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BURT BACHARACH

ANYONE WHO HAD A HEART – THE ART OF THE SONGWRITER

Universal

Kennst Du den Weg nach San José? 137 Klassiker von Burt Bacharach (und zum Teil auch Hal David).

Wo Komponist Burt Bacharach weilte, war Texter Hal David nicht weit – zumindest bis das künstlerisch perfekte Paar sich in die Haare geriet und leider trennte. Mehr als nur einen flüchtigen Überblick über das Schaffenswerk Bacharachs und zumindest in Teilen auch Hal Davids liefert das famose Sechs-CD-Box-Set ANYONE WHO HAD A HEART -THE ART OF THE SONGWRI-TER mit imposanten 137 Songs. Dionne Warwick serviert mit unnachahmlichem Timbre u.a. „Anyone Who Had A Heart“, und „Do You Know The Way To San José“ – mit der am Gospel geschulten Vokalistin entspann sich schließlich weltweiter Erfolg. Es folgen die nicht minder begabten wie längst rehabilitierten Nachahmerdamen in Großbritannien: Dusty Springfield, Sandie Shaw und, ja, die noch nicht intoxicated Marianne Faithfull. Ein ganzer Silberling widmet sich dem Frühwerk in den Fünfzigern mit Patti Page, Perry Como, Gene Pitney, Gene Vincent und Cliff Richard & The Shadows. Untersucht wird aber auch Bacharachs Wirken im Jazz mit Koryphäen wie Sergio Mendes & Brasil ’66, Wes Montgomery, Jimmy Smith, Stan Getz, Lena Horne und der unschlagbaren Ella Fitzgerald. Elvis Presley darf ebenso wenig fehlen wie Aretha Franklin, Scott Walker, Tom Jones und Doris Day. Selbst Marlene Dietrich („Kleine treue Nachtigall“) wurde nicht vergessen -für die Zelluloidikone fungierte Bacharach über Jahre als Orchesterleiter. Zu Glanzzeiten in den Sechzigerjahren waren die Songs Bacharachs bei der Beatund Underground-Fraktion schlicht als seicht verpönt. Wie Zeit doch einstmalige Torheiten zu relativieren versteht.

****** Mike Köhler

NILE RODGERS PRESENTS THE CHIC ORGANIZATION

BOXSET VOLUME 1: SAVOIR FAIRE

Warner

Die Werkschau der Disco-Legende könnte üppiger ausgestattet sein.

In einem Baseball-Stadion in Chicago wurden am 12.7.1979 Tausende von Disco-Alben in die Luft gejagt. 34 Jahre nach der berüchtigten „Disco Demolition Night“ muss man feststellen: Disco war damals so lebendig und aufregend wie es die Rockmusik, die die Disco-Hasser hörten, vielleicht niemals war. Eindrucksvoll nachzuhören ist das auf dieser ersten Werkschau der Chic Organization, die bereits seit 2010 als Import erhältlich ist, nun noch regulär in Deutschland erscheint. Auf den vier CDs finden sich die großen Hits der Band um den Gitarristen Nile Rodgers und den Bassisten Bernard Edwards, aber auch die Gassenhauer, die sie für andere schrieben, produzierten und einspielten von Sister Sledges „We Are Family“ bis zu „Upside Down“ für Diana Ross. Verantwortlich für die Chartsstürmer sind natürlich in erster Linie die prägende Funk-Gitarre von Rodgers und die zeitlosen Basslines des 1996 verstorbenen Edwards. 1981 hatten Rodgers und Edwards eine ganzes Album mit Schnulzensänger Johnny Mathis eingespielt, das niemals veröffentlicht wurde. Drei dieser Lieder hier zeigen, dass die Verjüngungskur Mathis sicherlich gut getan hätte. Aber so glamourös die Musik immer noch ist: Die Ausstattung der Box geht in Ordnung, ist aber nicht eben üppig. Im nur 16-seitigen Booklet sind vor allem alte Promo-Fotos zu sehen und in den Liner Notes erzählt Rodgers zwar einige amüsante Anekdoten, aber eine musikhistorische Einordnung oder ein geschichtlicher Abriss fehlen.

***** Thomas Winkler

DER PLAN

DIE LETZTE RACHE JAPLAN

Bureau B/Indigo

Analoger Dada-Synthie-Pop als Soundtrack sowie Erinnerungen an eine verrückte Japan-Reise.

