Fiction

The Big Other

Moshi Moshi/Coop/Universal 1.3.

In London hören die 80er-Jahre niemals auf.

Man könnte Fiction für eine fiktive Band halten. Es wäre nichts Besonderes mehr in der grassierenden Retromanie. Im Zeitalter postumer Pioniere wie es Fraktus heute für den Krautrock sind, als Fake. Wer Fiction zuhört und ihrem Debütalbum, kann nicht anders, als an Fiction Records, London und die Achtziger zu denken – als sich freie Plattenfirmen als Propagandisten eines unbedingten Zeitklangs fühlten. Fiction Records war The Cure und umgekehrt. „Big things / Giant things / Sinking with gravity / Landing with paper wings / Things not to think about“, singt Mike Barrett von Fiction, der Band, im 21. Jahrhundert. Und so exaltiert und existenzialistisch hätte das auch jeder Sänger 1983 vorgetragen. Hier müsste man die Mittel der Musik aufzählen: malerische Soundflächen aus originalgetreuen Synthesizern, Melodien in den Bässen und verlorene Gitarren, die in ihren Echos um sich selbst kreisen. Aber man hört bei Fiction eben auch, dass die Geschichte ihren Sound verändert. Es gibt Spuren aus der Ravekultur und aus dem afrikanisch inspirierten Collegepop. Das Schönste und Schlaueste spielen die Londoner zum Schluss: „The Apple“, ein musikalisch kühles, aber warmherziges Requiem auf Alan Turing, einen tragischen, schwulen Mathematiker, ohne den es womöglich heute noch keine Computer gäbe. The Big Other ist ein geradezu bemerkenswertes Album über Fakten und Fiktionen.