Studie: Songtexte von Nr.1-Hits entsprechen dem Lesevermögen von Drittklässlern


Andrew Powell-Morse untersuchte insgesamt 225 Songs, die innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens drei Wochen auf Platz 1 der Billboard-Charts standen. Seine Ergebnisse dürfen bedingt überraschen.

In einer us-amerikanischen Studie wurden die Texte von Nr.1-Hits aus den Billboard Charts der letzten zehn Jahre analysiert. Das Ergebnis: Ein Großteil der Songtexte von Bands und Solomusikern wie Macklemore, Linkin Park, Taylor Swift und Maroon 5 entsprechen dem Lesevermögen von Drittklässlern. Tendenz sinkend.

Andrew Powell-Morse untersuchte insgesamt 225 Songs, die innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens drei Wochen auf Platz 1 der Billboard-Charts in den Genres Pop, Rock, Country und HipHop standen. Dabei fand er unter anderem heraus, dass die Texte besagter Songs 2005 noch auf dem Leseniveau von Dritt- und Viertklässlern verfasst gewesen seien, heutzutage aber eher dem Leseniveau von Zweit- bis Drittklässlern entsprächen. Countrymusik schnitt von den vier untersuchten Genres noch am besten ab, gefolgt von Pop, Rock und, zuletzt, R’nB und HipHop.

Erstaunen darf dabei zum Beispiel, dass Eminems Texte zwar naheliegend etwas versierter als die von Beyoncé sind, Nickelbacks Texte Leser aber mehr forderten als etwa die der Foo Fighters. Und Kanye West ist zwar der Musiker, dessen Nr.1-Hits mehr Worte umfassen als die von Drake oder Nicki Minaj – lesbar wären seine Texte dennoch für Kinder, die die dritte Klasse noch nicht erreicht haben.

Die Größe des Wortschatz ist nicht entscheidend

Als halbwegs überraschend darf gelten, dass HipHop-Songs kaum besser (oder schlechter) als Songs andere Genres abschneiden. Man könnte ja meinen, dass zumindest der benutzte Wortschatz von Rappern größer sein müsse als der von, sagen wir, Country-Musikern. Die Studie zeigt: Ist er auch, aber mit der Qualität hat die Quantität eben nicht unbedingt was zu tun. Powell-Morse sagt das so: „Shockingly, R&B/Hip Hop and Pop seem to be talking a lot and not saying much.“

Als „schlauester“ Text gilt laut Studie „All About Tonight“ von Country-Musiker Blake Shelton mit einem Leseniveau von 5.8, also von Fünftklässlern, die bald die sechste Klasse vor sich haben. Als „dümmster“ Song hat „The Good Life“ von Three Days Grace das Rennen gemacht. Mit einem Leseniveau von 0.8 können Zeilen wie „All I want is a little of the good life“ offenbar auch I-Dötzchen lesen.

Kritiker mögen aus dieser Studie nun ableiten, dass ein Song tendenziell umso erfolgreicher sei, desto „dümmer“ dessen Texte seien. Erstens aber entdeckte Powell-Morse auch Ausnahmen – „Dani California“ etwa von den Red Hot Chili Peppers liegt mit einem Leseniveau von 5.5 weit über dem Durchschnitt. Und zweitens muss die Rechnung „einfacher Text = dummer Text“ nicht zwangsläufig aufgehen: Im Pop geht es nun mal auch um Eingängigkeit, und für die braucht man sicherlich ebenfalls ein gewisses Talent. Oder Songwriter.

Eine Frage, die zudem unbeantwortet bleibt: Was hat sich in den letzten zehn Jahren deutlicher verschlechtert – die Qualität der Songtexte oder das Leseniveau von US-Schülern?