Film-Subkultur trifft auf Pop-Underground. Ort des Geschehens ist Düsseldorf, wo der Oldenburger Rainer Kirberg an der Kunstakademie studiert. Abends treibt es den Filmemacher in den legendären „Ratinger Hof“, Epizentrum von Punk und NdW, wo auch Der Plan abhängt. Man kennt sich, und so bekommen Moritz R, Frank Fenstermacher und der Pyrolator den Auftrag, einen Soundtrack zu Kirbergs „Die letzte Rache“ zu komponieren, einem TV-Film zwischen Expressionismus, Film Noir und Pop-Musical. Das passt zu Der Plan, aus deren Reihen Frank Fenstermacher eine Nebenrolle bekleidet und Moritz Reichelt tatkräftig an den Kulissen mitwirkt. Auf DIE LETZTE RACHE ***1/2 sind exakt 30 Tracks, die zumeist auch

eine Minute oder weniger dauern. Musikalisch und formal finden sich Parallelen zu den Residents, allerdings klingen die Plan-Songs weniger zwingend und weniger nach Pop. Die Ausnahme: „Junger Mann“ mit Gastsänger Andreas Dorau. JAPLAN ****1/2 erzählt eine ganz andere Geschichte. Ein Jahr nach der Premiere von „Die letzte Rache“ reiste das Trio aus Düsseldorf auf Einladung der Kaufhauskette (mit angeschlossenen Plattenläden) Seibu nach Tokio, um dort Konzerte zu geben. JAPLAN entstand nach der Asienreise, um die sechs offiziellen Auftritte plus ein Nachschlagkonzert zu dokumentieren. Einerseits gibt die damals für den japanischen Markt hergestellte LP JAPLAN die Setlist wieder, andererseits handelt es sich auch um eine höchst gelungene Werkschau aus den ersten drei Platten GERI REIG, NORMALETTE SURPRISE und DIE LETZTE RACHE. Den verspielten Instrumental-Miniaturen mit ihrem experimentellen Charakter stehen auf JAPLAN wunderbare Pop-Schrullen wie „Alte Pizza“, Gummitwist“,“Space Bob“ und „Glitzer-Gleiter“ gegenüber.

Sven Niechziol

KIM FOWLEY

WILDFIRE – THE COMPLETE IMPERIAL RECORDINGS 1968-69

Cherry Red/Rough Trade

Drei Frühwerke des genialen Produzenten zwischen Punk, Glam, Psychedelic, Metal, Garagen Rock und R’n’B auf einer Doppel-CD.

Genie oder Scharlatan? An Kim Fowley scheiden sich gern die sogenannten Geister. Als der Sohn des Hollywood-Mimen Douglas Fowley 1968 für drei Alben beim Label Imperial unterschrieb, hatte er schon rund ein Jahrzehnt lang vor und hinter den Kulissen erfolgreich (u. a. „Alley Oop“ von The Hollywood Argyles, „Nut Rocker“ von B. Bumble & The Stingers, „Papa-Oom-Mow-Mow“ von The Rivingtons) im Musikgeschäft mitgemischt. Die drei Alben werden auf WILDFIRE – THE COMPLETE IMPERIAL RECORDINGS 1968-69 zusammengefasst: BORN TO BE WILD *** enthält aktuelle Tageshits wie „Hello, I Love You“ von The Doors, „Pictures Of Matchstick Men“ von Status Quo, „Sunshine Of Your Love“ von Cream sowie Steppenwolfs Titelsong im rustikalen R’n’B-Hammond-Groove: Booker T & The MG’s meets Psychedelic Rock. Ein ganz anderes Kaliber ist das ebenfalls 1968 erstveröffentlichte OUTRAGEOUS ******. Es ist ein experimenteller Meilenstein mit Pionierfunktion: In den archaischen Hymnen „Animal Man“,“Bubble Gum“, „Nightrider“ und „Barefoot Country Boy“ überblenden sich kongenial Punk, Glam, Psychedelic, Metal, Garagen Rock und R’n’B. Detroits Elite MC 5 und Iggy & The Stooges dürften seinerzeit aufmerksame Zuhörer gewesen sein. Unerreicht das Spoken Word Poem „Chinese Water Torture“. GOOD CLEAN FUN **** von 1969 schließlich funktioniert wie ein abgedrehtes Hörspiel mit surrealen Dialogen. Fowley begibt sich in Epen wie „Ode To Sweet Sixteen“ und „Search For A Teenage Woman“ ungeniert auf die Fährte einer Rock-Lolita. Eine Vorschau des lüsternen Unholds auf seine All-Girl-Band The Runaways.

