Leif Randt :: Schimmernder Dunst über Coby County

Was passiert, wenn sich die perfekte Stadt gar nicht so perfekt anfühlt.

Einen Erzähler zu erfinden, der nicht nur unsympathisch ist, sondern sich auch zu den Geschehnissen und seinen Gefühlen distanziert, ist eine gewagte Ausgangslage für einen Roman. Wim Endersson ist so eine Erzählerfigur. Als eine Hochbahn mit 119 Passagieren entgleist und herabzustürzen droht, beobachtet der 26-jährige Literaturagent das Geschehen im Supermarkt auf einem Großbildschirm: „Viele halten sich ihre Hände vor den Mund. Es sind unkontrollierte, total abgegriffene Gesten, und als ich mich frage, mit welcher Gestik ich selber gerade aufwarte, verkrampfe ich total.“ Wim ist ein genauer Beobachter, der das Handeln der anderen stets wertet, aber selbst seltsam teilnahmslos durchs Leben geht. Als seine Freundin mit ihm Schluss macht, per SMS, weil das die Form sei, in der sie am virtuosesten kommuniziere, so Wim, antwortet er ihr: „Ich nehme deine Entscheidung zur Kenntnis und bereite mich jetzt ebenfalls auf einen neuen Abschnitt vor. Alles Gute.“ Doch diese Mischung aus distanzierter Höflichkeit und Bedachtheit auf Anpassungsfähigkeit ist womöglich herkunftsbedingt. Denn Wim Endersson ist in Coby County geboren, einem fiktiven Urlaubsort, erschaffen von einem Kosmetikkonzern, der jedes Jahr im Frühling Ziel für eine Art Upperclass-Springbreak ist. Ihr Alltagsleben verbringen die gut aussehenden Touristen „als talentierte Freiberufler in den Metropolen der westlichen Welt“. Wims Mutter entwirft Marketingkonzepte für die Gastronomie, ihr Lebensgefährte leitet einen Hotelturm. Doch das schöne Leben von Wim und seinen Freunden wird im Laufe des Romans bedroht, wenngleich die Bedrohung vage bleibt. Weissagungen werden ausgesprochen, rätselhafte Untergrund-Partys finden statt. Wie Leif Randt in seinem sensiblen, grundsätzlich selbstsicheren, an seinen idealen Heimatort glaubenden Erzähler ganz vorsichtig die Zweifel sät, ist große Klasse. „Schimmernder Dunst über Coby County“ ist der zweite Roman des aus Hessen stammenden, in Berlin lebenden 28-jährigen Autors, dessen Erstling „Leuchtspielhaus“ 2010 Generationen­roman-Qualitäten zugeschrieben wurden. Auch an Wim Endersson kann man die Geschichte der „späten Jugendlichen“ in einer von Lifestylekonsum geprägten Gesellschaft erkennen. So lasen auch die um-die-50-jährigen Bachmannpreisjuro­ren den Romanauszug, der dort einen Neben­preis erhielt. Aber man kann auch einfach genießen, wie Leif Randt es schafft, einen Erzähler und einen Ort zu erfinden, deren Schicksal trotz aller Distanziertheit ganz schön berührend ist.