Von kaum geringerer Bedeutung als die Entdeckung des polyrhythmischen Rauscherlebnisses im Afrobeat war das Selbstbewusstsein, das Fela Kuti und Tony Allen einer Generation von Musikern in Nigeria schenkten: Kinder, ihr könnt euch bei Soul, Funk, Beat und Rock bedienen, ohne eure afrikanischen Wurzeln zu verleugnen. Das war vergleichbar mit dem, was die Tropikalisten ein paar Jahre zuvor in Brasilien einem staunenden Publikum vorspielten; die Öffnung zur anglo-amerikanischen Popkultur förderte einen musikalischen Reichtum zu Tage, den nur Puristen ignorieren konnten. Von der Aufbruchstimmung der beginnenden 70er. die mit dem Ende des Biafra-Krieges in Nigeria zusammenfällt, kündet nun dieser Schwung an Neuveröffentlichungen. Die beiden Sampler Nigeria 70 Lagos jump 5 und Nigeriaspecial 5 dokumentieren die musikalische Runderneuerung unter dem Tower Of Power des Afrobeat mit zahlreichen in Europa unbekannten Künstlern (es ist also kein Fela Kuti dabei). Die jungen Bands spielen sich aus den alten Highlife-Mustern raus, auf der Suche nach einer eigenen, in regionalen Roots geerdeten Fusion. Bei Victor Uwaifo (auf beiden Compilations vertreten) nimmt die Brass Section Mersey-Beat-Harmonien mit, bei Celestine Ukwu verwandelt sich der Highlife in einen Laid-Back-Beat mit Vibraphon und sanften Gitarren. Es fließt und groovt hier etwas sachter als auf den bisher bekannten Nigeria-Funk-Zusammenstellungen, das gilt vor allem für das Soundway-Doppel-Album Nigeria Special. Soundway-Boss Miles Cleret hat fünf Jahre da ran gearbeitet, die beiden Spin-offs nigeria Special Disco funk 4 und Nigeria rock Special 4 sind Zeugnis intensiver Recherchen in den verschütteten Welten des afrikanischen Beat. Und damit neu zu entdeckender lange Weg nach Rock etwa, den Ginger Baker mit seinen Pilgerreisen ins Zentrum des Afrobeat thematisierte, die Party-Szene von Lagos, die sich in die schweren Grooves (Johnny Haastrup, Sahara All Stars) fallen ließ oder mit Bongoslkwue zu einem Billie-Holiday-Song tanzen ging.

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Dossier Afrobeat ME 4/08