Aus DAS ARCHIV-Rewind 1995: The Beatles

The Beatles Anthology 1

EMI

Manche Alternativ-Versionen der Beatles-Klassiker auf ANTHOLOGY zeigen, daß letztlich nicht immer die "beste" Fassung eines Songs auf Platte gelandet ist.

Das Album, auf das Millionen Fans in aller Welt gewartet haben. Die Plattenfirma EMI erklärt die Beatles-Schatzkammer für eröffnet: Mit ANTHOLOGY, einer Doppel-CD voller unveröffentlichter Aufnahmen aus den Jahren 1958 bis 1964, die selbst den Hardcore-Fans der Fab Four nur zum Teil von diversen Bootlegs bekannt sein dürften. Wie etwa die ’64er Harrison-Komposition ‚You Know What To Do‘ und natürlich der „neue“ Beatles-Song ‚Free As A Bird‘, den Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr im letzten Jahr aus einem alten Lennon-Demo mit Hilfe von Producer Jeff Lynne vervollständigten.

Obwohl die drei lebenden Beatles ein behutsames, beatleskes Arrangement auf des toten Lennons Stimme und Piano-Spiel gesetzt haben, bleibt ein leichter Hauch von Leichenfledderei zurück und die (Un-)Gewißheit: So könnten die Beatles anno 1995 klingen – oder auch nicht.

Archaisch dagegen die holpernde Version von Buddy Hollys ‚That’ll Be The Day‘, aufgenommen im Jahr 1958 noch als ‚Quarrymen‘ in einem kleinen Studio in der Nähe von Liverpool. Oder fünf (‚Searchin“, ‚Three Cool Cats‘ ‚The Sheik Of Araby‘ , ‚Like Dreamers Do‘, ‚Hello Little Girl‘) der insgesamt 15 Tracks aus der legendären Decca-Audition vom 1. Januar 1962. Die Beatles — damals noch ohne Ringo, aber mit Pete Best am Schlagzeug – fahrig und nervös am Werk in der (vergeblichen) Hoffnung auf einen Plattenvertrag. Eine Hoffnung, die erst fünf Monate später nach dem Besuch der EMI-Abbey-Road-Studios wahr werden sollte. Auch für diesen Meilenstein in der Beatles-Biographie wartet ANTHOLOGY 1 mit den passenden Tondokumenten auf: die Latino-Schnulze ‚Besame Mucho‘ und ‚Love Me Do‘ als frühe, unveröffentlichte Fassung.

Manche Alternativ-Versionen der Beatles-Klassiker auf ANTHOLOGY zeigen, daß letztlich nicht immer die „beste“ Fassung eines Songs auf Platte gelandet ist (Beispiel: der im Vergleich zur LP-Version völlig unterschiedliche, weil frischere Take 2 von ‚Can’t Buy Me Love‘ und der düstere zweite Take von ‚And I Love Her‘).

ANTHOLOGY 1 mit seinen insgesamt 51 (!) unveröffentlichten Songs und den Originaltönen der Beatles und ihres Managers Brian Epstein ist zum einmaligen Sammlerstück geraten, das eigentlich sechs Sterne verdient hätte. Im Hinblick auf die musikalischen Perlen, die in den Teilen 2 und 3 der Serie noch zu erwarten sind, gibt’s erstmal nur 5 Sterne.