Pub Rock – Guinness und Geräusche


Schon seltsam, Über etwas zu schreiben, das es eigentlich nie gegeben hat Ähnlich aber wie "Punk", "New Wave" etc. wurde die Bezeichnung "Pubrock" als journalistischer Schubladebegriff dem Vokabular der Rock-Historie einverleibt Namen wie Sean Tyla, Wilko Johnson oder Nick Lowe sind zwar heute geläufiger denn je, aber wer erinnert sich schon noch an die Winkies oder Chilli Willi And The Red Hot Peppers?! Also "Pubrock" ist wenn ...

‚Mitte Oktober des Jahres 1973 verlassen vier Vertreter der Hochfinanz ein Studio, nachdem sie in knapp dreiwöchigen Versuchen kein zufriedenstellendes Arbeitsresultat erzielen konnten. Dennoch haben die Herren in den vergangenen Monaten ca. vier Millionen Mark verdient: aus dem Erlös ihres Produktes DARK SIDE OF THE MOON. Zur gleichen Zeit, in ebenfalls drei Wochen, spielt in Wales ein Quartett der Namenlosen eine komplette LP ein, die später kaum jemand anrühren wird. Sean Tyla, Nick Garvey, Martin Belmont und Tim Roper, genannt Ducks Deluxe, verdienen weiterhin £ 30 pro Woche. Zu teilen durch vier.

Wir schreiben die Zeit, da sich in der englischen Rockmusik die Kluft zwischen denen da oben und vielen ganz unten ständig vergrößert. Und zwar nicht nur intern auf Seiten der Macher, sondern auch zwischen ihnen und dem Publikum, das längst nicht mehr das ihre ist. So haben denn ein Keith Emerson & Co. die laufende Welttournee unter das folgerichtige Motto „Get Me A Ladder“ gestellt und der Kommerzengel Gabriel, Ober-Animateur von Genesis, verkündet adäquat dazu, die Zuhörer „in eine Phantasiewelt entführen“ zu wollen.

Rockmusik in Britannien zu Beginn der Siebziger Jahre: ein Modell wachsender Entfremdung.

Die Zeit der Festivalitis mit (verordneten) Gemeinschaftserlebnissen ist vorbei, charismatische Figuren wie Jim Morrison, Janis und Jimi sind tot. Der Blues-Boom liegt zurück, kreative Bands vom Range der Family, Colosseum oder King Crimson sind in Auflösung begriffen. Aus der Retorte gestampfte sogenannte „Supergruppen“ sollen retten, was kaum noch zu retten ist: Beck, Bogart & Appice; West, Bruce & Laing – Fehlschläge. Selbst ein Ideenfabrikant wie Ray Davies verliert sich ausgewrungen im Konzeptsalat.

„Rock Meets Classic“ heißt ein weiterer Strohhalm, allein: die Genres beißen sich. Die Luft ist raus, die Sackgasse erreicht. Symptomatisch in jenen Tagen, Monaten, gar Jahren: latente Besetzungsandemngen, Aufgaben und mangelhafte Resultate im Anschluß an versuchte Neuorientierungen. Wer von personellen Querelen unbehelligt blieb, erging sich in Reproduktion seiner selbst.

Zwar existierten – wie zu allen Zeiten – Außenseiter, Unangepaßte und Unverstandene, doch blieb der Gesamteindruck mehr als schal. Wer überhaupt noch konnte, flüchtete in den Bombast, in einen ungeheuren Aufwand an Menschen und Material. Tonnen, Trucks und Triple-Alben, so ließe sich das wohl unrühmlichste Kapitel britischer Rockmusik überschreiben: Baden im Über-Schall.

