Newcomer

Neu und gut: Beach Baby


Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit: Als britische Gitarrenband neue künstlerische Impulse zu setzen. Die vier Wahl-Londoner lassen sich davon nicht einschüchtern.

Zwei Typen treffen sich in Bristol, der eine lügt darüber, dass er eine Bass-Gitarre besitzt. Man gründet eine Band, geht gemeinsam fürs Post-Graduate-Studium nach London und lernt dort per Uni-Aushang zwei weitere Typen kennen, mit denen man schließlich im Proberaum an der eigenen, künstlerischen Identität feilt. So weit, so bekannt. Sind Beach Baby also einfach das nächste solide Indie-Ding mit mittelmäßiger Stahlkraft? Oder bieten die vier Jungs, die alle am Goldsmiths
College studiert haben (wie John Cale oder James Blake), mehr als alten Wein in neuen Schläuchen? Um die britische Gitarrenmusik steht es ja ohnehin nicht gut. Zwischen Koks-geschwängerter Großmäuligkeit, bierseligem Stadion-Sound und Heroin-induzierter Selbstzerstörungslyrik ist dieses Feld abgesteckt, abgegrast und ziemlich ausgedorrt.

„Natürlich haben wir es als 1989 und 1990 Geborene schwer, mit Rockmusik rebellisch zu sein“, sagt Lawrence Pumfrey. Und Ollie Pash fügt hinzu: „Wir sind in den Nullern groß geworden. Das war eh keine Zeit für Bands, mit denen du deine Eltern schocken konntest.“ Beide verbindet, dass sie zu Hause bei ihren Eltern auf gut bestückte Plattensammlungen zurückgreifen konnten. Die Folge: Mit Beach Baby gründeten sie keinesfalls einen Beach-Boys-Wiedergänger oder die nächste von Indie-Blogs hofierte Gute-Laune-Eintagsfliege à la The Drums. Sondern vielmehr eine lupenreine Pastiche-Popband, die sich hervorragend auf die Kombination unterschiedlicher Zitate aus der Rock-Geschichte versteht. Mal poltern die Gitarren im Grunge-Tempo, dann und wann kommt ein Song aber auch so relaxt und verhallt daher, dass man sie kurz neben den Cocteau Twins und Beach House verorten möchte. Zum Glück für Beach Baby denkt man das aber nur so lang, bis ihr Debüt einem ein Stück wie „Lost Soul“ um die Ohren haut. Ollie erinnert hier stimmlich ein wenig an Julian Casablancas und die Harmonien an die mittleren Beatles.

Selbstverständlich mögen Beach Babys solche Vergleiche nicht und doch entkommen sie nicht dem Fluch heutiger Rockbands: An jeder Ecke fühlt man sich an irgendwen erinnert. Britisch klingen Beach Baby dabei aber weniger als erwartet. Warum ihr Sound weder eindeutig im Britpop, noch im Nullerjahre-Indie verortbar ist? „Für Britpop sind wir zu jung. Wir sind in der Zeit groß geworden, in der Indie-Bands den Sound und den Look von 80er-Bands kopierten. The Strokes fingen damit an und dann kam irgendwann nur noch Quatsch. Am besten verkörpern Razorlight für mich die ganze Scheußlichkeit dieses Indie-Revivals,“ meint Ollie. Lawrence grinst und ergänzt: „Letztens gab es in unserem Umfeld auf Facebook eine Aktion namens ‚Indie Amnesty’, wo die Leute ihre schlimmsten Indie-Sünden beichten sollten. Und, ich geb‘s zu, ich hatte tatsächlich eine rote Skinny Jeans und bin damit zu einem Fratellis-Gig gegangen.“ Gelächter.

Ob die Musik von Beach Baby in einem Jahrzehnt zeitbeständiger sein wird als die der Nullerjahre-Indies, das lässt sich nicht vorhersagen. Eines hat die Band mit ihrem Debütalbum bereits geschafft: Ihr bunter Strauß aus Zitaten ist alles andere als der peinliche Klon eines Klons.


Klingt wie: Beach House, Nirvana, El Vy


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