Lokale Spezialitäten: Exportschlager Oliver Koletzki und die Schnitzeldebatte


Autorin Kristina Baum bereist die Westküste der USA und bündelt wöchentlich ihre Eindrücke aus der lokalen Musikszene. Den Anfang macht San Francisco, das Städtchen mit Brückenstolz, verblühter Flower Power und schäbig-schönen Dive Bars.

Auf Malle statt Paella ein Hasseröder und Schnitzel bestellen? Geht gar nicht! Als engstirnige Kulturbanausen müssen sich unsere heimischen Gewohnheitstiere von der selbstreflektierten Weltenbummler-Jugend bezeichnen lassen und sehen sich nicht selten mit dem kostengünstigeren Vorschlag konfrontiert, doch am besten gleich zu Hause zu bleiben. Wie so oft fallen einem die eigenen Vorstellungen von Richtig und Falsch aber schnell auf die Füße – spätestens, wenn es um musikalische Vorlieben geht.

Solche Gedanken mache ich mir, wenn sich Oliver Koletzki und Freunde in meiner temporären Hood zum Tanz ankündigen und Berlin, nein, Berliner Umland, nein ganz Deutschland mitbringen. Das Harlot, ein doch ziemlich bekannter Elektroschuppen in Downtown San Francisco ließ die deutschen Umpfta-Umpftas vom Label „Stil vor Talent“ auflegen und zum ersten Mal in den letzten Wochen, in denen ich im German Stealth Mode über die Bay Area gekreist bin, wurde mir bewusst, worüber die Einheimischen gern hinter hervorgehaltener Hand lästern. Überall Deutsche, ey.

Okay, nicht schlimm, das kenne ich von zu Hause, da kann ich mit um. Und so kaufe ich eben ein Ticket für Künstler, die ich mir auch gefühlt alle zwei Wochen in Berlin anschauen könnte – Interesse vorausgesetzt versteht sich. Zehn Dollar im Vorverkauf tun da erst mal nicht sonderlich weh. Die vier Dollar für eine echte Club Mate beim einzigen Dealer der Stadt dagegen schon ein bisschen, aber wir wollen’s heute Abend mal very Berlin!

Im Club, zwischen dekorativen Palmenwedeln, obszöner Kirchenmalerei und einem Hühnerstall, in den die letzten verpönten Raucher der Stadt gesperrt werden, geht alles dann ganz schnell: Nicht nur das Gewummere, auch das damit verbundene elitäre Gefühl, das einen in angesagten Bunkern und Kellerlöchern der deutschen Großstadt überkommt, lässt sich also tatsächlich transplantieren. Ganz vorn am DJ-Pult wird bereits das Territorium abgesteckt – ein blondes Pärchen, offensichtlich in der 2000er Love-Parade-Prägungsphase stecken geblieben, legt los und balzt sich entgegen, dass es jeden Beat fühlt. Yeah. An der Bar teils unbeholfene Tip-Versuche, viele Handzeichen und immer wieder deutsche Wörter im Ohr – „voll cool, dass der hier ist“, „wir haben echt Schwein gehabt“. Weil mich Tanzen und Trinken schnell langweilt, komme ich mit einem deutschen „Transplant“ ins Gespräch – genau wie ich mag er gar keinen Elektro, aber hey, kann man sich ja mal anhören, wenn er schon da ist.

Boah, und ist das jetzt alles schlimm? Das kommt ganz allein auf die Perspektive an – wer froh ist, Deutsche in weit entfernten Orten der Erde zu treffen, die einem das Gefühl von Heimat, Zugehörigkeit oder Sicherheit geben, darf sich natürlich auch in musikalischer Hinsicht über Altbekanntes freuen. Wer reist, um Neues zu entdecken oder dem gewohnten Umfeld zu entkommen, fühlt sich hier vielleicht doch eher fehl am Platz und sich um einen Teil seiner Nomadenerfahrung betrogen. Ich für meinen Teil ziehe unterwegs gern lokale Spezialitäten vor, Bands und Künstler, die mit Songs ihre, nicht einen Teil meiner Lebensgeschichte erzählen. Aber wie auch immer man gestrickt ist – ein Urteil darüber kann und darf man sich doch eigentlich gar nicht erlauben. Wer Schnitzel will, soll es kriegen, wer Musik hören will, die er kennt und mag, bitteschön! Und sogar für Koletzki, Braemer und Niconé habe ich mich gefreut, denn der Abend im rappelvollen Club war ein echter Erfolg für den deutschen Export. Dieser Hippie-Spirit greift schnell über. Peace und bis nächste Woche.