Konzertbericht

Die Technik und die Jugend von heute: Tame Impala live


Tame Impala spielen im Berliner Kesselhaus ein „Warm-Up-Konzert“, dass es nur so knackt und brummt und schiebt.

Die erste Enttäuschung: Vor dem Kesselhaus auf dem Gelände der Kulturbrauerei in Berlin-Prenzlauer Berg parkt am Dienstagabend, dem 1. September 2015, ein schnöder Nightliner. Kein Raumgleiter. Es müsste ja kein „Millennium Falke“ (oder im Fall von Tame Impala noch weitaus passender: der „Dark Star“) sein. Einfach nur irgendwas, was diese Band from space, wohin sie mit ihrem dritten Album CURRENTS endgültig hinverzogen zu sein scheint, eingeflogen haben könnte. Von wegen dem Gesamtbild. Aber nee …

 

 

Drinnen, vor ein paar hundert Leuten, Verlosungsgewinner und sogenannte Medienpartner, die zu diesem „Warm-Up-Konzert“ fürs Lollapalooza Festival auf dem Tempelhofer Feld eingeladen wurden, geben sich die Fünfe um Commander Kevin Parker dann allerdings alle Mühe, um sich einen außerirdischen Anstrich zu verleihen. Zwei Beamer, die leistungsfähig genug sind, wahre Farbräusche, hypnotisierendes Formenspiel, Strudel, Kreisel, Blasen, zuckende Oszillographen-Linien und Papageienleopardenflecken direkt aus dem San Francisco des Jahres 1967 auf einen großen Backdrop im Geradejetzt zu projezieren, gestatten Band und Bühne ein Vollbad in Uiuiui! und Boah!.

Tame Impala beschränken sich live darauf, Musik zu machen

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Bei der eher zurückhaltenden Performance des barfüßigen Mannes im Mittelpunkt, Kevin Parker, und seiner in Sachen Animation und mimischem Ausdruck noch sparsamer agierenden Gruppe kann das ganz bestimmt nicht schaden. Die zotteln in Jeans und T-Shirt nur dort ein bisschen herum, wo das Tempo anzieht und die Gitarren ein wenig jaulen. Tame Impala beschränken sich ansonsten einfach darauf, Musik zu machen. Musik, die, so mögen Menschen, die selbst 1967 in San Francisco schon mit dabei waren oder später noch in den Strudel des „echten“ Psychedelic Rock geraten sind, beklagen, ein Stück zu perfekt ist, um in dieser Tradition bestehen zu können. Musik, in der nie etwas Unvorhergesehenes passiert. Die allerdings so vollgestopft ist mit unterschiedlichen Sounds, Melodielinien, spannenden Arrangements, dass man schnell vergisst, dass hier alles nach des Commanders Masterplan läuft („Berechnen Sie den Sprung in den Hyperraum, Mister Barbagallo!“). Und dann ist da natürlich noch Kevin Parkers sehnsuchtsvoller Tenorgesang, zu dem mir ein Kollege am nächsten Morgen erstaunt schreiben wird: „Wie kann der so unangestrengt alle drei Gibb-Brothers gleichzeitig geben?“

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Schieben wir es auf die Technik und die Jugend von heute. Mit der ersten ist so manches möglich und die zweite nimmt bei Bedarf alles mit, was der Pop und der Rock in den letzten fünf, sechs Jahrzehnten so in der Auslage hatte. Tame Impala sind so auf CURRENTS vom Psychedelic Rock beim psychedelischen Pop gelandet, mit gefährlich verträumten Melodien, mehr Gibb auf Parkers Stimme und jeder Menge Synthesizern, von denen erstaunlicherweise dann doch nur zwei bis drei gleichzeitig auf der Bühne bedient werden. Das neue, stromlinienförmigere Material fügt sich allerdings allerprächtigst in das Liveprogramm der Band ein. In einem brillanten Sound erhalten Stücke wie das straight Richtung Unendlichkeit shuffelnde „The Moment“, die dreist angesoulte Läuterungs-Ballade „’Cause I’m A Man“ (mit der schönen Zeile „Cause I’m a man, woman, don’t always think before I do“) oder das an die französischen Präzisions-Romantiker Phoenix erinnernde „Eventually“ mehr Bumms, es knackt und brummt und schiebt sehr schön.

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Und dass die lange Livefassung der langen LP-Fassung von „Let It Happen“ einen ganz schwindelig dreht vor kleinem Glück, hat man eigentlich schon gewusst, bevor man sie zum ersten Mal hört. Für die Stelle, an der der Song plötzlich hängt und sich derselbe Takt immer wieder wiederholt, hat Kevin ein Effektgerät vor sich stehen: Da drückt er drauf und dann bleibt das Stück tatsächlich hängen. Aber weil das hier ja nur ein „Warm-Up-Konzert“ ist, dauert dieser Moment leider nur ein paar Sekunden und nicht ewig. Die zweite Enttäuschung, wenn man so will.