Die ohnehin immer seltener werdenden Live-Konzerte vieler Gruppen gerieten – wie auch deren Studioproduktionen – zu Orgien, tönenden Monsterblähungen. Der Pomp-Rock war

geboren. Die Augen blendende und das Gehör verstopfende Gerätschaften ließen, oft unterstützt von herangekarrten Chören und Mammutorchestern, Spontaneität und Ursprünglichkeit zu Relikten verkümmern. Bands vorn Schlage der Genesis, Yes und ELP, Pink Floyd, Supertramp und Queen sowie Moody Blues und Barclay James Harvest versteckten sich hinter turmhohen PA’s und wallendem Trokkeneisnebel.

Musikern wie Steve Harley, Bryan Ferry und natürlich David Bowie ist es zu verdanken, daß dem Rock in jener Phase totaler Künstlichkeit nicht noch die letzten Züge von Individualität entzogen wurden, wenngleich auch sie stellenweise in larvenhaften Glamourposen zu erstarren drohten.

Parallel zum „Groß-Rock“ und sattmachender Gigantomanie belagerten die Gary Glitter, Mud, der Osmonds-Clan, die Bay City Rollers, Rubettes etc. mit ihren abstoßenden Dummpop-Elaboraten die Charts; über T. Rex, Alice Cooper und Slade mußte man sich schon freuen. Zwar sind gerade Hitlisten kein Maßstab für Qualität, doch runden sie in diesem Fall das Bild der Peinlichkeit ab. (Die drei »erfolgreichsten“ LP des Jahres 1972 z.B. hießen: 1.: „20 DYNAMIC HITS“, 2.: 20 ALL TIME GREATS“, 3.: 20 „FANTASTIC HITS“.) Das Jahr 3 972 bildete den Ausgangspunkt dessen, was heute als „Pubrock“

bezeichnet wird. Zwar hatte es schon immer Kapellen gegeben, die abseits der Riesenarenen in Colleges oder Clubs auftraten, doch daß es nun auch Rock in Kneipen geben sollte, das war neu. Die amerikanische Gruppe Eggs Over Easy (viele illustre Bandnamen würden folgen spielte als erste im Tally Ho, ursprünglich ein Jazzer-Treff in Kensington. Per Zufall erfuhr ein gewisser Barry Richardson von der’Sache, der gerade seine Bees Make Honey formiert hatte, und ebenso beiläufig platzten die Mannen um Mr. Brinsley Schwarz in einen Gig der Eggs hinein. Das Interesse war geweckt, die Gründerväter des „Pubrock“ sind genannt. Eggs Over Easy: eine in England hängengebliebene Band aus den USA mit ebensolchen musikalischen Einflüssen. Eminent vielfältig war das stilistische Spektrum der Bees, hatten doch die einzelnen Mitglieder zuvor so ziemlich alles von New-Orleans-Jazz über Rock’n’Roll und Blues bis hin zu Westcoast-Sound und Country & Western gespielt. Was schon damals auffiel (und Publikum anzog), war die Leichtigkeit und Ungezwungenheit, mit der auch die bekannteste der drei Combos, Brinsley Schwarz, ihr Material prasentierte.

Die Brinsleys hatten als Kippington Lodge Mitte bis Ende™ der Sechziger Jahre fünf Pop-Singles veröffentlicht. 1970 gerieten dann Brinsley, Nick Lowe, Bob Andrews und Billy Rankin an die „Famepushers“ -Agentur, die ihrem Namen unbedingt alle Ehre erweisen wollte: die in den Staaten völlig unbekannte Band wurde für einen gemeinsamen Gig mit Van Morrison und Quicksilver Messenger Service ins berühmte Fillmore East gebucht. Einen Hype sondergleichen sollte eine komplette Flugzeugladung Journalisten herbeischreiben, doch endete alles in einem einzigen Fiasko. Total desillusioniert kehrte die Band nach England zurück. Der Kneipen-Boom rief das Quintett (Ian Gomm war hinzugestoßen) auf die Szene zurück. Die subtilen, auf differenziertem Country-Rock basierenden Kompositionen der Gruppe dürfen mit als die Glanzlichter der „Pubrock-Ära“ angesehen werden.

