Boom Box: Podcasts „Juan Epstein“ und „Combat Jack Show“ – HipHop-Stammtisch in der WWWG-Küche


Ein bisschen Wald zwischen vielen Bäumen: Wer mehr wissen will als wer was wo gepostet hat, hört Podcasts.

HipHop-Journalismus ist im Jahr 2015 vor allem ein großes Betteln um Aufmerksamkeit. Halbwahrheiten und Viertelnews werden zu Sensationen hochgejazzt, auf dass das Volk klicken und so die umsatzrelevanten Statistiken frisieren möge. Das ist legitim, aber für das View-Vieh schnell ermüdend: Ehe man verstanden hat, was überhaupt die Geschichte sein soll, ist die Timeline schon wieder überschwemmt von weiteren, vermeintlich weltbewegenden Nachrichten.

Zum Glück bekommt jeder Trend den Gegentrend, den er verdient, zumal im Netz. So hat sich in den letzten Jahren eine Podcast-Kultur entwickelt, die lustvoll inhaltliche Tiefe zelebriert – und damit wahnsinnig erfolgreich ist. Ein gallisches Dorf des Gelabers. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dabei „Juan Epstein“ mit Peter Rosenberg und Cipha Sounds, zwei DJs vom New Yorker Radio-Riesen Hot 97, sowie die „Combat Jack Show“ des ehemaligen Musikanwalts Reggie Ossé. Die Grundidee beider Shows ist, die Dynamik einer guten WG-Küche ins Audioformat zu übertragen. Woche für Woche werden so die neuesten Phänomene verhandelt und alte Helden ausgefragt, teilweise stundenlang.

„Juan Epstein“ ist dabei eher Stammtisch als Studentenforum. Die beiden Hosts ziehen sich gegenseitig mit Klischees auf – Rosenberg ist Jude aus Maryland, Cipha Puertorikaner aus der Bronx – und herren-witzeln um die Wette. Damit schaffen sie jedoch eine Atmosphäre, in der ihre Gäste ungehörte Geschichten auspacken: Wer hören möchte, wie Funkmaster Flex um die Aufmerksamkeit des jungen Puff Daddy buhlte oder Marley Marl von seiner Exfrau ausgenommen wurde, ist hier richtig. „Combat Jack“ dagegen versteht sich auch als gesellschaftlicher Aktivist und besonnener Mahner. Das nervt mitunter, führt aber immer wieder zu erhellenden Gesprächen. Legendär ist die Folge mit Hot-97-Programmchef Ebro Darden, der offen über Playlist-Praktiken und andere Branchenbräuche sprach.

Diese Kolumne ist in der März-Ausgabe des Musikexpress erschienen.