Interview: Judith Holofernes spricht über ihren Song „Nichtsnutz“


Dieser Tage erscheint mit EIN LEICHTES SCHWERT das erste Soloalbum der Musikerin. Lest hier, welche Motivation hinter ihrem Song "Nichtsnutz" steckt.

Judith Holofernes veröffentlicht am 7. Februar 2014 ihr Solodebüt EIN LEICHTES SCHWERT. Aus diesem Anlass sprachen wir mit der Sängerin und Songwriterin ausführlich über die Dauerpause ihrer Band Wir sind Helden, Niedlichkeitsvorwürfe und darüber, wie man mit Kindern tourt, musiziert, schreibt und lebt. Nachzulesen ist dieses ME.GESPRÄCH in der aktuellen Februar-Ausgabe des Musikexpress. Und weil ME-Redakteur Oliver Götz mit Judith Holofernes über noch viel mehr gesprochen hat und sie wiederum dieser Tage ihr neues Video zum Song „Nichtsnutz“ in die Welt ließ, könnt Ihr hier nun nachlesen, was es denn mit diesem Lied so auf sich hat.

Musikexpress: In dem Text des Songs „Nichtsnutz“ feierst du den Müßiggang. Ist das am Ende die einzige Freiheit, die uns bleibt, in dieser Welt, in der es immer weniger Platz für selbstbestimmte Lebensentwürfe zu geben scheint: sich selbst aus dem Verkehr zu ziehen – den Kippschalter umlegen?

Judith Holofernes: Ich bin raus. Klick! … Aber nein, jemand, der ein Nichtsnutz ist, ist ja immer noch da, der ist ja immer noch ein Ärgernis, Anstoß. Man schaltet sich ja nicht aus. Darum ging es vielleicht eher in dem Wir-sind-Helden-Stück „Lass uns verschwinden“. Ich finde, nichts tun ist eine wunderbare Art und Weise, an der Gesellschaft teilzunehmen. Und ich habe damals schon bei unserem Stück „Ode an die Arbeit“ gemerkt, was ja ein sehr verwandtes Thema war, dass es extrem viel auslöst in den Leuten. Ich glaube, ein Müßiggänger hat schon immer extrem viele Reaktionen provoziert.

Die Leute, auf die so ein Verhalten fast schon wie Protest wirkt, scheinen auch immer mehr zu werden. Die sich denken: „Das geht doch nicht!“

Judith Holofernes: Genau. Es ist wie in der Erzählung „Bartleby der Schreiber“ von Herman Melville – Bartleby ist ein mustergültiger Angestellter, und der sagt von einem Tag auf den anderen: „Ich möchte lieber nicht“ – „I would prefer not to“. Und das ist ab dem Moment das einzige was er sagt. Egal, was man ihn fragt. Am Schluss verhungert er dann in der Gefängniszelle. Gut, es nimmt ein nicht so schönes Ende. Müßiggang ist also natürlich irgendwie ein Protest, aber auch eine lebensrettende Maßnahme. Das macht Spaß. Ich finde nichts tun und Müßiggang ganz toll und sehr inspirierend. Und im Prinzip ist „Nichtsnutz“ tatsächlich so ein bisschen die Fortsetzung von „Ode an die Arbeit“ . Als das rauskam, hat man auch schon gemerkt, dass dieses Thema die Leute einfach fuchsig macht. Aus allen möglichen Gründen. Da kamen Reaktionen wie: „Du hast leicht reden!“ oder „Wenn ich so viel Zeit hätte wie du … du bist ja Künstler, du arbeitest ja nie was und den ganzen Tag in der Hängematte!“ Das löst ganz viel Abwehr aus, und das finde ich lustig. Das hat eine ganz schöne Kraft. Und ist eben kein sich Ausschalten, es ist eigentlich ein sich dick und fett in die Gegend Stellen und sagen: „Ich nicht!“

„Was machst du so heute?“ „Nichts.“

Judith Holofernes: Es ist ein nicht Teilnehmen an einer Gesellschaft, die das nicht vorsieht.

… und die diese Bereiche, die man dafür vorsehen könnte, versucht, anders zu besetzen, so dass Freizeit am Ende auch noch zu Arbeit wird.

Judith Holofernes: Ja, und dann werden so schreckliche Worte wie „Work-Life-Balance“ kreiert. Damals haben Leute eine zeitlang versucht, noch was Lebens- und Menschenfreundliches zu verkaufen, eben dass man auf seine „ Work-Life-Balance“ achten soll. Wie kurz wäre unser Leben, wenn es nur außerhalb der Arbeit stattfinden würde. Was für eine schreckliche Prämisse.


Judith Holofernes – Nichtsnutz

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