REGGAE-MUSIKER RASTAS UND JAMAIKA Udo Vieth/ Michael Zimmermann Fischer TB 1965, DM 9,80


Nicht einmal der einzige deutsche Lehrstuhlinhaber für Rockmusik – Prof. Tibor Kneif – half wißbegierigen aber ideologisch allein gelassenen Reggae-Fans weiter. In seiner Anthologie über die wesentlichen Stilrichtungen in der Rockmusik der 70er Jahre verliert er über Reggae kein Sterbenswörtchen.

Deshalb darf man sich grundsätzlich freuen, wenn sich zwei junge Autoren (27 und 29) mit großem Fleiß jener hierzulande in Büchern noch weitgehend vernachlässigten Thematik annehmen – und bevor sie sich überhaupt der Musik widmen, zunächst einen ausführlichen Block über die Geschichte Jamaikas und die Bewohner der Insel bringen. Reggae ist geprägt durch die für Jamaika spezifischen sozialen Probleme und Spannungen, entsprechend führt hier der Weg zur Musik auch über die entscheidenden Hintergründe und Ursachen.

Wichtig auch das letzte Kapitel, über die aktuellen Anliegen von Reggae-Musik: die Probleme der dritten Welt, die politischen Wirrnisse auf Jamaika, die internationale Drogen-Mafia und der Massentourismus.

Das Kernstück des Buches bildet jedoch eine Art Reggae-Lexikon, in dem die wichtigsten Musiker in kurzen Biografien vorgestellt und eingeordnet werden, sowohl die aus Jamaika selbst (Burning Spear, Dennis Brown, Toots and the Maytals, Dillinger, 1 -Roy, U-Roy, Tapper Zukie, Sly & Robbie u.v.m.), als auch die in England lebenden (Linton Kwesi Johnson, Aswad, Matumbi, Steel Pulse etc.). Den umfangreichsten Artikel widmeten die Autoren natürlich Bob Marley (17 Seiten).

Vieth und Zimmermann gehen sehr sorgfältig vor. Ohne in Haarspalterei zu verfallen: Ihnen läßt sich kaum ein wesentlicher Fehler nachweisen. Trotzdem waren hier und da detailliertere Informationen wünschenswert gewesen, etwa über den Dub oder über die Rolle der Produzenten, vor allem die des geschäftstüchtigen Island-Bosses Chris Blackwell.

Allerdings wird die Freude an dem vom Ansatz her wirklich gelungenen Handbuch durch den furchtbar laden Schreibstil wieder getrübt. Die beiden Autoren geben zwar beide an, routinierte Hörfunk-Journalisten zu sein, doch lesen sich ihre trockenen und farblos aneinandergereihten Sätze so packend wie das Protokoll einer Gerichtsverhandlung. Muß denn jede Arbeit, mit der examinierte Akademiker (Vieth gibt in seiner Bio nicht weniger als sechs Studienfächer an!) auf einen breiteren Markt zielen, wie ein Einführungskurs an einer Provinz-Volkshochschule klingen?

Wie eingangs schon betont, hilft dieses Buch Reggae-Konsumenten (?) weiter, die bislang wenig Hintergrundmaterial zur Verfügung hatten. Wer sich über die Jahre jedoch regelmäßig anhand von Musikzeitschriften informiert hat, ist natürlich über die hier vermittelten Basiszusammenhänge längst hinaus, wird auf viel Bekanntes stoßen.

Dafür ist es aber ganz bequem, eine derartige Dokumentation fertig gebunden im Regal zu haben. Wer hat schon Lust, immer ganze Jahrgänge einschlägiger Publikationen durchzuforsten?