Natty Dread


Marley

von Kevin Macdonald, Großbritannien 2012

*****

Wider die Legendenbildung: auf der Suche nach dem Mann hinter dem Mythos

Ende 1979 wählt der Musikexpress die drei wichtigsten Platten der 70er: Ziggy Stardust. London Calling. Und Natty Dread, die Krone von Bob Marleys Schaffen. Das Album, das die ungeschliffene Aggression früherer Platten in einen kosmischen Herzschlagrhythmus münden lässt und aus dem Ghetto von Kingston entführt hinaus in die Welt. Hier wird der Grundstein gelegt zu dem, was Marley mit der Veröffentlichung von Legend, drei Jahre nach seinem Tod im Alter von 36 Jahren im April 1981, schließlich wird: das Zerrbild eines mit seinen inneren Dämonen kämpfenden Mannes. Regisseur Kevin Macdonald („State of Play“) macht sich daran, den Mythos zu entzaubern: Mit Hilfe zahlloser Interviews mit Familienmitgliedern und Wegbegleitern, Aufnahmen von wichtigen Orten und der Musik Marleys will der Film den Mann hinter der Maske finden. Mit 144 Minuten nimmt sich „Marley“ die nötige Zeit. Macdonald weiß, dass man einer komplexen Persönlichkeit am besten mit einem Film gerecht wird, der sich strikt an die Chronologie hält: Er thematisiert Marleys Zerrissenheit wegen seines weißen Vaters, der sich nicht um ihn kümmert. Er erzählt von Marleys Vielweiberei, von den elf Kindern von sieben Frauen, die er trotz seiner Ehe mit Sängerin Rita gezeugt hat. Er weiß um seine Religiosität und politische Naivität. Aber diese Einzelteile setzen sich nicht zu einem großen Bild zusammen: Am Ende ist Marley immer noch ein Enigma, ein Mann, der nicht greifbar scheint. Was auch daran liegen mag, dass seine Familie das Projekt sanktioniert hat. Nicht zuletzt sitzen Macdonald große Namen im Nacken: Martin Scorsese und Jonathan Demme waren mit dem Projekt verbunden, bevor der Schotte übernahm. Er verklärt so viel, wie er aufklärt. Und kann am Ende neben seinem Gespür für eine gewisse ironische Distanz auf die Kraft der Musik vertrauen: Marley mag als Privatmensch rätselhaft bleiben. Wenn er mit seinen Liedern zu verschmelzen scheint, ist das alles, was man über ihn wissen muss. Und will. Start: 17. Mai