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Die Festivalsaison nähert sich ihrem Ende, und auch heuer war sie ein, ähem, Festival der Wolkenbrüche, Hagel-Moshs sowie – da sich auch Musiker sonst nie so massiv so nahe kommen – der Verbrüderungen und gegenseitigen Verbeugungen. Oder wollen wir es kulturpessimistisch deuten („Tod der Popmusik, alles schon mal dagewesen“ etc.), dass diesen Sommer kaum ein Freiluftauftritt ohne Coverversion abging?

So beendeten die Sex Pistols ihren Gig beim Isle Of Wight Festival, nachdem sie „No Fun“ dem ebenfalls anwesenden Urheber Iggy Pop gewidmet hatten, mit „Silver Machine“ von Hawkwind (die 2009 ein Comeback mit neuem Album starten wollen). Anderswo coverten Black Tide Metallica und Iron Maiden, Joe Lean&TheJing Jang Jong „Hey Little Child“ von Big Star, Motörhead gedachten mit „Rosalie“ des verstorbenen Phil Lynott (Thin Lizzy), die New Yorker Hardcore-Pioniere Rival Schools zeigten sich mit „How Soon Is Now?“ (The Smiths) von einer anderen Seite, Pendulum spielten Prodigynach, H.I.M. Chris Isaak und Billy Idol, New Young Pony Club wagten sich an PJ Harveys „Dress“ und „Take Me I’m Yours“ von Squeeze, Starsailor zitierten U2, Stone Roses und Gorillaz, und Cavalera Conspiracy spielten ein ganzes Best-of-Set von Sepultura-Songs. Gut, das war ja auch die Ex-Band von Frontmann Max Cavalera. Die Subways beschränkten das Tributzollen auf die Optik: Bassistin Charlotte Cooper kam beim Download-Festival in Kiss-Schminke auf die Bühne.

Mit so was nichts am Hut haben Coldplay, die sich gegen Plagiatsvorwürfe wehren müssen: Die New Yorker Band Creaky Boards behauptet, Chris Martin habe im Oktober 2007 ihren Gig beim CMJ-Festival besucht und sich von „The Songs I Didn’t Write“ (!) zu „Viva La Vida“ „inspirieren“ lassen. Martin widerspricht: „Viva La Vida“ sei bereits im März 2007 geschrieben worden und er zur Zeit des Konzerts laut seinem Terminkalender in London im Studio gewesen, also folglich kein Song-Dieb.

Für diebisch hält die britische Urheberrechts-Aufsicht PRS (Performing Rights Society) die Polizei von Lancashire, die ihre Telefonwarteschleife mit Musik bestückt, ohne Lizenzgebühren zu zahlen. Da etwa über eine halbe Million britische Läden, Behörden und z.B. Taxifahrer ihre Kunden und Klienten auf ähnlich illegale Weise beschallen, könnte die gebeutelte Musikindustrie nach dem Downloaden einen neuen Sündenbock für ihren Untergang gefunden haben … In einer Umfrage des Lobbyverbands BMR (British Music Rights) gaben 96 Prozent der befragten 14bis 24-Jährigen zu, illegal Songs zu kopieren bzw. aus dem Netz herunterzuladen. Durchschnittlich seien von 1.770 Songs auf einem MP3-Player 842 auf nicht gesetzestreue Weise erworben, manche Musikliebhaber laden sich indes bis zu 5.000 Songs pro Monat schwarz auf den Pod – was ihnen bei einer Spielzeit von je vier Minuten buchstäblich schlaflose Nächte bereiten dürfte.

