Kings Of Leon über Wein


14 Jahre, fünf Alben, Konzerte in den größten Arenen der Welt, jede Menge Auszeichnungen – die Bilanz des Quartetts aus Nashville, Tennessee ist beeindruckend. Zumal die Gebrüder Followill und ihr Cousin ganz ohne Rockmusik aufgewachsen sind. Als Söhne eines Wanderpredigers jobbten sie als Anstreicher und Dachdecker, ehe ihre Mischung aus Blues und euphorischen Stadion-Hymnen einen globalen Siegeszug antrat. 2011 mussten KOL eine Schaffenspause wegen akutem Burn-out einlegen. Am 20. September erscheint ihr sechstes Album, MECHANICAL BULL

In den Katakomben der Kölner Lanxess-Arena herrscht nervöses Treiben. Die Kings Of Leon, die auch ohne aktuellen Tonträger 15 000 Fans anlocken, werden in wenigen Minuten erwartet. Was eine beinahe militärische Operation einleitet: Der Backstagebereich wird abgeriegelt, die Garderoben mit Wein, Bier, Sekt und Wasser bestückt, Kerzen und Duftstäbchen entzündet und ein Mehr-Gang-Menü serviert.

Entsprechend entspannt schlagen Sänger Caleb und Drummer Nathan Followill zum Interview in einer fensterlosen Umkleidekabine auf. Zwei aufgeräumte Thirtysomethings, die zuletzt eine zweijährige Pause zur Familienplanung genutzt haben – Nathan mit Singer/Songwriterin Jessie Baylin, Caleb mit Unterwäschemodel Lily Aldridge. Zudem bezogen beide stattliche Anwesen in ihrer Wahlheimat Nashville, nahmen ein Album namens MECHANICAL BULL auf und widmeten sich ihren Hobbys: gutes Essen und noch bessere Weine.

Ihr genießt den Ruf, regelrechte Weinexperten zu sein …

CALEB: Das sind wir auch – zumindest Nathan und ich. Die anderen beiden nicht so sehr. Also Jared steht eher auf Tequila, und Matthew trinkt gar nicht mehr. Er hält sich jetzt an Cola Light fest.

Wie viel Rotwein war bei der Produktion eures kommenden Albums im Spiel?

CALEB: Gar nicht so viel. Oder anders formuliert: Nicht so viel wie früher. Wir haben diesmal eigentlich nur Bier getrunken – davon aber gleich umso mehr. Wenn du elf Stunden im Studio stehst, macht Wein dich eher müde.

NATHAN: Daher unsere Maxime: Bier am Tag, Wein bei Nacht. Wir lieben Wein mindestens so sehr wie Musik. Und es gibt ja nichts Besseres, als langsam betrunken zu werden, während man ein paar richtig gute Songs hört.

Wie seid ihr zum Wein gekommen?

NATHAN: Ein paar Konzertveranstalter brachten uns auf den Geschmack, indem sie uns mit großartigen Weinen aus ihrer Region vertraut gemacht haben. Und je größer die Hallen wurden, in denen wir aufgetreten sind, desto besser wurden auch die Weine. Unser spanischer Veranstalter hat uns zum Beispiel auf den Numanthia gebracht. Genau wie auf Vega Sicilia. Und unser europäischer Booker Pete Nash war der Erste, der uns einen Puligny-Montrachet eingeschenkt hat. So etwas Tolles hatten wir noch nie zuvor getrunken. Als Nächstes kamen dann sündhaft teure Jahrgangsweine als Geburtstagsgeschenk – die aber nicht zwangsläufig gut sind. Ich musste feststellen, dass mein Geburtsjahr 1979 ein mieser Jahrgang für europäischen Rotwein ist. Dagegen sind die von Caleb, der 1982 geboren wurde, und von Jared, der 1986 zur Welt kam, eine Offenbarung.