Mike Köhler

SERGE GAINSBOURG

INTOXICATED MAN 1958-1962

Cherry Red/Rough Trade

Provokation als täglich Brot: Serge Gainsbourgs frühe Chanson-Jahre.

Ebenso vehement vielschichtig wie subtil nachhaltig gestaltet sich von Serge Gainsbourg Inspiriertes auf die gegenwärtige Popkultur. Über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit erzeugte Gainsbourg, der Komponist, Chansonnier und Produzent, spätere Schauspieler und Regisseur, durch seinen Grand-Prix-Sieg mit „Poupée de cire, Poupée de son“ von France Gall 1965 sowie drei Jahre später dank der Stöhn-Hymne „Je t’aime … (moi non plus)“ im Gespann mit Lebensabschnittsgefährtin Jane Birkin. In Frankreichs strikte Chansonriege wollte sich der ständig kreativ unter Überdruck stehende Kettenraucher und Alkoholiker nicht unterordnen. INTOXICATED MAN 1958-1962 nimmt auf zwei Silberlingen mit 66 Tracks die Anfänge des Enfant Terrible unter die Lupe – eine Phase noch stark vom klassischen Chanson geprägt. Komplett enthalten sind die ersten vier 10-Inch-Alben DU CHANT À LA UNE!, N° 2, L’ÉTONNANT und N° 4 mit stilistischen Querverweisen in den Jazz und die Folklore. Zum Pariser Szenehit entwickelte sich „Le Poinçonneur des Lilas“, eine nervöse Ode über einen mental implodierenden Fahrkartenkontrolleur, der am Knipsgeräusch seines Kartenentwerters verzweifelt. Gainsbourg scheut sich auch nicht, seine frühe Abhängigkeit von Hochprozentigem im Song „L’alcool“ genüsslich zu thematisieren. Ebenfalls enthalten sind diverse Non-LP-Singles, einige Konzertmitschnitte, rare Soundtracks und auch jene EP, die Juliette Greco dem Werk Gainsbourgs widmete, inklusive Hit „Accordéon“. Produzententätigkeiten des 1991 im Alter von 62 Jahren Verstorbenen für Les Frères Jacques, Alain Goraguer Et Son Orchestre, Pia Colombo, Hugues Aufray, Jean-Claude Pascal und Petula Clark runden die mit viel Detailliebe ausgestattete Kompilation ab.

****** Mike Köhler

SHUGGIE OTIS

INSPIRATION INFORMATION / WINGS OF LOVE

Epic/Sony Music

Erneuter Anlauf der Rehabilitation eines ganz Großen: der weirde California-Soul von Shuggie Otis besitzt auch heute noch alle Gültigkeit.

Es ist zuletzt viel über Shuggie Otis geschrieben und gesprochen worden, der Erkenntnisgewinn jener Zeilen war dabei vor allem Folgender: Die Behauptung, er sei vor gut 40 Jahren „von der Bildfläche verschwunden“, weist der Multiinstrumentalist in aller Form zurück. Vielmehr habe er direkt nach der Veröffentlichung von INSPIRATION INFORMATION seinen Plattenvertrag verloren. Und danach rief eben kein Label mehr an, nur einmal, 2001, meldete sich David Byrne. Das Ergebnis war die erste Wiederveröffentichung dieser Platte auf dessen Label Luaka Bop, was aber in der Öffentlichkeit nur mäßiges Interesse hervorrief. Jetzt wird also das zuerst 1974 erschienene Album erneut wiederveröffentlicht. Gekoppelt ist es mit WINGS OF LOVE, einer Art Sammlung noch nicht veröffentlichter Songs aus verschiedenen Schaffensperioden von den Siebzigern bis in die Gegenwart. Die funktioniert eher als zeithistorisches Dokument jeweiliger Klangmoden, sodass wir den Fokus dieser Besprechung auf das eigentliche Album INSPIRATION INFORMATION legen wollen. Es war für Shuggie Otis nach HERE COMES SHUGGIE OTIS (1969) und FREEDOM FLIGHT (1971) das dritte und finale für Epic. Vor allem aber markierte es einen Paradigmenwechsel. Wo die Vorgänger noch in enger Zusammenarbeit mit Vater Johnny Otis und vielen Sessionmusikern entstanden, konzipierte Otis INSPIRATION INFORMATION weitgehend selbst und spielte es auch selbst ein, ein Produktionsangebot von Quincy Jones schlug er ebenso aus wie das Angebot der Rolling Stones, den Gitarristenposten Mick Taylors zu übernehmen. Noch-Teenager Otis wollte alleine arbeiten. Seine Ideen verwirklichen. Und die fußten offenbar in einer weitgehenden Abkehr von der Ausdrucksweise Blues. Stattdessen installierte er während der gut dreijährigen Aufnahmezeit eine ganz eigene Klangsprache, die sich irgendwo zwischen dem Funk von Sly &The Family Stone, extrem abgefedertem California Soul und souverän angejazzter Klangarchitektur ansiedeln lässt. Bemerkenswert ist, wie gut das alles zusammenpasst, das zärtliche „Island Letter“ mit seinen Streicherschichten und der spinnerte Drumcomputer-Trip „Aht Uh Mi Head“, das Funk-Interlude „Happy House“, das Nicht-so-easy-Listening „XL-30“ und der Jazz in „Not Available“. Vermutlich wird wieder jemand bei Shuggie Otis anrufen, vielleicht nicht die Rolling Stones, aber sicher die ein oder andere interessierte Plattenfirma.