Eine weitaus härtere Gangart schlugen die eingangs erwähnten Ducks Deluxe an, die ab September 72 – zunächst noch als Halbprofis – zu einer weiteren Hausband im Tally Ho avancierten. Ihr Boß Sean Tyla hatte früher mit Third World gearbeitet, war Auftragsproduzent und (nach eigenem Bekunden) über einer versuchten Betextung der „Neue Welt“-Symphonie von Dvofak „durchgedreht und ausgeklinkt“. Im Anschluß an ein Kurzgastspiel bei Help Yourself formierte er die Ducks, deren Sound sich in den allerbesten Momenten als eine Synthese aus Beatles-Pop, Boogie-Rock à la Rolling Stones und dylaneskem Gesang erwies.

Ein Hinweisschild an einer Straße war Namensgeber für die Mannen um den Kunstlehrer Ian Dury: Kilburn And The High Roads, bereits 1970 gegründet und live lange durch Abwesenheit glänzend. Das anfängliche Rock’n’Roll- und Schmalzmaterial aus fremden Federn wurde getilgt, als die Band ihr öffentliches Auftreten intensivierte. Unverkennbar allerdings blieb der Einfluß der Fünfziger Jahre auf das musikalische Konzept der Gruppe, die durch feinsinnigen Humor glänzte, sowohl die Texte als auch die Bühnenpräsenz betreffend.

Seit dem Frühjahr 1972 existierten Clancy. Der Ire Emie Graham hatte erfolglos bei Help Yourself gesungen. Zuvor war er mit Eire Apparent trotz einer ansprechenden, von Jimi Hendrix produzierten LP baden gegangen, und selbst sein ausgezeichnetes Solo-Album von 1971 wurde ein Flop. Clancy tauchte mit ständig wechselnden Besetzungen auf. Erst die Formation mit den Farbigen Barry Ford, Gaspar Lawal und Dave Vasco schuf den charakteristischen ClancySound: melodiösen Rock, der durch die zwangsläufige „Einschwärzung“ funkige Tendenzen bekam.

Etwa zur gleichen Zeit, Ende 1972, ging das Quartett Ace ins Rennen. Aus ehemaligen Warm Dust- und Mighty-Baby-Mitgliedern formierte sich eine Gruppe, die noch amerikanischer klang als Clancy. Auch bei Ace dominierten leicht angedunkelte Töne, gekoppelt jedoch mit deutlichen Spuren von Country & Western. Markenzeichen der Band: vielschichtige Vokalarrangements, die äußerste Präzision verrieten.

Einen bis heute nicht nachgeahmten Sound entwickelten Roogalator. Aus Cincinnati, Ohio, war der Gitarrist Danny Adler nach England gekommen. Der Blümlein-Ära und einem Kurzgastspiel bei Elephant’s Memory überdrüssig, rief er im November 1972 diese Band ins Leben, die, latent von internen Querelen gestört, jahrelang nicht zu sich selbst finden sollte. Der überaus eigenwillige Stil Roogalators wurde geprägt durch Adlers hochqualifiziertes Spiel, das ein eng verwobenes Miteinander aus Blues, Swing, Shuffle und traditionellem Jazz ergab. Daß unter dem Strich auch noch Rock übrig blieb, mag die Sonderstellung der Gruppe bezeichnen.

Als letzte Formation der ersten „Pubrock“-We]le sind Chilli Willi And The Red Hot Peppers zu nennen. Das Duo Martin Stone (ex-Savoy Brown) und Phil Lithman wuchs rasch zum Tip der Szene heran. Ihr Programm enthielt Hank-Williams-Songs, vermischt mit englischer Folklore und vom Amerikaner Lithman eingebrachte Bluegrass-Bearbeitungen. Die personelle Aufstockung hatte zwar die Elektrifizierung der Musik zur Folge, beschnitt aber die Band nicht in ihrem ungewöhnlichen stilistischen Spektrum.

