Interview mit Mark Bowden: „Cyberangriffe könnten mit Militärschlägen beantwortet werden“


Wir sprachen mit dem Journalisten Mark Bowden über dessen Buch „Worm“, das den ersten digitalen Weltkrieg, ausgelöst durch den Computerwurm Conficker, beschreibt. Lesen Sie hier Teil 1.

Musikexpress präsentierte exklusiv Auszüge aus Mark Bowdens („Black Hawk Down“, „Killing Pablo“) neuem Buch Worm, das den Kampf von Computerexperten gegen den Wurm Conficker beschreibt, der 2008 Millionen Rechner infizierte. Wir sprachen mit Bowden.

Mr Bowden, ist es die Regierung, oder ist es die Industrie, die erstmals Initiative ergriffen hat gegen die unbekannte Vereinigung, die hinter Conficker steht?
Mark Bowden: Die Industrie. Microsoft nahm eine zentrale Stellung im Kampf gegen Conficker ein. Auch wenn viele der X-Men, wie ich die Ansammlung von Wissenschaftlern und Hackern bezeichne, die den Kampf gegen den Wurm aufgenommen haben, eine offen feindselige Haltung gegenüber Microsoft pflegen. Tatsächlich wächst die Kooperation zwischen Computer- und Internetfirmen und den Behörden, schließlich haben beide Seiten ein legitimes Interesse daran ihre Daten vor Diebstahl zu sichern.

Ist es Ihnen gelungen Kontakt zu jemandem aus der Conficker-Gruppe aufzunehmen. Welche Ziele, glauben Sie, hat die Vereinigung?
Bowden: Ich habe niemanden aus der Conficker-Organisation kontaktieren können, denn ich weiß nicht, wer sie sind. Geschweige denn, wo sie sie sich aufhalten. Der jüngste Hinweis auf Conficker datiert auf 2011. In Europa wurde eine Gang festgenommen, als sie einen Teil des infizierten Botnetzes (ein „Bot“ ist ein fremdgesteuerter Rechner, auf den der eigentliche Besitzer keinen ausschließlichen Zugriff mehr haben kann, Red.) verkaufen wollte. Mit dem Botnetz wurden bereits amerikanische Banken beraubt, insgesamt um 72 Millionen US-Dollar erleichtert. Das Vorgehen der Bande würde auch der vorherrschenden Theorie über Conficker entsprechen: Dass es den Confickern darum geht ein stabiles Botnetz aufzubauen, das als Werkzeug für Verbrechen, Spionage oder Sabotage benutzt werden kann – und das auf dem Schwarzmarkt auch als solches vermarktet wird.

Die Gruppe derjenigen Experten, die den Kampf gegen Conficker aufnehmen, nennen Sie X-Men – wie die Marvel-Comic-Superhelden, die gegen das Böse kämpfen. Hatten Sie Befürchtung, das Thema PC-Würmer wäre für den Leser zu trocken?
Bowden: Es gab keine Diskussionen mit meinem Verleger darüber, wie ich das Buch schreiben würde. Ich bin einfach ein alter Comic-Fan, und ich sah eine Parallele zu den X-Men: eine Gruppe von Geeks, die auf Freiwilligenbasis diese internationale Bedrohung bekämpft. Geschichten zu schreiben macht Spaß, und ich erzähle sie genau so, wie sie mir in den Sinn kommen. Tatsächlich war ich der Auffassung, dass der extremen Techniklastigkeit des Materials ein kleines bisschen mehr Luft gut tut.

Was fasziniert Sie an Conficker?
Bowden: Die Conficker-Story ist ein großes Mysterium und zudem ein intellektueller Kampf; einer, der bis heute anhält. Mich treibt die Neugier an. Ein Verlangen, die Welt besser zu verstehen, wie und warum die Dinge so geschehen, wie sie geschehen. Die Welt der Computer und des Internets ist diejenige, die nur sehr wenige von uns überhaupt verstehen. Und doch ist sie diejenige, die einen zunehmenden Teil unserer privaten und beruflichen Welt bestimmt. Die dramatische Geschichte – die Conficker-Schlacht – ist eine Möglichkeit diese neue und esoterisch angehauchte Arena zu bespielen.

Blieben Ihnen Zugänge verwehrt, weil sie im Kampf gegen Conficker nicht öffentlich gemacht werden durften?
Bowden: Die Arbeitsgruppe gegen Conficker ernannte mich zum offiziellen Mitglied, so dass ich kompletten Zugang zu ihrem Archiv enthielt. Es gab keine Geheimnisse vor mir, ausgenommen vielleicht dem Stand der juristischen Ermittlungen gegen die unbekannten Urheber von Conficker. Ich bezweifle, dass die Behörden irgendetwas wissen, dass nicht in meinem Buch zu finden ist – da es jedoch sehr wenig Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen gab, kann ich das nicht ganz genau wissen. Das FBI wollte mit mir nicht reden. Die Geeks, die den Kampf gegen Conficker aufnahmen, wollten dagegen ihr Wissen ganz mit mir teilen. Das liegt in ihrer Natur. Sie sind Internet-Enthusiasten, sie glauben an den Nutzen des Teilens von Wissen. Die größte Hürde für mich bestand darin die Geeks überhaupt zu verstehen.

Sie schreiben von diesem ganz bestimmten Blick, den die Experten aufsetzen, sobald sie erkennen müssen: Mein Gegenüber hat keine Ahnung, wovon ich überhaupt spreche.
Bowden: Ich habe Erfahrungen mit diesem Blick, passiv wie aktiv. Als ich meine Recherchen aufnahm und Gespräche führte, haben mich Antworten verwirrt. Ich bin mir sicher, meine Quellen lasen mir das vom Gesicht ab. Als ich dann später wiederum Details der Geschichte meinen Freunden erzählte, sah ich diesen Verstehe-Nichts-Blick auf deren Gesichtern. Es hat mich Monate gekostet, das Lesen und die Interviews, bevor ich die Materie gut genug verstand um sie akkurat wieder zu geben. Das war eine Herausforderung, aber auch ein Spaß.

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