CALEB: Ganz am Anfang haben wir harte Sachen wie Whiskey, Brandy und Wodka getrunken. Je mehr, desto besser. Das war auch ein wichtiges Element in unseren Songs, neben Liebe, Mädels und Religion. Oft ist das fürchterlich ausgeartet -bis es irgendwann keinen Spaß mehr gemacht hat. Der Kater danach wurde immer schlimmer, und wir mussten feststellen, dass es nicht gerade zur Geselligkeit beiträgt, wenn wir uns in Rekordzeit abschießen und nichts mehr mitbekommen.

Waren das die Momente, in denen du zu „Rooster“ wurdest – deinem aggressiven Alter Ego?

CALEB: Ja, ich habe so viel Whiskey getrunken, dass ich nicht mehr ich selbst war. Und es ist weiß Gott nicht so, dass ich stolz darauf wäre. Das war ganz klar eine Flucht – ich wollte dem Stress, dem wir fast zehn Jahre ausgesetzt waren, einfach für ein paar Stunden entkommen und habe mich betäubt.

NATHAN: Was nicht so cool ist, wenn man mit Leuten wie Pearl Jam oder U2 unterwegs ist, jeden Abend in netter Runde zusammensitzt, Geschichten austauscht und eine tolle Zeit hat. Da ist eher Wein angesagt, und es wird auch viel darüber geredet – gerade mit Bono, The Edge und Eddie Vedder. Dabei haben wir auch einiges gelernt: Etwa, dass man von Wein – im Gegensatz zu Bier – nicht aufstoßen muss, was auf der Bühne viel angenehmer ist. Oder welche Jahrgänge am besten sind, wo man sie findet und lagert usw. Ich bin inzwischen ein richtiger Sammler.

Hast du deswegen „Red Red Wine“ von UB 40 als Klingelton? CALEB (lacht laut los): Jetzt erfährt es die ganze Welt!

NATHAN (peinlich berührt): Das ist schon ein paar Jahre her – aber was soll ich sagen? Ich mag beides: Wein und den Song.

Was ist guter Wein für euch?

NATHAN: Wir stehen auf französischen Burgunder. Wie Puligny-Montrachet oder – bei den Roten – Château Margaux, Château Barateau oder Pichon-Longueville.

CALEB: Aber auch argentinischen Malbec.

NATHAN: Das sind richtig tolle Weine. Wobei ich leider – da ich jetzt ein Kind habe – nicht mehr so viel trinken kann, wie ich möchte. Bis vor ein paar Monaten habe ich eine Flasche Wein am Abend geleert. Einfach beim Abhängen zwischen 19 und 23 Uhr. Dabei ist es öfter vorgekommen, dass ich am nächsten Morgen mit einem dicken Schädel aufgewacht bin und dachte: „Oh, Mann. Vielleicht hätte ich zwischendurch doch das eine oder andere Wasser trinken sollen.“

CALEB: Aber es muss auch nicht immer einer dieser schweren Weine sein. Manchmal ist es besser, auf einen Pinot Noir auszuweichen. Etwas, das ein bisschen leichter und frischer ist. Gerade jetzt im Sommer ist ein Spätburgunder sehr bekömmlich. Obwohl: Es ist ja Rosé-Saison.

NATHAN: Und davon trinken wir eine Menge. Bei Rosé kann man nicht viel falsch machen.

CALEB: Stimmt. Das ist das perfekte Sommergetränk

NATHAN: Und sehr Rock’n’Roll. CALEB: Rockin‘ Rosé!

Wie groß sind eure Weinkeller?

NATHAN: Ich habe inzwischen über 500 Flaschen, die ich aus allen Teilen der Welt zusammengetragen habe. Wenn ich irgendwo einen Wein trinke, der mir gut gefällt, mache ich ein Foto davon und besorge mir später ein paar Flaschen. Momentan stehen auf meiner Liste: Sea Smoke Southing, Prager Grüner Veltliner und M. Chapoutier Ermitage White de L’Orée. Das sind meine nächsten Anschaffungen. Und ich habe vier Sektionen in meinem Kalkstein-Keller: Sofort trinken – Abendessen – besondere Anlässe – Finger weg/Anlage für die College-Zeit der Kinder.

