Arca

Xen

Mute/GoodToGo

Er wird das nächste Album von Björk produzieren. Wenn man ihm im Alleingang zuhört, weiß man, warum. Der gebürtige Venezolaner ist der neue Verzauberer der elektronischen Musik.

Nun ist es so weit. Nun kommt die Karriere von Alejandro Ghersi richtig in die Gänge. Damit werden sich all jene bestätigt fühlen, die diese Entwicklung schon länger vorausgesehen haben. Zuerst veröffentlichte ­Ghersi unter dem Namen Nuuro zwei Alben, auf denen er sang, Gitarren zupfte und auch schon zaghaft elektronische Instrumente bediente. Vor zwei Jahren erschienen die ersten Arca-EPs, dann folgten Produktionen für Kanye West und FKA Twigs. Jetzt haben ihn Vertreter der Prominenz auf dem Zettel. So schnell wird man zum Go-to-Guy. Aber bevor das von ihm koproduzierte nächste Album von Björk erscheint, zeigt Ghersi erst einmal im Alleingang, was in ihm steckt.

Der in Caracas geborene, im Umland von New York aufgewachsene und jetzt in London lebende Produzent ist grundsätzlich der Kategorie der Minimalisten zuzuordnen. Er verzichtet jetzt auf den Einsatz von Gesang, achtet aber trotzdem darauf, dass genügend Reizpunkte bestehen bleiben. Gleich in der Eröffnungszeremonie „Now You Know“ stehen Synthesizerklänge im Vordergrund, in denen sich eine Melodie andeutet. Nicht zu sehr, aber auch nicht zu vage, wie es noch bei der Kooperation mit FKA Twigs der Fall war. Hilfreich ist, dass Ghersi in jeder Etappe andere Akzente setzt. Während des Titelsongs hat man den Eindruck, als verfremde er Geräusche, die normalerweise in der Werkstatt eines Monteurs entstehen.

In „Sad Bitch“ tauchen in die Höhe gepitchte Laute auf, die den Schlägen auf eine Steel-Drum ähneln. Die internationale Ausrichtung beschränkt sich nicht nur in der Nähe zur Karibik. In „Failed“ sucht der Mann Nähe zu asiatischer Obertonmusik. Gleich danach folgt mit „Violence“ ein Stück mit dramatischem Titel, in dem es aber gar nicht so brutal zugeht. Der Sound eines irrlichternden Streicherensembles gibt in diesem Fall den Ton an. Man denkt zwischendurch auch immer an technische Details. Für „Sisters“ hat Ghersi elektronische Drum-Sounds aus dem Hause des Herstellers Linn hervorgeholt, die auch mal von Prince in „When Doves Cry“ benutzt wurden. Durch „Slit Thru“ ziehen sich Scratch-Laute aus dem HipHop, das sorgt für Abwechslung. In „Bulled Chains“ stößt man auf Überreste von Breakbeats, über denen ein lautes Surren liegt, bei dem man den Eindruck hat, dass damit ein Generalangriff letaler Insektenschwärme nachempfunden werden soll.

Es ist die große Horror-Sequenz auf einem sonst sehr friedvollen Werk. „Ich habe diese Musik in Situationen gemacht, über die ich keine volle Kontrolle hatte“, hat Ghersi in einer seiner wenigen öffentlichen Verlautbarungen wissen lassen. Geschadet hat das nicht. Dieser Musiker hat alle Einzelteile souverän miteinander verbunden und daraus ein futuristisches Opus gemacht, das sich trotz einer wahren Welle von elektronischen Produktionen zwischen Ambient, Soul und Pop zurzeit klar abhebt. Eine Reaktion darauf wird nicht ausbleiben. Die Welt hat zuletzt ja überaus gespannt auf die neuen Werke von Aphex Twin und Flying Lotus gewartet. Jetzt stiehlt ihnen ein Xen-Meister die Show.