Blonde Redhead

Barragán

Kobalt/Rough Trade

Weniger Pop, mehr Dream: Das Avantgarde-Indie-Trio entschleunigt seine Songs, bis das Sandmännchen kommt.

Was mussten Blonde Redhead sich in ihrer Karriere nicht schon alles anhören: In den 90ern klangen sie den Kritikern zu sehr nach Sonic Youth. Als sich das aus der Frontfrau Kazu Makino und den Zwillingsbrüdern Amedeo und Simone Pace bestehende Trio später ein ums andere Mal neu erfand, mit Shoegaze experimentierte und Dream-Pop mit Folk verband, hieß es, dass Blonde Redhead ihre Anfänge verleugnet hätten. Immer gab es einen Grund zu nörgeln.

„Hated Because Of Great Qualities“: Das ist nicht nur der Titel eines Songs auf dem Schlüsselwerk MELODY OF CERTAIN DAMAGED LEMONS (2000), sondern beschreibt auch das Schicksal der Band. In Wahrheit haben Blonde Redhead ihre Vision stets konsequent verfolgt und auf acht Alben kompetent umgesetzt. Nun folgt das neunte: BARRAGÁN ist nach dem mexikanischen Architekten Luis Barragán benannt, der für seine minimalistischen, farbenfrohen Bauten bekannt war.

Als Namensgeber scheint er nur bedingt zur Platte zu passen, denn Blonde Redhead malen ihre Lieder ausschließlich in den dunklen Farben der Nacht: Auf BARRAGÁN nehmen sie die stillsten Momente ihres 2004er- Albums, MISERY IS A BUTTERFLY, und ziehen ihnen auch noch das letzte Unterhemd aus. Oft bleibt nicht mehr als ein spartanischer Beat oder eine zart gezupfte Gitarre übrig, über die Makinos Stimme geistert.

Das unendlich traurige „Lady M“ haucht sie weltverloren, so wie einst Jane Birkin die Chansons von Serge Gainsbourg. „Dripping“, gesungen von Amedeo Pace, ist beinahe tanzbar, ebenso wie „Cat On Tin Roof“, das mit seiner Bassline eine entschleunigte Version von Peter Bjorn And Johns „Young Folks“ sein könnte. In der zweiten Hälfte der Platte werden Melodien immer weniger wichtig, Blonde Redhead spielen sich in Trance – und verlieren den Faden: „Defeatist Anthem (Harry And I)“ besteht aus zusammenhanglosen Gitarrenfetzen und einer Geräuschkulisse, das abschließende „Seven Two“ blubbert drei Minuten lang ins Nichts.

Und schon nörgelt man wieder – aber, das sei festgehalten, auf sehr hohem Niveau. Denn trotz mancher Schwächen ist BARRAGÁN ein wertvoller Beitrag zum beeindruckenden Gesamtwerk dieser Band.