CALEB: Mein Keller ist ziemlich blank. Wir waren zum ersten Mal in unserer Karriere so lange am Stück zu Hause und ich habe in dieser Zeit einiges getrunken. Und: Wir kaufen unseren Wein ja meistens unterwegs. Insofern werde ich ihn in den nächsten Wochen nach und nach auffüllen – abhängig davon, wo wir spielen. Wobei wir uns vorgenommen haben, diesmal auch ganz gezielt Weingebiete zu besuchen. Schließlich reisen wir im Privatflugzeug. Da sind wir flexibler.

Was ist euer persönlicher Schatz?

NATHAN: Vom Alter her ein 1938er Livadia White Muscat aus der Massandra Collection. Und was den Preis betrifft, ein Grand Vin de Château Latour von 1961.

Wie viel ist der wert?

NATHAN: Um die 4 000 Dollar. CALEB: Ich habe einen Luna Estates aus meinem Geburtsjahr 1982.

Könnt ihr euch vorstellen, irgendwann selbst ein Weingut zu betreiben, oder versuchen sich daran schon zu viele Promis?

CALEB: Viele Promis, die ins Weingeschäft einsteigen, machen damit kein Geld. Im Gegenteil: Die stecken Unsummen rein. Das würde ich nie tun. Ich würde mich auf Tequila verlegen, wie Sammy Hagar. Der verdient sich dumm und dämlich. Aber was ich mit dem Schnaps verdiene, würde ich gleich wieder in Wein investieren.

NATHAN: Ich würde Spinat anbauen. Das ist das Sicherste. Und passt hervorragend zu Rotwein.

Womit wir beim Essen wären …

CALEB: Eine weitere Sache, die uns am Herzen liegt. Was allerdings nicht heißt, dass wir begnadete Köche wären. Ich bekomme nur ein halbwegs gutes Steak und Pasta hin. Deswegen gehe ich viel lieber essen …

NATHAN: Ich auch. Meine Frau und ich sind bekennende Foodies und Winos. Das heißt, wir gehen so oft aus, wie wir können bzw. wie es das Baby erlaubt. Wobei unser Lieblingsrestaurant in Nashville ganz klar das „City House“ ist – mit der besten Pizza der Welt.

Ende September – am selben Tag, an dem euer sechstes Album erscheint – seid ihr Schirmherren des „Music City Eats“-Festivals in Nashville. Eine Veranstaltung, bei der sich lokale Köche und Winzer vorstellen. Ein Indiz dafür, wie respektiert ihr in diesen Kreisen seid?

NATHAN: Wir wurden gefragt, ob wir Lust darauf haben. Ich hielt das für ein tolles Kompliment, dass man uns nicht nur als Rockmusiker sieht, sondern auch als Experten für Essen und Trinken. Wir geben eine Menge Geld in Restaurants und Weinbars aus, von denen es in Nashville wahnsinnig viele gute gibt.

Nashville ist also nicht nur ein Mekka für Musik, sondern auch für kulinarische Genüsse?

CALEB: In den letzten fünf Jahren sind viele Hipster, Musiker und Künstler aus allen Bereichen hierhergezogen. Das hat zur Folge, dass es mittlerweile mindestens so viele Rock- wie Countrybands gibt. Und wenn da plötzlich so viele kreative neue Leute sind, muss sich die Stadt auch auf sie einstellen -und ihren Geschmack. Die Restaurants haben entsprechende Küchenchefs für dieses Publikum engagiert. In Nashville gibt es so viele erstklassige Köche wie nie zuvor.

Mit welchem Promi trinkt ihr am liebsten ein Gläschen Wein?

NATHAN: Robert Plant! Wir haben ihn kennengelernt, als wir in Tulsa, Oklahoma gespielt haben – vor sieben oder acht Jahren. Er war plötzlich da. Verrückt – an einem so gottverlassenen Ort würde man ihn ja nie vermuten. Unser Manager kam nach der Show zu uns und sagte: „Robert Plant ist hier. Kann er kurz reinschauen?“ Worauf jeder anfing, sich zu kämmen und in seine coolsten Klamotten zu schlüpfen. 30 Sekunden später stand er in der Tür, und seitdem treffen wir uns öfter. Er hat einen ähnlich guten Geschmack wie wir …