Charli XCX

Sucker

Asylum/Warner

Selbstkrönung als „London Queen“: Die junge Britin setzt auf bunten Power-Pop mit Punk-Attitüde.

Das Schönste sind – im Leben wie in der Popmusik – ja immer die Widersprüche, Überraschungen und Abweichungen, die Stinkefinger an der richtigen Stelle. Und den zeigt Charlotte Aitchison gleich ganz zum Anfang ihres zweiten Major-Albums: Was würde sie auch machen, jetzt wo die 22-Jährige endgültig vom Kritikerliebling zur Top-Ten-Künstlerin, zur Pop-Force hinter Hits wie „Fancy“ oder „Boom Clap“ geworden ist, als ein beherztes „Fuck you, sucker!“. Na hallo! Taylor würde sich das nie trauen, Britney würde es höchstens denken. Bei der vorlauten Britin aber ist es Teil der Show – die erste, die ultimative Geste, sie ist auch Grundhaltung für alles, was danach kommt.

„Pussy Power“ nennt die Frau mit dem Herzlutscher den nassforschen Punk-Pop ihres zweiten Albums. Dessen Fixpunkt liegt in der Mitte von Katy Perry, Gwen Stefani und Debbie Harry zu CBGB’s-Zeiten. Es ist ein Wahnsinnsspaß mit klarer Message: „Break The Rules“ oder „Body Of My Own“ heißen die Songs. In „London Queen“, ein Stück über ihre Trips durch Amerika („I never thought I’d be living in the USA. Doing things the American way-ay-ay“), schwingt sie zugleich den Baseballschläger und grölt „Oi!“. Es sind Songs wie dieser, bei denen man erstaunt ist, wie dicht kitschiger Girlie-Pop, lärmender Punk und ein paar ausgetüftelte, elektronische Gimmicks hier zusammenfallen.

Viel kompakter und gradliniger ist SUCKER geraten als der Vorgänger TRUE ROMANCE mit seinen wirbelnden, träumerischen Sound-Schwärmereien. Viel klarer, oft leider platter hat Charli XCX ihre wilde, quietschpinke Party hier ausgearbeitet. Nicht jeder wird lustvoll mittanzen – es ist die Art Party, auf der es sich leicht angetrunken besser mitsingen lässt. Man kann die Gläser heben und dieser Platte als großem Statement zuprosten oder sie ein bisschen albern finden. Oder beides.