„Kevin – Allein zu Haus“: Was wurde aus Macaulay Culkin? Wir haben ihn in Paris besucht


Wir haben Adam Green und Macaulay Culkin vor einigen Monaten in Culkins Wohnung in Paris getroffen. Der Anlass: Adam Green hat einen quietschbunten Film über tausendundeine Nacht gedreht, „Adam Green’s Aladdin“. Und darin spielt sein Buddy Culkin („Kevin – Allein zu Haus“) mit. Ein Gespräch über Freundschaft, ­Pizza und Porno. Champagner-Rausch inklusive.

Welche Qualitäten siehst du in Macaulay als Schauspieler, Adam?
Adam: Die Faszination von Macaulays Spiel liegt nicht nur darin, dass er sympathisch liefert und diese entwaffnende Art hat. Er nutzt seine überzeugende Performance auch, um die Figuren sinister anzulegen. In dem Film „Party Monster“ kommt das gut rüber, da hat man das Unschuldige, diesen All-American Boy, der aber andererseits auch ein Mörder ist. Macaulay ist der All-American Murderer Boy.
Aber warum sieht man das im Kino gar nicht mehr?
Adam: Er bekommt wirklich Tausende Anfragen, andauernd, aber er schlägt einfach alles aus, weil er es nicht nötig und offensichtlich auch keine Lust mehr auf das Filmbusiness hat. Deshalb spielt er nur bei meinen Sachen mit. Ich darf mich glücklich schätzen.

Macaulay Culkin in seiner Pariser Badewanne - und bald im neuen Musikexpress.
Macaulay: Ach, ich habe doch gar nichts dagegen, Filme zu drehen – ich verfolge die Schauspielerei nur einfach nicht mehr professionell. Ich bin ein 35-jähriger Rentner. Natürlich mache ich immer noch viele Dinge: Ich male, ich schreibe, ich mache Musik, ich tauche manchmal noch in Filmen auf – aber all das sind Hobbys. Das ist keine Karriere, ich bin kein hungriger Künstler.
Adam: Es gibt sogar Leute, die mir Skripts geben, damit ich sie an Macaulay Culkin weitergebe. Das mache ich dann auch – aber die Antwort ist jedes Mal Nein.
Liest du die dann überhaupt?
Macaulay: Ich sage zumindest nicht aus Prinzip Nein. Ich verschaffe mir Eindrücke von allem, was kommt. Doch wer von der Schauspielerei leben will, muss die ganze Zeit Skripts lesen, geht dann zu Vorsprechen, begibt sich in dieses ganze System. Das ist nichts für mich, da möchte ich nicht sein, da gehöre ich nicht hin.
Aber gibt es denn einen Regisseur oder ein Angebot, das du nicht ausschlagen würdest?
Macaulay: Also wenn Wes Anderson anriefe, dann würde ich sagen: Ich komme sofort! Aber nun wieder eine von meinen Fragen: Gebt mir einen zweiten Vornamen!
Peter: Wie wäre Macaulay „X“ Culkin?
Macaulay: Das ist perfekt!
Macaulay „Maria“ Culkin?
Macaulay: Das ist spitzenmäßig! So, ihr müsst euren Champagner noch trinken! Das ist der Deal: Ich fülle euch mit Alkohol ab, und am Ende sind wir Freunde.
Peter: Apropos, wo ist die Toilette?
Macaulay: Vorne im Gang gleich rechts – nee, links! Das ist mir letztens schon mal passiert, ich konnte rechts und links nicht mehr auseinanderhalten.
Adam: Konnte meine Tante auch nicht, allerdings hatte die einen Hirntumor.
Macaulay: Zumindest ist sie damit entschuldigt.
Film, Regie, Malerei, eine neue Platte: Du scheinst ein dauerinspirierter Workaholic im Dienste der eigenen Kunst zu sein, Adam. Oder passiert es auch mal, dass du monatelang gar nichts zustande bringst?
Macaulay: Das kann ich beantworten: Adam ist der fruchtbarste Künstler, den ich je getroffen habe. Es purzelt alles macaulay_culkin_peter_kaaden_7andauernd aus ihm heraus. Ich gestalte ja selbst viele Dinge, von denen ich die wenigsten mit der Welt teile, aber ich halte mich durchaus für produktiv. Doch mit Adam hält das keinen Vergleich stand.
Adam: Na, ganz so schlimm ist es auch nicht.
Es geht das Gerücht, in dem Film spiele ein echter Cyborg mit. Was oder wen muss man sich denn darunter vorstellen?
Adam: Der farbenblinde Künstler Neil Harbisson hat sich einen Eyeborg implantiert: Eine Kamera vor seinem Auge übersetzt Farben in akustische Signale. In seiner Heimat, Großbritannien, erstritt er, dass die Apparatur als Teil seines Körpers anerkannt wird. Damit wurde er der erste offizielle Cyborg.
Macaulay: Er kann Fotos von dir machen, wenn er dich einfach nur ansieht – total irre!
In dem iPhone-Film „The Wrong Ferarri“ spielt die Droge Ketamin eine große Rolle. Sie ist aber nicht gerade für ihre stimulierende Wirkung bekannt. Wie geht das mit dem höchst produktiven und, ja, auch disziplinierten Künstler Adam Green zusammen?
Adam: Immer wenn ich durch Ketamin total weg war, konnte ich nichts mehr machen, außer mein Smartphone rausholen und auf dem Notepad Gedanken zum Fortgang des Films niederschreiben. Vermutlich ergibt der Film deswegen auch nur für mich Sinn.
Macaulay: In dem Zustand könnte ich nicht mal mein Telefon hochheben.
Wenn „The Wrong Ferarri“ dein Ketamin-Film war, wie verhält es sich mit „Aladdin“?
Adam: Also ich würde lügen, wenn ich sagen würde, der neue Film sei eine komplett nüchterne Erfahrung gewesen.
(Macaulay lacht)
Adam: Allerdings ist es auch kein Drogenfilm, dafür war unser Apparat zu groß. „The Wrong Ferarri“ war der Film, den ich in meinen Zwanzigern gemacht habe. Jede Entscheidung eine Bauchentscheidung, alles entstand unter dem Motto „Jetzt oder nie“. „Aladdin“ ist der Film meiner Dreißiger – ich habe mich auf ein Dreijahresprojekt eingelassen. Das ist wie ein Gefängnis­urteil, aber mittlerweile kann ich so was aushalten – über einen längeren Zeitraum an etwas arbeiten, das in ein paar rauschhaften Wochen nicht zu stemmen wäre.
Macaulay: Aber jetzt habe ich noch eine letzte Frage: Mac is great, isn’t he?!
Peter: Er war es auf jeden Fall mal.
Macaulay: Haha, stimmt, ich bin der Typ, der alles mal gewesen ist.

 

Das Interview wurde 2016 geführt und erschien zuerst im Musikexpress-Magazin. 

Foto: Peter Kaaden / Musikexpress
Foto: Peter Kaaden / Musikexpress