Plattenspieler im Test: Club oder Wohnzimmer?


Müssen DJ-Turntables eigentlich viel kosten? Und welche Qualität bieten die preisgünstigen Probanden? Ein Plattenspieler-Test in zwei Preisklassen.

Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich kaum voneinander: Für 200 bis 300 Euro findet man viele Turntable-Modelle, die äußerlich dem Klassiker Technics SL-1210 recht ähnlich sind. Wird hier also der mit über 1.000 Euro gehandelte Oldtimer zum Schnäppchenpreis geliefert? Leider nicht. Es gibt große Qualitätsunterschiede.

Die günstigeren Varianten im Test

Die leichten Plattenteller der Nachbauten neigen bei hoher Lautstärke zum Mitschwingen. Zudem haben ihre Tonarmlager viel Spiel und führen die Nadel nicht perfekt durch die Plattenrillen. Ergebnis: Dem Bass fehlt es an Konturen, im Frequenzkeller beginnt es gar zu wabern. Ferner wiegt der Tonarm der Kopie weniger als beim Original, Höhe klingen dadurch spröde. Weiteren Punktabzug gibt es für das Gehäuse, welches nur bedingt gegen Rumpelgeräusche gewappnet ist sowie für die Motoren, die beim Scratchen ihre Probleme haben.

Doch die günstigen Turntables haben auch gute Eigenschaften – zum Beispiel integrierte Phono-Vorverstärker. Damit lassen sich die Player direkt an Mischpulte oder Hi-Fi-Amps ohne eigenen Plattenspielereingang anschließen. Bei manchen Geräten findet sich sogar eine Drehzahlregelung um ± 10-20% sowie eine Höhenverstellung für den Tonarm, um ihn parallel zur Platte positionieren zu können – abhängig von der Größe des verwendeten Tonabnehmers. Wobei unsere Testgeräte alle mit Tonabnehmersystemen bestückt waren, die anständig ihren Dienst versahen und deshalb nicht ausgetauscht werden müss(t)en.

Was außerdem für die Anschaffung eines neuen Spielers spricht: Mit ihnen lassen sich Schallplatten digitalisieren, ganz einfach über den USB-Anschluss als direkte Verbindung zum PC. Etwa mit dem supergünstigen Einsteiger Omnitronic DD-2550 USB (www.steinigke.de). Seine Daten: Direktantrieb, Anlaufmoment >1 kg/cm, Drehzahlregelung ±10%, versenkbare Nadelbeleuchtung, Phono-Line-Umschaltung, USB-Anschluss und Abtastsystem. Er ist für rund 200 Euro erhältlich.

Der Club-Plattenspieler von Audio-Technica für den Vinyl-Profi

Dreifacher Preis gleich dreifacher Spaß? Für rund 600 Euro bieten Club-Laufwerke schwerere und obendrein „bedämpfte“ Plattenteller (sie sind unempfindlicher gegenüber Vibrationen), exakter gelagerte Tonarme und insgesamt eine hochwertigere Verarbeitung. Dem Sound tut’s richtig gut: Der Bass wird straffer, die oberen Oktaven feiner aufgelöst. Aber sie sind auch besser zu handhaben: Stärkere Antriebsmotoren erleichtern das Scratchen. Start- und Stoppzeiten lassen sich variabel einstellen und die Drehzahl bis zu ± 50% anpassen. Damit wird präzises Mixen von zwei Playern ermöglicht. Sogar die Drehrichtung ist umkehrbar, um Tracks rückwärts abzuspielen. Phono-Vorverstärker und USB-Ausgang gehören zur Grundausstattung. Unsere Empfehlung: der Audio-Technica AT-LP1240USB (eu.audio-technica.com/de). Sein Direktantrieb verfügt über einen hohen Drehmoment (>4,5 kg/cm), der S-förmige Tonarm hat eine Höhenverstellung, auch eine steckbare Nadelbeleuchtung gehört zur Ausrüstung. Zum Anschaffungspreis von knapp 600 Euro müssen weitere 100 Euro für einen guten Tonabnehmer eingeplant werden.

Fazit

Billige Technics-Klone sind nur für Hobby-Schallplattenunterhalter und Veranstaltungen mit moderatem Lautstärkepegel zu empfehlen. Für ordentliche Turntables zahlt man den doppelten Preis. Bliebe eben noch der Technics. Da die Produktion des Referenzspielers eingestellt wurde, werden die im Handel verfügbaren Restexemplare immer teurer. Aber in Sachen Verarbeitung und Klang bleibt er eben das Maß aller Dinge. Die Bässe kommen druckvoll, aber kontrolliert, Stimmen wirken natürlich und Höhen fein ziseliert – alles irgendwie einen Tick selbstverständlicher als bei der Konkurrenz.

Für Designliebhaber der Klassiker von Braun- ein Traum in Weiss

Der Klassiker: Man muss kein Design-Experte sein, um zu erkennen, wen der 1956 von Hans Gugelot und Dieter Rams für die Kronberger Elektronik-Firma Braun entworfene Plattenspieler SK 4 beeinflusst hat: ein großer Teil der Produkte aus der Apple-Schmiede, vor allem die erste Variante des iPods und das weiße Macbook, folgten Rams’ Wahlspruch „As little design as possible“. Der Neupreis des im Volksmund „Schnee­wittchensarg“ genannten Gerätes betrug 325 Mark, für ein gebrauchtes Exemplar muss man heute einen ähnlichen Betrag in Euro berappen – gut erhaltene wechseln für weit höhere Preise den Besitzer. Für Rams war der Plattenspieler der Beginn einer großen Karriere. Er prägte mit seinen Entwürfen für Braun und die Möbelfirma Vitsoe die deutsche Nachkriegs-Produktwelt wie kaum ein anderer.

Tests & Texte von Wolfgang Grumblat, Marion Kamp, Anja Reimers, Frank Wiechert, erschienen im Musikexpress 3/2013.