Die hieraus ersichtliche musikalische Vielfalt blieb bis zuletzt ein Erkennungsmerkmal der „Pubrock“-Gruppen. Nicht auf ein konkretes Genre festgelegt, wuchs ihre Anzahl ständig. Zwangsläufig mußten neue Spiel-Plätze her, viele Kneipiers funktionierten ihre Räumlichkeiten um. Das Kensington und das Brecknock, Hope & Anchor, Lord Nelson und Greyhound wurden zu Musikertreffs, ebenso wie der 100 Club, das Torrington und Nashville. Der „Pubrock“ grassierte, die Medien hingegen schwiegen sich aus. Lediglich Annoncen erinnern heute noch an Bands wie z. B. 747, Cruisy Gliders, Witches Brew oder den Palm Beach Express. Von Seiten der Industrie erfolgte keine nennenswerte Reaktion. Solange die entrückten Super-Seller Gewinne abwarfen, hatte man wenig Sinn für Experimente. 1972 erschienen ganze vier Alben, die dem „Pubrock“ zugeordnet werden können. Dabei waren die beiden Brinsley-Schwarz-Platten Produkte eines ohnehin laufenden Vertrages, und das Chilli-Wllli-Debüt fand auf einem neu gegründeten Label (Revelation) statt. So gesehen blieb lediglich die Bees Make Honey-LP übrig, aber seitens ihrer Plattenfirma keinerlei Unterstützung erhielt, trotz solch denkbar ungünstiger Startbedingungen schossen immer neue Gruppen aus dem Boden – und das vor allem in der musikalischen Provinz außerhalb Londons. In und um das Städtchen Southend-on-Sea nämlich, auf dem östlich von London gelegenen Canvey-Island-Bezirk, herrschte rege Aktivität. Der Vorreiter der dortigen Pub-Barden war Mickey Jupp, ein seit 1963 im Geschäft befindlicher Rock’n’Roller. Bei den Orioles, Rockefeller und anderen Obskuritäten groß geworden, spielte er zwischen 1969 und 1972 mit Legend drei exquisite Alben ein (wie wär s denn endlich, Phonogram?!). Nach diversen Intermezzi bei weiteren Gruppen sprang der musikalische Alleskönner auf den „Pubrock“-Zug.

Seit 1971 sorgten Dr. Feelgood an der Küste für lupenreinen Rhythm & Blues, damals noch mit dem Drummer Terry Howarth. In Wilko Johnson besaßen die Rock-Rabauken einen Gitarristen der Extraklasse. Die Band wuchtete ihre unbehauenen R & B-Hämmer durch Hotelbars und Clubs in Southend und Pitsea und stürmte die Londoner Pubs 1973 gemeinsam mit zwei weiteren Southend-Gruppen: Eddie & The Hot Rods (feat. Lew Lewis, Harmonika), Spezialisten für Hochgeschwindigkeits-R & B und die Kursaal Flyers. Letztere sorgen für eine rockende Unterhaltungsmusik, in der ein Augenzwinkern nie zu kurz kam.

1973 wurde zum Jahr der Konsolidierung des „Pubrock“. Die Späher vieler Firmen hatten sich langsam aber sicher auf diese neue Spezies von Rockmusikern geworfen und das große Rosinenpicken veranstaltet. RCA griff die Ducks Deluxe, Ace waren bei Anchor untergekommen, auf Clancy waren die Gebrüder Warner scharf. Lediglich eine einzige LP erschien 1973 (wie gewohnt von Brinsley Schwarz); in den Studios hingegen herrschte Hochbetrieb. Jeder hoffte, den Knüller im Ärmel zu haben – eine Tatsache, die viele Bands belastete und sie in die Perfektion trieb: in jene Ecke also, der sie energisch abgeschworen hatten. So ist auf einigen Veröffentlichungen von Enthusiasmus und Unmittelbarkeit nur noch wenig auszumachen, was wiederum das finanzielle Engagement der Geldgeber schwinden ließ.

