch genug für eine fetzige Rede über Kriegspolitik!

Einen echten Satz hab ich auch noch: Im Januar ist Pete Seeger gestorben, ein großer Held. Seeger hat sein Leben lang gegen Ungerechtigkeit und für den Frieden gekämpft und gesungen, und lange prangte auf seinem Instrument der schöne Satz „There’s no hope, but maybe I’m wrong“. Und vor 20 Jahren hat sich Kurt Cobain erschossen. Der wusste das wohl damals schon, dass Pete Seeger recht hatte. Und wenn jetzt im Zuge der zweifellos auf uns zurollenden Cobain-Erinnerungsarie wieder mal ein abgeklärt-sarkastischer Autor den Gag glaubt bemühen zu müssen, Kurt Cobain habe sich da damals „noch etwas durch den Kopf gehen lassen“, dann fahre ich hin und haue diesem Autor was aufs Maul. Ha! Na, wie wär’s damit mal? Aber nein, Gewalt ist natürlich not an option.

Diese Kolumne ist im 700. Musikexpress erschienen.