Hurts


Die Retro-Synthie-Popper im ausverkauften kesselhaus. Es ist das dritte berlin-Konzert der Band aus Manchester im Jahr 2010. Nur: Diesmal sind Hurts als Superstars gekommen. Und das freut uns!

Theo Hutchcraft steht genau in der Mitte des Raumes und starrt konzentriert auf die Bühne. Der Hurts-Sänger kriegt sich nicht mehr ein. „Sounds great!“ sagt er, „Sounds great!“ Und es sounds ja auch great, was da in den leeren Zusschauerraum dringt. Nur das Bild ist schwer in Einklang zu bringen mit dem Höreindruck. Der Tourdrummer sitzt ganz allein oben und trommelt sich einen ab zu den glasklaren Synthiesounds von „Wonderful Life“. Wo die aber herkommen, bleibt ein Rätsel.

Wir befinden uns im Berliner Kesselhaus beim Soundcheck von Hurts. Der dauert gut zwei Stunden und damit eine knappe Stunde länger als das Konzert am Abend. Dieser Auswuchs an Perfektionsmus ist eines von mehreren Indizien dafür, wie ernst Sänger Hutchcraft und Keyboarder/Gitarrist Adam Anderson, der sich gerade in eine Ecke des Raumes verdrückt hat, das Projekt Hurts nehmen. 120 Minuten lang wird soundgecheckt, justiert, herumgeschraubt. Selbst dabei stecken die Musiker in ihren makellosen Anzügen und tragen ihre perfekt gestylten Bros-Frisuren. Das Image von Hurts ist zu einer Hyperrealität geworden. Pop als Imitation des Lebens wird scheinbar zum Leben selbst. So muss das auch sein.

Wenn Hurts dann ein paar Stunden später für das Konzert auf der Bühne des ausverkauften Kesselhauses stehen, wird das ihr dritter Auftritt in Berlin im laufenden Jahr sein. Die drei Konzerte standen jeweils unter anderen Vorzeichen. Innerhalb von acht Monaten hat die Band aus Manchester im Zeitraffer die Entwicklung von der Blogsensation zum Mainstream-Act durchgemacht. Im Februar im Magnet bei ihrem dritten Auftritt überhaupt ist ihre Musik nur auf halblegale Weise zu erhalten. Trotzdem erweist sich das Publikum als absolut textsicher bei „Wonderful Life“. Vier Monate später, als Hurts im Admiralspalast auftreten, rotiert eben diese Single schon heavy auf den Mainstreamradiostationen der Republik. Heute verbuchen Hurts eine Nummer-zwei-Single und ein Nummer-zwei-Album in den deutschen Charts. Und wir können uns angesichts dessen, was auf der Bühne geboten wird, des Eindrucks nicht erwehren, als ob die verschiedenen Stadien der öffentlichen Wahrnehmung dieser Band nichts an ihrem Auftreten ändern. Selbst wenn Hurts im nächsten Sommer im Olympiastadion spielen sollten, wird – nach dem rockistischen Verständnis einer Bühnenshow – eben nicht sehr viel passieren; bis auf die Farben der vier großformatigen Leuchtsäulen auf der Bühne, die sich ab und zu verändern. Es ist die perfekte Umsetzung des Albumsounds in eine Livesituation, inklusive klassischem Tenor, der die zweite Stimme gibt. Zur kühlen Ästhetik der 80er-Jahre, der sich Hurts verpflichtet fühlen, passt eben kein albernes Herumgepose. Und deshalb quittiert das Publikum schon die kleinste Veränderung auf der Bühne mit hysterischem Kreischen. Zum Beispiel, wenn Hutchcraft sein Jackett auszieht – um dann immer noch korrekt bekleidet (Weste über weißem Hemd) dazustehen. Hurts spielen im Verlauf des Abends fast alle Songs ihres Debüts HAPPINESS plus Kylie Minogues „Confide In Me“ – eine Wahl, die passt wie die Krawatte zum perfekt sitzenden Anzug. Oder so: sounds great.

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