M83


Das Verträumte am 80er-Sound der Franzosen geht im Berliner Gretchen verloren, der Hang zum Pathos lebt in der Rockshow aber weiter.

Als Anthony Gonzalez mit M83 vor zwei Jahren als Support von Depeche Mode durch die Stadien der Welt tourte, hat der von jeher dem Epischen zugeneigte Produzent offenkundig einiges über die ganz großen Gesten dazugelernt. Vielleicht liegt es aber auch an seinem neuen Wohnort: Los Angeles, wohin der von der Côte d’Azur stammende Musiker gezogen ist, gilt ja nun nicht gerade als Synonym für subtile Inszenierungen.

Was auf dem aktuellen, an der Schnittstelle von flächiger, gitarrengestützter Elektronik und 80er-Jahre-Bombast operierenden Album Hurry Up, We’re Dreaming blutleer klingt – trotz Gonzalez‘ unüberhörbarem Willen, mit Hymnen zu überwältigen – wird im vollen Club zu einer energiegeladenen Angelegenheit. Die nostalgiegetränkten Songs – auch einige Stücke vom Vorgänger Saturdays=Youth sind dabei – werden als Licht- und Klanggewitter auf die Bühne gebracht. Obwohl die Beats scharfkantig durch den Raum peitschen, ist der Auftritt weniger elektronisches Live-Set als Rockkonzert. Die vier Musiker sind neben der intensiven Lightshow und den pulsierenden LED-Displays meist nur schemenhaft zu erkennen, doch sie erzeugen ordentlich Druck und grenzwertig viel Lärm.

Gonzalez bringt dazu sein neu entdecktes Stimmvolumen zum Einsatz. Die Mehrheit des überwiegend sehr jungen Publikums versucht gar nicht erst zu tanzen, sondern starrt hypnotisiert ins Licht. Die Vernünftigen unter ihnen tauschen Taschentuchfetzen aus und stopfen sie sich in die Ohren. Zum Ende hin entladen sich die wenigen Elemente, die von der verträumten Atmosphäre des aktuellen Albums in diese Rockperformance hinübergerettet wurden, in einem technoiden Getöse aus Feedbacks und Beats. Dieser Abschluss schafft ein willkommenes Gegengewicht zu eher peinlichen Stadionrock-Momenten: etwa dem, als ältere Konzertbesucher nach dem ersten Takt von „Reunion“ den dort enthaltenen Simple-Minds-Moment („Don’t You (Forget About Me)“) johlend weiterführen. Eine Überdosis Nostalgie erinnert schnell auch daran, dass es auf Schulpartys meist schlimm war.