***** Jochen Overbeck

QUASIMOTO

YESSIR WHATEVER

Stones Throw/Groove Attack

Raritäten und Unveröffentlichtes von Madlib und seinem Heliumstimmen-Projekt. Das ist besser, als es sich zunächst anhört.

Was? Nur zwölf Tracks, die zusammen etwas über 30 Minuten lang sind? Das soll die neue Quasimoto sein? So in etwa reagierte die HipHop-Community, als die Nachricht durchsickerte, dass sich Madlib unter diesem viel geliebten Namen zurückmelden würde. YESSIR WHATEVER ist dann tatsächlich auch nicht das, was man als neues Album bezeichnen würde. Es handelt sich um ein Bündel gesammelter Raritäten und unveröffentlichter Aufnahmen. „Broad Factor“ etwa war schon Bonus-Beigabe auf THE FURTHER ADVENTURES OF LORD QUAS, „Astronaut“ und „Am I Confused?“ kennen Besitzer der „Astronaut“-EP. Beschweren sollte man sich dennoch nicht. Erstens ist alles aus dem Hause Madlib ein Ereignis. Das wäre sogar dann noch so, wenn es sich um geheime Mitschnitte von Demos handeln würde. Der Mann ist eine massive Legende. Punkt. Und weil das so ist, hört sich dieser Halbstündler auch nicht wie eine lieblose Zusammenstellung von Überbleibseln an. Das Album hat einen Flow und ist durch die humorvolle Art der Beteiligten, die hochgepitchte Stimme und einen jazzigen Mitternachtsvibe aus der glorreichen Zeit von Gang Starr und A Tribe Called Quest jederzeit erkennbar. Mit „Planned Attack“,“Catchin‘ The Vibe“ und „Sparkdala“ hat man keine Probleme, die Zeit bis zum nächsten echten Album zu überbrücken.

**** Thomas Weiland

BOBBY WHITLOCK

WHERE THERE’S A WILL THERE’S A WAY

Future Days/Cargo Records

Eine der übersehenen Schlüsselfiguren des amerikanischen Rock ’n’Roll erfährt eine späte Würdigung.