Zwei neue, vielversprechende Gruppen waren inzwischen aufgetaucht: die Winkies, angeführt vom kanadischen Gitarristen Philip Rambow. Von ihrem blitzsauberen, harten Rock und dem ausgeprägten Gespür für Balladen zeigte sich Charisma beeindruckt und nahm sie unter Vertrag. War es bei den Winkies u.a. Rambows schneidender Gesang, so hatten Kokomo ganz andere Qualitäten: das zehnköpfige Großorchester überzeugte durch instrumentale Spitzenleistungen, die auf das Konto von Mel Collins (sax), Alan Spenner (b) und Neil Hubbard (g) gingen. Mit Kokomo war nun auch die Sparte „Soul“ ausgezeichnet vertreten.

1974 sah dann endlich die ersten LP-Produkte, allein: es waren insgesamt nicht mehr als sechs.. Exzellentes kam dabei gleich zweimal von den Ducks Deluxe (die jetzt in Andy McMasters einen Pop-Spezialisten in ihren Reihen hatten), von Ace und Chilli Willi. Die Brinsleys lieferten einen Fast-Sampler ab, und überraschen konnten die neuen G. T. Moore And The Reggae Guitars, die ihr Programm im Namen trugen (1974!). Ebenfalls neu, aber eher ländlichen Klängen zugeneigt waren Charlie (Ainley) And The Wideboys, eine von so vielen Bands, die erst nach schweren Wehen zu Professionalität und Studiodisziplin gelangten.

Der Reiz des Ungewohnten war mittlerweile fast schon verflogen. Beinahe jede geeignete Kneipe, die im Geld zu bleiben gedachte, hatte eine oder mehrere Hausbands. „Pubrock“ war zur Selbstverständlichkeit geworden. Trotz bester Vorsätze mußten die Musiker sich eingestehen, daß sie finanziell so auf keinen grünen Zweig kommen konnten. Ermüdungserscheinungen waren die Folge, Unzufriedenheit, Besetzungsänderungen en masse. Die sogenannte „Naughty Rhythms Tour“ mit Dr. Feelgood, Kokomo und Chilli Willi (Januar/Februar 75) sollte dem „Pubrock“ den nötigen Aufwind verschaffen. Klarer Sieger blieb jedoch eine einzelne Band, nämlich Dr. Feelgood, die von nun an zu den meistgefragten Acts werden sollten. Ein den Doktoren ebenbürtiges Team, die schwarzen R & B spielenden Michigan Flyers, haben’s dagegen nie geschafft.

Unüberhörbar: es krachte im Gebälk. Die Bees waren schon im Herbst 74 eingegangen, bis Ende März folgten die Brinsleys, Chilli Willi und die Winkies. Doch noch einmal gab’s ein Aufbäumen. Unterstützt von Noel Brown (g), Paul Riley (b) und Brian Neville (dr), machte in einem Cafe namens Southern Comfort ein Sänger von sich reden, der Van Morrison nicht unähnlich schien: Mr. Graham Parker. Aus den kurzlebigen Sky-Rockets waren währenddessen Bontemps Roulez geworden (mit Parkers späteren Assistenten Goulding und Bodnar), die ebenso Schwarzes versuchten wie F.B.I., laut Anzeige „the best funk band England ever produced“. In eben jenem Fahrwasser bewegte sich auch eine Art zweiter Garnitur, bestehend aus den Strutters, Bandana, Salutations und Moon.

Es wurde immer offensichtlicher – die ganze Sache zerfaserte mehr und mehr, der „Pubrock“ würde den Sommer kaum überleben. Kilburn & The High Roads hatten eingepackt, Bontemps Roulez gingen schon nach vier Monaten kaputt, und von der alten Garde waren lediglich noch Roogalator und die Ducks Deluxe halbwegs intakt. Doch deren Abschiedskonzert am 1. Juli 1975 kam einer generellen Beerdigung gleich. Klar, daß die Show nicht so einfach stoppte, aber der Elan von einst war lange dahin. Die Bands, die weitermachten, deckten eine Übergangsphase ab: die Count Bishops und 101 ers (R & B), die Tyla Gang (Boogie-Rock von ex-Ducks plus ex-Winkies) und die seit 1973 fast unbeachtet gebliebenen Melody-Rocker Sniffn‘-The Tears (sie fusionierten mit den Resten von Moon).

