The Roots: Spektakuläre Show zum Release ihres neuen Albums in New York


Konzert-Event: In New York tauchten The Roots zur Vorstellung ihres neuen Albums “…AND THEN YOU SHOOT YOUR COUSIN” tief in die Ursuppe des HipHops ein.

Fünf Tage vor Veröffentlichung ihres elften Albums …AND THEN YOU SHOOT YOUR COUSIN, so betitelt nach einer Zeile aus einem KRS-One-Song, luden The Roots in das Public Theater in Manhattan ein. Doch wer erwartet hatte, dort eine Eins-zu-eins-Umsetzung der neuen Songs zu bezeugen, wurde enttäuscht. Stattdessen boten The Roots eine Mixtur aus Jazz, Tanz, Beats, Sampling und Spoken Word.

200 US-Dollar zahlte jeder der ungefähr 200 Gäste für ein Ticket, der Erlös kam dabei dem Erhalt des Public Theaters, einer kulturellen Institution in New York City, zugunsten. Das Publikum, das sich die eine Stunde Wartezeit bis zur Showtime mit Drinks im Foyer vertrieb, setzte sich aus Menschen zusammen, die man so auch in der Metropolitan Oper oder den Galerien Chelseas finden kann: Typ überdurchschnittlich kulturinteressiert, gut gekleidet und sehr zivilisiert. Für jemanden, der The-Roots-Shows Ende der 90er miterleben durfte, bei denen man zwischen bouncenden Körpern und qualmenden Joints kaum die Bühne erkennen konnte, etwas ungewohnt.

Aber es war eben auch eine ungewöhnliche Show. Das fing schon mit der Besetzung an: Als einziges Mitglied war Ahmir “Questlove” Thompson die gesamte Show über auf der Bühne, meist über Laptop und Plattenspieler gebeugt, nur zweimal am Schlagzeug. Tariq “Black Thought” Trotter erschien jeweils zwischen den Stücken: mit schwarzem Hoodie bekleidet stellte er sich ans Mikrofon und phrasierte in düsterer Spoken-Word-Tradition vom selbstzerstörerischen Zyklus der Armut, Tod und Gott. Gitarrist “Captain Kirk” Douglas tauchte nur am Ende für einen Song auf. Der Rest der Roots, inklusive der Gastsänger des neuen Albums, Patty Crash und Raheem Devaughn, kam: vom Band!

Es ging eben weniger um eine exakte Reproduktion der neuen Songs als um den Kontext, aus dem diese entstanden waren. Um die Ursuppe des HipHop: Jazz, Tanz, Beats, Sampling, Spoken Word. Und so bestand das Gros der Show aus Fragmenten dieser Elemente. Manche davon, beispielsweise das Duett/Duell von Beatbox-Legende Rahzel mit dem Drone-Didgeridoo von Craig Harris, begeisterten sofort. Andere, wie die James-Brown-Sample-Orgie von Jeremy Ellis, faszinierten zwar mit unglaublich virtuosem Fingerspiel, taten aber in ihrer Hektik und Schrillheit weh. Und dann waren da Momente, in denen man sich fast ein bisschen schämte: ein Pantomime/Tänzer, der zwischen Ballon-Tieren herumalbert? C’mon… Erst im weiteren Verlauf erschloss sich der tiefere Sinn der Ballons: Bei jedem Schritt der Künstler über die Bühne, zerplatzen sie mit dem Geräusch von Schüssen – und gaben so den perfekten Backdrop für Black Thoughts Storytelling, in dem er unter anderem die Entwicklung der Afroamerikaner von der Sklaverei bis heute zeitraffte.

Questlove verband die einzelnen Segmente und Einspielungen der neuen Songs mit teils dramatischen Mixen, in denen Musik von Albert Ayler, Nina Simone, Abbey Lincoln, Curtis Mayfield, Sun Ra und Quincy Jones zitiert und mit elektronischen Klängen vermengt wurden, gelegentlich unterstützt vom Jazz-Pianisten D.D. Jackson und Streichern und Sängern des Metropolis Ensemble. Nur folgerichtig, dass die zitatenreiche Aufführung zum Schluss mit einem Cover eines genresprengenden Klassiker gekrönt wurde: “Maggot Brain” von Funkadelic, mit einem Gitarrensolo von Captain Kirk, das an das epische Original Eddie Hazels heranreichte.

Das Publikum belohnte die Show mit Standing Ovations, enttäuscht war offensichtlich niemand. Und warum auch: The Roots hatten an diesem Abend sicherlich kein typisches Album-Release-Konzert gegeben. Aber sie hatten bewiesen, dass HipHop mehr sein kann als banale Rhymes & BlingBling, dass The Roots sich ihrer Wurzeln bewusst und bereit sind, das Erbe auf die nächste Ebene zu heben.