Ein wenig verwunderlich ist es, dass Bobby Whitlocks Solo-Aufnahmen aus den 70er-Jahren bisher nicht auf CD oder bei den einschlägigen Streamingdiensten erhältlich sind. Immerhin haben wir es nicht mit irgendeinem obskuren Underground-Künstler zu tun: Als Vinyl-Versionen sind die Alben überhaupt nicht selten. Whitlock, der in ärmlichsten Verhältnissen im Südwesten der USA aufwuchs, wurde von Booker T. Jones gefördert und sammelte erste Erfahrungen Mitte der 60er-Jahre als Teil des Detroiter Stax-Ensembles, wirkte aber auch an Platten von Delaney & Bonnie, den Rolling Stones und Eric Clapton mit. Mit Letzterem gründete er Derek and the Dominos und spielte mit ebenjenen auf George Harrisons ALL THINGS MUST PASS. Whitlocks Bekanntschaften ziehen sich durchs vorliegende Re-Issue, für die das Light-In-The-Attic-Label die beiden ersten Whitlock-Alben BOBBY WHITLOCK und RAW VELVET zusammenfasste: Alle Dominos hören wir, Delaney und Bonnie Bramlett, Rick Vito (Fleetwood Mac) oder Klaus Voormann. Kurzum: das Beste, was man Anfang der 70er-Jahre in puncto Bluesrock auffahren konnte. Dass seinerzeit in den USA mit ABC Dunhill nur ein kleines Label daran interessiert war, diese Platten zu veröffentlichen, ist im Nachhinein allerdings nachvollziehbar. Denn all diese großen Namen, vor allem Whitlocks eigener, mögen große Fähigkeiten transportieren, und so ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass handwerklich hier auf hohem Niveau gearbeitet wird. Doch wo etwa das unlängst ebenfalls bei Light in the Attic erschienene und lange vergessene Debüt von Ray Stinnett eigene Stimmungen aufb aute, gelingt das Whitlock nicht immer. Liest man sich die Notizen im Booklet zu den einzelnen Songs durch, erkennt man: Die Limitierungen seiner Stimme waren ihm durchaus bewusst. Dennoch ist WHERE THERE’S A WILL THERE’S A WAY eine interessante Sammlung mit einigen Perlen. Besonders wenn’s ruhiger wird, wenn Country auf Soul trifft, etwa in „I’d Rather Live The Straight Life“ oder „Country Life“, bewegt man sich oberhalb des Americana-Durchschnitts.

**** Jochen Overbeck

BILL WITHERS

THE COMPLETE SUSSEX AND COLUMBIA ALBUMS

Columbia/Sony Legacy/Sony Music

Saturday Night In Harlem: Komplettübersicht über das musikalische Schaffen des Soul’n’R’n’B-Songwriters.

Allein schon die Gastmusiker auf den Miniaturrepliken der neun Alben des Box-Sets THE COMPLETE SUSSEX AND COLUMBIA ALBUMS lassen aufh orchen. Doch selbst wenn Booker T. Jones, Stephen Stills, Ralph MacDonald, David Foster, Ray Parker Jr. sowie diverse Studiokoryphäen nicht mitgewirkt hätten, bleibt eine erstaunliche eklektische Songkollektion eines Ausnahmetalents. Bill Withers bediente sich zwar aus dem reichhaltigen Fundus von Soul, Funk und Rhythm’n’Blues, entzog sich jedoch elegant jedweder Stereotypisierung. Immerhin 32 Jahre alt war der ehemalige Berufsoldat, als das Label Sussex ihn 1970 unter Vertrag nahm. Zeitlos klingt das 71er-Debüt JUST AS I AM mit den famosen, oft gecoverten Evergreens „Harlem“, „Ain’t No Sunshine“ und „Grandma’s Hands“. Gleiches gilt für den US-Top-4-Nachfolger STILL BILL mit Hits („Use Me“,“Lean On Me“) und einer Portion Gesellschaftskritik, die Withers als Komponisten wie Interpreten in die US-Topliga katapultieren. Unstimmigkeiten mit Sussex nach dem populären Konzertmitschnitt LIVE AT CARNEGIE HALL ließen mangels Promotion das erstklassige dritte Werk +’JUSTMENTS 1974 nur in den R&B-Charts auf Rang 7 steigen, in der offiziellen Hitliste kam es lediglich auf Rang 67. Den Abstieg aufh alten konnte auch der Wechsel zu Columbia nicht mit dem 1975er MAKING MUSIC. Withers funktionierte zwar noch immer im Ghetto, das zweifellos vorhandene Crossover-Potenzial konnte auch Album Nummer fünf, NAKED &WARM, nicht nutzen. Der Anschluss gelang Bill Withers 1977 zum Höhepunkt der Disco-Ära mit dem merklich gefälligeren Konzept von MENAGERIE -angeschoben durch den weltweiten Hit „Lovely Day“. Latin Jazz („I Want To Spend The Night“), Disco („She Wants To Get On Down“) und jede Menge Kommerz wiesen in eine eher risikolose Zukunft. Weder das durchschnittliche ‚BOUT LOVE von 1978 noch das sieben Jahre später im typischen Stil der 80er-Jahre produzierte WATCHING YOU WATCHING ME eigneten sich zur Legendenbildung.

***** Mike Köhler