Endstation Assoziation: Musik in Filmen ist Fluch und Segen zugleich


Jeder verbindet mit Songs unterschiedliche Erlebnisse und Bilder. Wenn diese Bilder allerdings auf Kinoleinwand oder Fernseher zu sehen sind, ist es mit dem Spaß oft schnell vorbei, meint Jan Schmechtig.

Wir erinnern uns alle (ungern) an 9/11 und die damit verbundenen Bilder. Auch erinnern wir uns an Enya. Keine Bildwiederholung oder Fernsehschnipselzusammenschnitt zu diesem Thema ohne ihren Song „Only Time“. Auf der einen Seite brachte es den Song und das dazugehörige Album wieder an die Spitze der Charts (die Einnahmen hiervon spendete Enya unter anderem an die Hinterbliebenen), auf der anderen Seite war Enya die Frau mit dem 9/11-Soundtrack.

Gerüchten zufolge bot man ihr aufgrund dieser Assoziation den „Herr der Ringe“–Song „May it Be“ an. Und siehe da, auch dieser schaffte es auf Platz 1 der Charts. Aber auch dieser Song war nicht davor gefeit, aus dem Kontext gezogen zu werden und so hörte und sah man ihn leider auch jüngst in der Serie „Schwiegertochter gesucht“, als Engelfreund Heiko und Medium Nicola Alexandra ihre nicht-irdischen Kräfte einsetzten. Mit Soundtracks für Film und Fernsehen ist das so eine Sache. Ruckzuck sieht man bei „Lady in Red“ (Chris de Burgh) keine elegante Dame in schöner Robe, sondern eine „Frauentausch“-Kandidatin beim verzweifelten Versuch, sich umstylen zu lassen.

Schlimm ist übrigens auch, wenn Filmsongs zu viel Zugang zu privaten Anlässen bekommen. Klassisches Beispiel hier: „Time Of My Life“. Längst verbindet man nicht mehr nur den Abschlusstanz von Johnny und Baby, sondern zahlreiche Hochzeitsfeier-Performances oder Abschlussballunfälle mit diesem Song. Niemals hätten Bill Medley und Jennifer Warnes sich ausmalen können, wer alles noch so zu absurden Anlässen seiner Johnny-und-Baby-Fantasie freien Lauf lassen und sich vor versammelter Mannschaft zum Horst machen würde.

Aber glücklicherweise geht es auch andersrum. Wenn nämlich Filme oder Serien Songs, die vorher ohne jeglichen filmischen Bezug existierten, mit Bildern füllen. So geschehen zum Beispiel bei „Eiskalte Engel“. Nicht nur „Every You, Every Me“ von Placebo, sondern auch „Colorblind“ (Counting Crows) oder „Bitter Sweet Symphony“ wären ohne diesen Film wohl einfach nur (grandiose) Songs.

Jan Schmechtig bloggt unter Horstson.de über Männermode und Musik – und in loser Regelmäßigkeit auf musikexpress.de.