Nirvana: Klingt „Nevermind“ Remastered so schlecht?


Zum Nevermind-Jubiläum erschien die remasterte Deluxe Version zum Album. Kritiker sagen, die Version würde den originalen Nirvana-Sound zerstören.

Wenn man „Deluxe“ hört, egal in welchem Zusammenhang, dann denkt man erstmal an „besser als gut“ und dass einem etwas Luxoriöses geboten wird. Ist ja auch richtig so, dafür haben wir das französische „Gütesiegel-Wort“ ja auch in unseren Wortschatz aufgenommen.

Wenn man „Remastered“ hört – da ist es nicht egal in welchem Zusammenhang, es geht dann ja schließlich um Musik – dann ist man sich sicher, dass eine Platte jetzt noch mal auf den Volumenregler angesetzt wird. Es soll vermuten lassen, dass sich die Platte nach dem Master besser anhört, aber es ist kein Garant für eine Soundpolitur, die der Musik immer zuträglich ist.

So verhält es sich nun nämlich mit der remasterten Version des Nirvana-Album „Nevermind“. Ja, wenn die Jubiläumsausgabe von Nevermind 2 CD’s enthält, wovon die eine CD das remasterte Original-Album ist, und die andere B-Seiten der Smart Studio Sessions und Boombox-Aufnahmen der nachfolgenden Proben enthält – dann ist das schon mal ein Aufgebot der Extraklasse, schlichtweg: deluxe.

Wenn man mit dem Remaster aber den Sound von Nirvana um dessen ursprüngliche Identität beraubt, dann hat man sich ein bisschen blenden lassen von den modernen Dezibel-Gewohnheiten auf Konzerten und hat zumindest bei Fans und Sound-Spezialisten nicht Punkten können.

Die Kritik wird lauter in den Reihen der eifrigen Poster, die ihrer Wut über die Deluxe-Ausgabe freien Lauf lassen (etliche davon bei Amazon). Die remasterte Version würde nichts mehr von der nirvana-typischen Dynamik übrig lassen, sie sei wahrlich „over-compressed“ und würde damit das Original im Keim ersticken. Dave Grohl’s Schlagzeug-Sound würde flach und leblos klingen. Und Kurt Cobain würde sich im Grab umdrehen, wenn er das hören würde. Kurz: Alles, was Nevermind ausmachte – insbesondere  die „Laut-leise-Dynamik“ – wurde demnach konsequent weggemastert.

Remaster-Chef Bob Ludwig sagte im Jahr 2009: „People talk about downloads hurting record sales, I and some other people would submit that another thing that is hurting record sales these days is the fact that they are so compressed that the ear just gets tired of it. When you’re through listening to a whole album of this highly compressed music, your ear is fatigued. You may have enjoyed the music but you don’t really feel like going back and listening to it again. It’s been really rough, folks, But it can get better and I think it will get better. I’m glad it’s going to be over.

Widerspricht sich da zwei Jahre später also jemand selbst? Erst den „Loudness War“ kritisieren und dann den Nirvana-Fans die Ohren mit einem Sound vermöbeln, der so komprimiert ist wie die Salami für ihre Bifi-Folie? Das ist tatsächlich alles andere als Deluxe.

Vielleicht hat H.P. Baxxter zu viel Mundpropaganda mit seinem dynamischen „Fahrradlampen-Mikro“ ausgelöst, als er in dem Song „Maria (I like it loud)“ auch an die allgemeine Lautstärke in den Discotheken appellierte. Auch wenn es nicht nur an Maria gerichtet war – Liebe Remasterer, es ist sicherlich allen klar, dass bei dem von vielen empfundenen „Over-compressed-Album“ keine Böse Absicht hinter steckt. Aber lasst doch bitte die Kirche im Dorf, wenn es darum geht soundtechnisch vom Leder zu lassen, denn laut ist nicht immer gut und es sollen doch auch nicht alle so laut sein wie Scooter. Da kann man den Volumenregler natürlich auch gerne im Nahchinein noch mal bis zum Anschlag aufdrehen. H.P. würde sich sicherlich freuen. Kurt würde das sicherlich gar nicht so gut finden.

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