Der Punkaufschrei im Sommer 1976 ließ alles Gerede über „Pubrock“ verstummen. Zu gemeinsamen Aktivitäten kam es noch während des „First European Punk Rock Festivals“ am 21. August in der Nähe von Bordeaux: hier die Hot Rods oder Roogalator, dort die Damned (feat. Nick Lowe). Wesentlich stärker war die Polarisierung dann beim „Front Row Festival“ 1977 im Hope&Anchor. Mit Ace und Kokomo sowie Roogalator hatten sich 77/78 die letzten Ur-Pubbands verabschiedet. Ian Dury, Graham Parker, Philip Rambow, Charlie Ainley – sie alle standen inzwischen neuen Bands vor, immer mehr Splitterformationen wie Sean Tylas Das Luftwaffegeschäft (die hießen wirklich so!) die Motors, Snakes, Bram Tchaikovskys Battieaxe und Rumour waren gegründet und z. T. wieder eingeschläfert worden.

Schon während seiner Existenz von den Medien lediglich als Randerscheinung abgetan, fristet der Begriff „Pubrock“ auch heute ein Schattendasein in einschlägigen Lexika. Eher zufällig, daß gar einzelne Gruppen vorgestellt werden. Andererseits besteht kein Anlaß, diesen Abschnitt der englischen Rockmusik über Gebühr zu glorifizieren. Es bleibt festzuhalten: die „Pubrocker“ haben zur Entwicklung der Rockmusik beigetragen, indem sie – paradox, aber zutreffend – rückschrittlich agierten. Ihre Aktivitäten bedeuteten keine Suche nach Neuland, sie stützten sich ausschließlich auf Erprobtes. Ihr Verdienst besteht darin, zumindest nicht tatenlos geblieben zu sein, als die arrivierten Bands müllwärts schwebten auch wenn Pink Floyd gewiß keine LP weniger verkauften, nur weil z. B. die Funkees oder Gonzalez umsonst in der Kneipe nebenan spielten.

Es wäre also völlig verfehlt, von „Pubrock“ als einer stilistischen Richtung zu sprechen. Die Tatsache, daß nahezu alle Gattungen vertreten waren, erlaubt wahrscheinlich nicht einmal, von einer Bewegung zu sprechen: es war allenfalls ein Trend. Graham Parkers Einschätzung, die Gruppen seien einfach „zu schlecht“ gewesen, um auch in größeren Hallen zu spielen, verrät geistigen Mangel – rekrutierte er doch sein Begleitpersonal ausschließlich aus „Pubrockem“. Kaum vorstellbar, daß er bewußt schwache Musiker engagierte. Richtiger dagegen lag Ray Davies, der in einer TV-Diskussion das „Problem der Imagelosigkeit“ erkannte. Denn so lobenswert der Verzicht auf Makulatur gewesen sein mochte, das Geschält Bockmusik hat für Bravheit noch nie einen Finger krumm gemacht. So schaufelten die „Pubrocker“ zwangsläufig ihr eigenes Grab.

Ihr „Zurück an die Basis“ hatte verglichen mit dem Punk Movement – lediglich Musik -, nicht aber gesellschaftspolitischen Charakter: „We must have peace/More peace and love/It’s just für the children/Of a new generation“ sangen Brinsley Schwarz und erreichten mit derartig frommen Wünschen auch schon die Grenzen der Agitation.

Für Sammler und Händler sind die damals verramschten und heute äußerst raren Platten längst zu Lust- bzw. Wucherobjekten geworden. Lediglich von den Brinsleys sind Wiederveröffentlichungen erhältlich. Ansonsten bleibt nur die Hoffnung, versprengte Exemplare auf Wühltischen zu finden: zwischen Ernst Mosch, portugiesischen Talking Heads und „20 DYNAMIC HITS“ von 1972, 73 oder 74…