Ein Gutes hat das schändliche Tun – zumindest für Menschen, die Kiss nicht mögen: Die zu Jahresbeginn 35 gewordene Plumprocklegende weigert sich, neue Songs aufzunehmen, bis die Menschheit „zivilisiert“ wird und das verbotene Downloaden aufhört. „Die Plattenindustrie ist tot“, sagte Gene Simmons, „und wir werden erst neues Material produzieren, wenn sie wieder zum Leben erwacht.“ Das kann dauern, weshalb Paul Stanley zur Beruhigung hinzufügte: „Trends und Moden kommen und gehen. Aber wir gehen nicht weg, wir sind wie Herpes.“

Im Gegensatz zu M.I.A., die ihren Auftritt beim Bonnaroo-Festival Mitte Juni nutzte, um ihre UK-Tournee abzusagen und das Ende ihrer Bühnenkarriere als Sängerin zu verkünden. Immerhin will sie die freie Zeit nutzen, um neue Songs aufzunehmen.

Ihre Rückkehr auf die Bühne nach langer Abwesenheit feierten My Bloody Valentine (nach 16 Jahren) im Londoner ICA in Anwesenheit von Prominenz, u.a. der alten Genossen Bobby Gillespie und William Reid (The Jesus & Mary Chain). Erstmals seit 27 Jahren traten im Londoner 100 Club The Nipple Erectors vors Publikum – die Punkband, mit der Shane MacGowan 1977 seine Sängerkarriere begann. Und zwar mit solchem Erfolg, dass für den Spätsommer eine Tournee in Planung ist. Eine solche winkt erstmals auch den Hesslers aus Trier, die den „Bit Music Contest 2008“ gewannen und nun vom Management von Virginia Jetzt! betreut werden.

An neuen Platten arbeiten derzeit u.a. Battles (noch ohne Titel, VÖ: 2009), Tony Christie (mit Gästen wie Arctic Monkey Alex Turner, Richard Hawley und Jarvis Cocker) und Eminem. Fertig sind The Cure (vermutlicher Titel: 13, VÖ: 13.9.), Mogwai (the hawk is howling, 22.9.) und Fujiya & Miyagi (lightbulbs, 16.9.). Peter Doherty hingegen will nach Ablauf seiner Bewährung sein Soloalbum in Portugal noch mal neu aufnehmen. Und Marianne Faithfull hat – da sind wir wieder beim Eingangsthema – ein Album mit Coverversionen fertiggestellt (u.a. mit Morrisseys „Dear God, Please Help Me“), das im September erscheint. ««

FLURFUNK Das Letzte aus der Redaktion

Dawn Of The Seitensnyder Sie ahnen ja nicht die Bandbreite von Problemen, mit der sich diese Redaktion herumschlägt. Eines, dem zuletzt viel Aufmerksamkeit zuteil wurde, ist die fachgerechte Zerstörung von Bemusterungs-CDs mit digitalem Wasserzeichen (die NIEMALS in fremde Hände gelangen dürfen, sonst Festungshaft oder so). Hierfür wurde die Anschaffung eines elektrischen Schredders erwogen. Aber dann, zu teuer, von der Kohle kaufen wir uns lieber Cra… Milch. So wurde nach langen Diskussionen der LoTech-Vorschlag von Kollege Lindemann auf die täglich verlesene To-Do-Liste gesetzt, einfach einen Seitenschneider anzuschaffen. Dann auch bald schon der Beschluss: Wir besorgen den jetzt wirklich. Man stelle sich also das große Hallo vor, als keine vier Wochen später die Losung umging: Lächle, der Seitenschneider ist da! Und die Verwirrung, als der angebliche Seitenschneider dann von weiten Teilen der Redaktion als Papierschneidemaschine identifiziert wurde. Zum Schneiden von Seiten. Also zurück in den Think Tank: Begriffsklärung „Seitenschneider“. Was ist das eigentlich? Turns out: Es gibt so viele Vorstellungen davon, wie es Köpfe in dieser Redaktion gibt. Nach der jüngsten Besorgungsfahrt liegt ein Gerät vor, das die Kollegen Koch und Winkler übereinstimmend als Gartenschere bezeichnen würden. Wenn sie jemand fragen würde. Und das lässt mal schön bleibender Flurfunker