Brian Eno

The Ship

Warp/Rough Trade

Ambient: Ein Album als Summe sämtlicher Einzelteile, die den Künstler Brian Eno ausmachen.

Man muss sich klar werden, welcher Intention Brian Enos Ambient-Arbeiten ab Mitte der 70er-Jahre gefolgt sind. Minimalismus und das Ausbrechen aus dem Songformat waren als bewusste Gegen­reaktion auf die Sgtpepperisierung der Popmusik gedacht, eine Art stiller Punkrevolution in der elektronischen Musik. Pop als Antithese zu sich selbst als Resultat des Zehnjahreszeitraums 1967–77, in dem sich der Pop rasend schnell entwickelte.

Das Problem seit der mittleren Schaffensperiode Enos (ab etwa den frühen 90er-Jahren): Es wurde nie mehr ganz klar, welche Absicht der Künstler verfolgte. Wollte er Antipopmusik innerhalb der Popmusik machen oder art for art’s sake für Kunstinstallationen? Was aber nichts daran änderte, dass seine Alben immer dann auf ein Wichtigkeitslevel gehoben wurden, wenn sie gerade dem Zeitgeist entsprachen – oder ihm krass entgegengesetzt waren.

Neu auf THE SHIP ist, dass der Song-Eno und der Ambient-Eno nicht hübsch getrennt voneinander existieren. Enos monotone, vocoderisierte, somit semi-entmenschlichte Stimme ist in beiden Tracks zu hören: dem 21-minütigen „The Ship“ und dem über 26-minütigen, dreigeteilten „Fickle Sun“, inklusive des Velvet-­Underground-Covers „I’m Set Free“. Eno räsoniert über das Dilemma der Menschheit zwischen Hybris und Paranoia, hier symbolisiert durch das Sinken der Titanic und den Ersten Weltkrieg.

Ambient hier einmal nicht als endloser Soundstream nicht identifizierbarer Instru­mente, sondern sehr konkret: Der Bass ist als Bass zu erkennen, Keyboards als Keyboards, dazu analoge Effekte aus der Frühzeit der elektronischen Musik und dezent gesetzte Störgeräusche, die sagen wollen, dass es sich hierbei nicht um Kuschelmusik handelt, sondern um eine Komposition, die um Dramaturgie, Spannung und Entspannung bemüht ist.